09. April 2020
09. April 2020
In der Corona-Krise muss Vater Staat ran. Große Wohlfahrtsverluste mit höchsten sozialen Kosten muss er unbedingt verhindern. Daher ist seine einmischende Politik mit hoher Neuverschuldung und Beteiligung an systemrelevanten Unternehmen zum Schutz vor feindlicher Übernahme gerechtfertigt. Doch wird die aktuelle Krisenlage kein Dauerzustand sein. Die deutsche Konjunktur wird sich wieder erholen. Und dann wird es spannend: Ist der Staat gekommen, um zu bleiben oder geht er wieder?
Nach Jahrzehnten des Schattendaseins scheint Corona dem „starken Staat“ ein Rückfahrticket ins Licht ausgestellt zu haben. Die Staatsgläubigen waren ja schon immer der Meinung, dass der Staat am besten mit Geld umgehen könne. Denn der Staat stelle das Gemeinwohl in den Mittelpunkt, während vor allem Unternehmen nur an ihren Eigennutz dächten. Der Staat sei ein gutmütiges Kontrollorgan, das seinen unmündigen Schutzbefohlenen Verantwortung abnimmt. Und daher solle er auch das Recht haben, wegzunehmen und umzuverteilen. Diese Freiheit dürfe er sich nehmen.
Für gewisse Zeit-„Genossen“ ist es doch nur fair, dass staatlich gerettete Unternehmen Gegenleistungen zu erbringen haben. Neben einer erhöhten Steuer- und Sozialabgabenlast dürfe man sie auch zum Zweck der allgemeinen Wohlfahrt regulieren.
Ein wirksames Instrument hierfür sind staatliche Beteiligungen. Als im letzten Jahr die Jusos die Vergesellschaftung von z.B. BMW diskutierten, war der allgemeine Aufschrei noch riesengroß. Doch jetzt, mit der Angst einflößenden Epidemie, scheint staatliches Aktionärstum bei Wählern durchaus in Mode zu kommen. Wenn das mal keine Einladung zum ordnungspolitischen Tabubruch ist. Vater Staat könnte leichtes Unternehmens-Spiel haben: Er kann klarmachen, was bisher „falsch“ war, aber zukünftig „richtig“ sein wird.
Im Zweifelsfall wird die EU kaum einschreiten. Systemrelevante Länder wie Frankreich oder Italien haben der Staatswirtschaft ohnehin nie wirklich ablehnend gegenübergestanden. Und wenn Deutschland bei hemmungsloser Verschuldung der EU-Staaten aus Solidarität alle Augen und auch noch die Hühneraugen zudrückt, dürfte die Sache abgemacht sein.
Was wäre also, wenn sich der Staat nachhaltig, auch nach Wirtschaftswiedererholung z.B. an der Lufthansa oder an Reisekonzernen beteiligen würde? Oder was wäre, wenn Bayern oder Baden-Württemberg sich ein Beispiel an Niedersachsen als VW-Aktionär nähmen und sich an BMW oder Daimler beteiligten? Überhaupt gibt es unzählige systemrelevante Unternehmen auch aus der zweiten Reihe oder aus dem Mittelstand mit seiner hochattraktiven Industriegüterkultur und einzigartigen Patenten, die man vor chinesischen Staatskonzernen und blutrünstigen Hedgefonds retten muss.
Sitzen Politiker gut dotiert - auch in Staatswirtschaften ist sich jeder selbst der Nächste - in Aufsichtsräten oder Kontrollgremien und werden Unternehmen mit staatlicher Liebe fest umarmt, haben die eigentlichen Manager und Geschäftsführer wenig Bewegungsfreiheit für marktwirtschaftliche Entscheidungen.
Denn Staatswirtschaft richtet sich nicht an Marktbedingungen oder dem Wettbewerb aus, sondern eher an den Bedürfnissen von z.B. Gewerkschaften. Politiker können gar kein Interesse an Werksschließungen haben. Bis zur nächsten Wahl wollen sie erhalten, bewahren, behüten und Arbeitsplätze kurzfristig retten.
Mit diesen Fehlallokationen werden übrigens auch Zombie-Unternehmen künstlich am Leben gehalten. Hier sei an den Wirtschaftswissenschaftler Schumpeter erinnert: Jeder ökonomische Fortschritt baut auf dem Prozess der schöpferischen bzw. kreativen Zerstörung auf.
Hat die Staatswirtschaft erst einmal Blut geleckt, wird die politische Lenkung ungeahnte Dimensionen erreichen. Politisch und moralisch einwandfreie Gutmenschen fordern bereits, dass nach Staatsbeteiligung an der Lufthansa der Flugverkehr begrenzt wird.
Rechnet man diese höheren staatlichen Weihen auf die gesamte Volkswirtschaft hoch, nehmen Produktivität, Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und schließlich Wirtschaftswachstum und Wohlfahrt im gesamten Land ab.
Ich bin zwar überzeugt, dass die Parteien der Mitte keine Planwirtschaft mit VEBs (Volkseigene Betriebe) anstreben. Doch scheinen selbst einige in der Ludwig Erhard-Partei zu meinen, dass ein bisschen Staatswirtschaft nicht schaden kann.
Es gibt ohne Zweifel Bereiche, wo Staatswirtschaft ausdrücklich erwünscht ist. Vater Staat hat unbedingt für die Befriedigung von Grundbedürfnissen zu sorgen: Essen, Trinken, Wohnen und natürlich ein Gesundheitssystem, das nicht kaputtgespart werden darf. Der aktuelle Kampf um Atemschutzmasken und medizinische Ausrüstung zeigt dramatisch, dass hier dringend gegengelenkt werden muss.
Doch sollte es dem Staat grundsätzlich um wirtschaftliche Zukunftsförderung gehen. Er hat Sorge zu tragen für Infrastruktur, Digitalisierung und Klimaschutz ohne ideologische Bretter vor dem Kopf, sondern wie man damit als Geschäftsmodell Geld verdienen und neue Arbeitsplätze schaffen kann. Auch die Wasserstoffmobilität als Nachfolger der E-Mobilität darf man nicht der asiatischen Konkurrenz überlassen. Der Staat hat also die Rolle des Schiedsrichters auf dem Wirtschaftsfeld, nicht des dominierenden oder gar foulenden Mitspielers.
Der Staat soll aufblühen, wenn es ernst wird, aber ansonsten verduften und die Menschen machen lassen. Staatswirtschaft kann es nicht besser. Daher darf sie nur ein kurzes Gastspiel sein, keine Dauervorstellung. Hat sich der Staat erst einmal in der Wirtschaft breitgemacht, hat man größte Mühe, ihn wieder loszuwerden. Warum sollte ein Löwe seine erjagte Beute wieder abgeben?
Seine zwischenzeitlichen Engagements als Unternehmensaktionär darf sich Vater Staat nach der Krise über Wiederverkauf gerne mit dickem (Börsen-)Gewinn bezahlen lassen.
Tatsächlich, nur wegen seiner marktwirtschaftlichen Ordnung kann sich Deutschland die üppigen Rettungspakete leisten. Andere Länder, die Staatswirtschaft betreiben, sind geradezu blass vor Neid.
Kommen wir also nach der Krise schnell wieder zu unserem deutschen Erfolgsmodell der Sozialen Marktwirtschaft zurück. Bringen wir Staatswirtschaft dorthin, wo sie hingehört: Auf den Misthaufen der Geschichte!
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Redaktion:
Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse, Baader Bank AG
Marc Schlömer, Kapitalmarktanalyse, Baader Bank AG
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