Wenn ich höre, wie Trump und seine Jünger mit ihrem eigenen Land umgehen, kommt mir der Refrain eines Hits von David Bowie in den Sinn: „This is not America“. Aber es ist nun mal, wie es ist. Jetzt darf sich Europa bloß nicht nur mit den Risiken von Trump II beschäftigen oder auf baldige Altersmilde hoffen, sondern muss das „neue“ Amerika als Chance für neue eigene Stärke nutzen.
Börsen sind flexibel und können sich auf vieles einstellen. Trumps innen-, außen-, verteidigungs- und wirtschaftspolitische Stör- und Bremsmanöver übersteigen aber jede noch so große Beweglichkeit an Wall Street. Und mit der Verdammung des Welthandels, der auch Amerika viel Wohlstand bescherte, will Wall Street sich erst gar nicht beschäftigen. Es wäre Freude am eigenen Schmerz.
Überhaupt, Amerikas bestes Stück ist, nein, nicht Donald Trump, es ist der US-Dollar. Mit dieser Weltleitwährung als das starke geopolitische Machtinstrument würde niemand spielen, Trump schon. Er torpediert ihn u.a. mit Angriffen auf die Unabhängigkeit der Fed, die sich weigert, venezolanische Geldpolitik zu betreiben.
Und wie ist es mit der Güte von US-Staatspapieren, einst die stärksten Pferde im Stall der internationalen Finanzmärkte? Warum sollte das Ausland sie noch heiß begehren, wenn Amerika kalten Masochismus betreibt und die Kunden auch noch als Schmarotzer beschimpft? Ist der Kunde in Amerika doch nicht König?
Schon heute kauft die Welt lieber Gold als US-Staatspapiere. Müssen sich Anleger auf steigende US-Anleiherenditen einstellen? Und sind das dann die Spatzen auf dem Dach des Weißen Hauses, die von Dollar-Dämmerung und amerikanischem Machtverlust zwitschern?
Die Darbietungen Trumps entzücken die US-Börsen nicht. Vielmehr sorgen die Anleger sich vor dem Verlust der (finanz-)wirtschaftlichen Dominanz der USA. Nutznießer sind die im Vergleich zu Amerika noch günstig bewerteten Aktienmärkte in Europa, Deutschland und Asien. Ebenso profitieren sie von großen Konjunkturpaketen und der Erwartung, dass das Ausland mit dem Aufbau von eigener geopolitischer Muskelmasse verstärkt in Konkurrenz zu den USA tritt.
Warum Trump diese Selbstschädigung betreibt, erfahren wir vielleicht erst in seinen Memoiren. Ist es Rachelust, ein übersteigertes Selbstbewusstsein, Arroganz oder einfach nur wirtschaftliches Unverständnis?
Zwar sollte nicht erwartet werden, dass Amerika seinen „Selbstzerstörungskurs“ für immer fortsetzt. Mit zunehmendem Schmerz wird auch der Widerstand der Wirtschaft, selbst von Republikanern zunehmen. Im Moment jedoch scheint der gesunde Menschenverstand als Heiliger Geist noch nicht auf Washington niederzukommen. Er dreht noch ein paar Ehrenrunden.
Wo Amerika und der US-Dollar Platz machen, bieten sich Chancen für andere.
China prescht vor. Es umschmeichelt westliche Unternehmen wie Vögel auf der Balz. China präsentiert sich als neuer Schutzpatron des freien Welthandels. Ah was! Amerikanische Unternehmen hören sich die vermeintlich frohe Botschaft zumindest an. So erwirtschaften die „Magnificent 7“ (Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet, Nvidia, Tesla, Meta) beinahe 50 Prozent ihrer Umsätze außerhalb der USA und sind gezwungen, über den heimischen Tellerrand zu schauen.
Doch hört man kein Wort zur hartnäckigen Krise auf dem Immobilienmarkt, zur Konsumschwäche und zu den Deflationsgefahren. Sprachlos ist man ebenso bei der Benachteiligung ausländischer Anbieter gegenüber einheimischen, Intransparenz und übergriffigem Kontrollwahn.
All das sind nicht die schmackhaften Zutaten für ein China als leckere Alternative zum globalisierungsverarmten Amerika mit prosperierender Weltwährung.
Mittlerweile hat auch die EU begriffen, dass es höchste Zeit ist, dass aus der Großmacht im Moralisieren eine echte Führungsmacht wird.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt im europäischen Binnenmarkt. Wenn er sich zusammenrauft, geschlossen auftritt sowie wirtschaftlich und technologisch stark ist, hat die EU klares geopolitisches Machtpotenzial.
In diesem Zusammenhang schmerzt es, dass Deutschland bis 2036 neue Schulden von ungefähr einer Bill. Euro anhäuft. Angesichts der vielen wirtschaftlichen Ruinen gibt es jedoch keine andere Möglichkeit. Wer jetzt das deutsche Haus nicht saniert, zahlt später noch mehr an die Handwerker.
Der DAX hat mit einem Feuerwerk auf die üppigen Finanzmittel reagiert. Auch große US-Investoren haben ihre Raketen bei uns gezündet. Doch ein Schuldenrausch allein löst unsere Krisen nicht. Die Börse wird zukünftig genau beobachten, ob die Finanzmittel produktiv in Wirtschaftswachstum oder um des lieben Koalitions-Friedens willen in konsumtiven Schnickschnack investiert werden. Nach Bildung der schwarz-roten Koalition in Berlin muss es heißen: Alles neu macht der Merz im Mai. Ansonsten verbrennen die Gelder ähnlich schnell wie bei einem Scheunenbrand.
Grundsätzlich müssen Europa und Deutschland die Inlandsnachfrage stärken, um ihre Exportabhängigkeit zu mildern. Dazu muss aber mehr Netto vom Brutto übrigbleiben. Ohnehin ist klar, dass Bürger und Unternehmen mit ihrem Geld sorgsamer und wirtschaftlich effizienter umgehen als Regierende, die es ohne eigenes Risiko, aber zum eigenen politischen Wohl liebend gern umverteilen. Vor diesem Hintergrund verbieten sich Steuererhöhungen, auch auf Wertpapieranlagen.
Und neben der Intensivbehandlung des Geschwürs Bürokratie geht es um Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen. Für KI-Anwendungen werden riesige Strommengen benötigt. Momentan hat Deutschland aber die höchsten Strompreise aller Industrieländern. Bleibt es dabei, wird Deutschland noch mehr deindustrialisiert. Dann erreichen wir Klimaneutralität noch vor 2045.
Übrigens, wenn Deutschland jetzt in das Lager der Defizitsünder wechselt, ist das kein Freibrief für völlig laxe Haushaltspolitik. Wenn wir die Schuldenschleusen ohne jede Finanzdisziplin aufmachen, hätten die romanischen Länder Blut geleckt. Steigende Inflation und Zinsen machten dann jeden Wirtschaftsaufschwung blutarm.
Insgesamt bieten sich für Deutschland und Europa aktuell Chancen, mehr Beißkraft und damit mehr Verhandlungsmacht gegenüber den USA zu erreichen. Wenn wir aber erneut nur auf die Milde vom Gottvater im Weißen Haus hoffen und wieder nur Ersatzspieler sind, die dankbar sind, dass sie auf der weltpolitischen Bühne nicht mitspielen müssen, geht das Zeitfenster zu. Dann kommen andere wie China oder Indien zum Zuge. Damit hätte auch der Euro seine Berechtigung als ernstzunehmende Währung neben dem US-Dollar verloren.
Und wenn Europa verblüht, verduften auch die Perspektiven an seinen Aktienmärkten.