02. Februar 2024
02. Februar 2024
Die (Finanz-)Welt stellt sich auf eine zweite Amtszeit von Donald Trump ein. Er dürfte in seinen letzten vier Jahren im Weißen Haus alle Register ziehen, auch, um sich in den Geschichtsbüchern zu verewigen. Was ist vor diesem Hintergrund für die Wirtschaft und Geopolitik zu erwarten? Welche Bedeutung haben Trump und seine Politik für Europa? Und was heißt das alles für die Börse?
Bei einem Wahlsieg Trumps ist mit Steuersenkungen und Wirtschaftserleichterungen zu rechnen. U.a. sollen die Unternehmenssteuern von 21 auf 15 Prozent fallen. Donald Trump weiß, dass niedrige Steuern auf Investoren wirken wie Licht auf Motten. Die großen Investitionsströme sollen in Amerika münden und dem großen Hauptkonkurrenten China das Wasser abgraben.
Doch wer finanziert Trumps Steuersenkungsparty? Zur Beantwortung verweist er auf Steuertheorien aus der Klamottenkiste. Die zunächst auftretenden Deckungslücken sollen später durch drastisch höhere Wachstumsraten und damit höheres Steueraufkommen geschlossen werden. Dass dieses Perpetuum Mobile jedoch schon bei Ronald Reagan nicht funktionierte, verschweigen Trumps Wirtschaftskoryphäen. Übrigens zeigten sich Trumps wundersame Staatseinkünfte schon in seiner ersten Amtszeit nicht, als er die Unternehmenssteuern von 35 kräftig auf 21 Prozent schrumpfte.
Grundsätzlich sind die Schuldendaten aus Amerika schon heute einfach nur verheerend. Die Löcher im US-Staatshaushalt sind tiefer als die Schluchten im Grand Canyon. Lag die Staatsverschuldung 2017 bei ca. 20 Bill. Dollar, sind es heute 34 Bill., also fast 70 Prozent mehr. Und würden die Steuerpläne Trumps unter sonst gleichen Bedingungen umgesetzt, werden die USA nach der zweiten Amtszeit von Trump auf eine Verschuldung weit jenseits der 40 Bill.-Marke blicken. Wer ein plastisches Beispiel für die Exponentialfunktion sucht, hat mit der amerikanischen Schuldenmacherei und den entsprechenden Zinszahlungen ein Prachtexemplar gefunden.
Die Finanzierung der debt mania aus eigener Kraft schafft Amerika schon lange nicht mehr. Der US-Dollar ist zwar immer noch die Weltleitwährung, was Schuldenaufnahme im Vergleich zu anderen Währungen grundsätzlich vereinfacht. Doch kauft das Ausland längst nicht mehr treuherzig US-Staatspapiere wie früher. Der Deal, harte Ware liefern und im Gegenzug bunte Staatspapiere erhalten, dessen Bonität sich sicherlich nicht erhöht, gefällt den Chinesen immer weniger. Ohnehin will man dem Systemrivalen finanziell nicht gerne unter die Arme greifen. Und die US-Notenbank? Sie wird aus patriotischer Pflicht sicherlich ihr Scherflein beitragen. Doch kann sie nicht wie die japanische Notenbank zum Staatsfinanzierer werden. Das passt nicht zur Reputation einer Welt(finanz)macht.
Daher wird Trump den Rotstift auf seine besondere Weise einsetzen. So werden zunächst die Subventionen für grüne Technologie zusammengestrichen. Damit allein werden die Haushaltslöcher jedoch nicht annähernd geschlossen.
Daher soll das Geld vor allem von höheren Zöllen kommen, die laut Trumps Planungen mindestens 10 Prozent auf alle Importe in die USA betragen sollen. Dies zielt natürlich zunächst auf China ab. Der angeschlagenen chinesischen Binnenkonjunktur soll exportseitig so wenig wie möglich aus der Klemme geholfen werden. Schon immer brauchten doch die USA ein Feindbild, um die Nation zu einen. Was früher die Sowjets waren, sind heute die Chinesen. Doch auch die transatlantischen Freunde, vor allem Deutschland, werden nicht verschont. Lieber einen guten Freund verlieren als auf hohe Zölle verzichten. Trump als einen Freund Deutschlands zu bezeichnen, ist sowieso übertrieben. Während die Bidenomics bereits wenig wirtschaftsliberal sind, würde Amerika unter Trump zur Spitze der protektionistischen Bewegung.
Zwar kommen die Zölle als Bumerang zurück. Sie verteuern die importierten Güter, was zu erhöhter Inflation für Amerikaner führt. Und Gegenzölle schädigen Amerikas Exporte.
Jedoch setzt Trump darauf, dass viele Unternehmen aus Europa und Deutschland ihre Produktion in die USA verlagern, um den Sanktionen Trumps zu entgehen. In der Tat bieten die USA schon jetzt eindeutige Vorteile gegenüber dem alten Kontinent. Neben Steuern liegen sie ebenso bei Energiepreisen als neue „Arbeitskosten“ der Technologiegesellschaft sowie bei Planungssicherheit und Produktivität sowieso weit vorne. Bürokratie haben sie auch, aber gegen Weltmeister Deutschland nicht die geringste Chance.
Insgesamt ginge der Exodus deutscher Firmen in Richtung USA weiter. Am Ende hat Amerika alles, was es braucht, selbst im Land. Es würde immer mehr zum „Selbstversorger“.
Die Börse ist ein kalter Christ. Moralische Befindlichkeiten spielen für sie keine große Rolle.
Trotz protektionistischen Reibungsverlusten ist bei Umsetzung der Trumpschen Maßnahmen von einer positiven Wirkung am US-Aktienmarkt auszugehen. Kapitalmarktexperten weisen darauf hin, dass der S&P 500 während der ersten Amtszeit Trumps - unter Schwankungen - um ca. 70 Prozent gestiegen ist. Sicherlich war hierfür auch massiv die expansive Geldpolitik der Fed verantwortlich. Wie auch immer, da Amerikaner anders als Deutsche ein Volk von Aktionären sind, wird dies der Zustimmung zum Präsidenten - so Trumps Kalkül - keinen Abbruch tun.
Davon würden ebenso europäische und deutsche Firmen profitieren. Sie sind zwar bei uns an den Börsen gelistet, jedoch immer weniger mit den schlechten Standortbedingungen hierzulande konfrontiert. So erwirtschaften DAX-Unternehmen rund 80 Prozent ihrer Umsätze an hübscheren Standorten wie den USA. Das ist auch der Grund, warum der DAX in der Nähe seines Allzeithochs notiert.
Es ist zu vermuten, dass Trump in seiner zweiten Amtszeit auch gerne die Rolle des „Friedensfürsten“ anstrebt. Kommt es dazu sogar zu einem schmutzigen Deal mit Putin, um den Krieg zulasten der Ukraine zu beenden, der Amerika viel Geld kostet? Trump geht es dabei nicht zuletzt um die Schwächung der Achse Moskau - Peking. Mit einer Gesichtswahrung Putins soll Russland langfristig der Nibelungentreue zu China entkommen können und wieder freundlicher in Richtung USA schauen. Tatsächlich würde diese geopolitische Neuadjustierung Amerika stärken und China schwächen.
Europa muss sich zügig darauf einstellen, dass es demnächst geopolitisch noch einsamer wird. Der früher so fürsorgliche Vater Amerika wird sein Kind noch mehr verstoßen. So sind wir gezwungen, viel mehr Geld für Rüstung und Europas Verteidigungsfähigkeit auszugeben. Doch wat mutt, dat mutt.
Standortpolitisch müssen sich Europa und Deutschland wieder an die gute Wirtschaftspolitik der „alten weißen Männer“ wie Ludwig Erhard zurückerinnern. Reformen à la Agenda mögen unbeliebt sein. Und gesellschaftspolitisch wird das ein harter Ritt. Aber ohne sie, nur mit Gefälligkeitsökonomie werden wir jeden Tag ein bisschen ärmer.
Übrigens, gegen die auch vollständige Lösung der Schuldenbremse ist nichts einzuwenden, wenn die neuen Mittel einzig und allein der Stärkung des Wirtschaftsstandorts und nicht noch mehr dem bereits ausgeuferten Sozialstaat zugutekommen. Unsere Konkurrenten machen es genauso.
Und wenn Amerika dem Klimaschutz unter Trump den Rücken kehrt, sollten wir ihn wieder für uns wirtschaftlich nutzbar machen. Unsere Unternehmen können das, solange sie noch hier sind. Wann sorgt die Politik endlich für die nötige Haftung?
Zeigt also Europa Trump, was eine Harke ist? Ich kann nicht sagen, ob ich das noch erleben werde. Aber ich wünsche es mir so sehr.
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Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse, Baader Bank AG
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