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Halvers
Kolumne

 
17.07.2024

Sommerzeit - Die Ruhe vor dem Sturm?

Jetzt in der Sommerzeit genießen viele ihren Urlaub, Ruhe und Entspannung. Aber beginnen danach die Herbststürme an den Börsen? Immerhin stehen pikante Ereignisse an. Zunächst die ewige Frage, wann, wie viel und ob die Fed auf den Zinssenkungspfad einschwenkt. Und so mancher sorgenvolle Anlegerblick fällt auf die US-Präsidentenwahl und die schwierigen politischen Verhältnisse in Europa, u.a. in Frankreich.

Sind die Finanzmärkte zu zinsoptimistisch?

Nach den letzten entspannten Daten zu Inflation und Arbeitsmarkt preisen sie bis zu drei Zinssenkungen bis Jahresende ein.

Es gibt aber auch die Wetterpropheten, die dunkle Wolken am Zins-Himmel sehen. Sie mutmaßen, dass die Fed über den Tellerrand von 2024 hinwegblickt und bereits die Auswirkungen einer Präsidentschaft Trumps berücksichtigt. Und das umso mehr, als dass Donald Trump nach dem Attentat als american hero gilt, der sogar Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses holen und damit durchregieren könnte.

U.a. könnten die Republikaner massive Konjunkturprogramme lostreten und scharfe Zölle auf alles, was nach Amerika geht, verhängen. Einschließlich nachfolgender Preisspiralen drohte dann ein Inflationssprung bis fünf Prozent. Die Erreichung des Inflationsziels der Fed von zwei Prozent würde auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben. Und warum sollte die Fed im Herbst Zinssenkungen vornehmen, wenn sie zur Preisstabilität 2025 wieder in den Zinserhöhungsmodus wechseln müsste? Ist dies der Grund, warum die Fed bislang noch nicht die Zinsen senkte?

Die Fed ist allerdings nicht dafür bekannt, ihre Maßnahmen an politischen Eventualitäten auszurichten. Sie wird sich lieber an die aktuellen Konjunktur-, Job- und Preisdaten halten und darauf gründend den Zinssenkungstrend ab September einleiten. Tatsächlich hat Fed-Chef Powell bereits „Zins-Kreide gefressen“. Er betont, dass die Fed neben der Preisstabilität auch das Ziel der Vollbeschäftigung verfolgt und mit Zinssenkungen nicht warten werde, bis die Inflation bei zwei Prozent liegt. Für ihn als zurückhaltenden Notenbanker sind das geradezu FKK-ähnliche Aussagen.  

Also, von der Geldpolitik haben die Aktienmärkte kein Unwetter zu erwarten.   

Trump-Sturmtief über Europas Aktienmärkten?

Die Aussicht auf einen allmächtigen Donald, der sich in seiner letzten Amtszeit ein Denkmal setzen will, versetzt Europa in Angst und Schrecken. Es drohen weniger Multilateralismus und militärische Unterstützung im Ukraine-Krieg, vor allem aber massive Belastungen für die Exportindustrie. Doch muss auch festgestellt werden, dass der Inflation Reduction Act Bidens und seine Buy American-Politik auch keine handelspolitischen Liebesbeweise für Europa sind. Darüber kann auch sein versöhnlicher Ton nicht hinwegtäuschen. Auf den Inhalt kommt es an, nicht auf die Verpackung.

Sollten die Republikaner durchregieren können, werden Trump und sein besonders „hardlinig“ auftretender Vizepräsidentenkandidat Vance keine Hunde sein, die im Wahlkampf nur gebellt haben, aber im Amt nicht beißen. Es kommen stürmische Zeiten auf Europa zu, zumal die „Make America great again“-Bewegung nach der Amtszeit Donald Trumps nicht beendet sein dürfte.

Angesichts dessen fehlt dem alten Kontinent leider die wetterfeste Kleidung. Man zieht nicht an einem Strang, um sich zu schützen. U.a. macht der ungarische Ministerpräsident seine eigene, völlig unabgestimmte „Friedenspolitik“. Und der deutsch-französische Überbau, der Europa in Schlechtwetterperioden immer Wetterschutz bot, ist mit den unsicheren Machtverhältnissen im Pariser Parlament noch undichter geworden. Im Status Quo droht Europa geopolitisch und wirtschaftlich richtig nass zu werden.

Auch wirtschaftspolitisch ist man nicht geneigt, die Ode an die Freude zu singen. Auch wenn die Neue Volksfront in Frankreich keine harmonische Truppe ist, werden mit einem Premier Ministre aus dem linken Lager dennoch Klassenkampfparolen, planwirtschaftliche Regulierung und Schuldenträume, die von der EZB finanziert werden sollen, hoffähig. Und da Frankreich ein bedeutendes EU-Land ist, können die politischen Tiefs in ganz Europa wirtschaftliche Wetterschäden anrichten. Schon bislang wird in Europa nicht für wachstumsfreundliche Wetterbedingungen gesorgt. Lieber verfährt so manche europäische Regierung nach dem Motto „Lob dich selbst, sonst lobt dich niemand“.  

Europäische Aktienmärkte sind aber nicht nur politisch oder standortspezifisch zu betrachten. Dort stehen Branchen auf dem Kurszettel, deren Unternehmen weltweit immer noch tragende Rollen spielen. In puncto Konsumgüter, Luxus, Gesundheit, Maschinenbau oder Industrie gibt es eine Fülle von weiterhin aussichtsreichen Aktien vor allem aus der zweiten Reihe.  

Nicht zuletzt werden diese Unternehmen Donald Trump den Hof machen, indem sie in Amerika investieren und Arbeitsplätze schaffen. Einerseits besänftigen sie damit die republikanische Handels-Wut, andererseits profitieren sie vom gegenüber Europa wirtschaftsfreundlicheren US-Standort, wo man Wachstum füttert und nicht verhungern lässt.

US-Aktien bleiben erste Wahl

Während Amerika aus jeder Krise gestärkt hervorgegangen ist, wurde die alte Welt immer mehr abgehängt. In Kaufkraftparität gemessen war zur Euro-Einführung die US-Wirtschaftsleistung noch ca. 10 Prozent stärker als die der Eurozone. Heute sind es 30 Prozent, Tendenz steigend.

Ebenso zeigt die gegenüber Europa brutal höhere Marktkapitalisierung an Wall Street, dass amerikanischen Unternehmen bessere Zukunftschancen attestiert werden. Ihre Bewertung ist sicherlich hoch. Zum einen aber haben Aktien mit mehr Wachstumspotenzial auch höhere Bewertungen verdient. Im Rheinland sagt man: Was nichts kostet, ist auch nix. Zum anderen betrifft die hohe Bewertung vor allem den Technologiebereich, während viele Sektoren der old economy günstig bewertet sind. Dazu gehören viele Aktien aus der zweiten Reihe, die sich im Aktienindex Russell 2000 finden.

Gerade diese würden von politisch schlagkräftigen Republikanern profitieren. Für Wirtschaftsliberalisierungen, Steuersenkungen und neue Schuldenaufnahmen zur Standortförderung sind die Republikaner wenig auf die Zustimmung der Demokraten angewiesen.

Chancen bestehen vor allem in den Sektoren Kommunikation, Versorger, Energie, Rohstoffe, Industrie, Finanzen, Verteidigung, Gesundheit und auch Kryptoanlagen. Viele von ihnen sind zudem kreditsensitiv und werden insofern von der freizügigeren Zinspolitik der Fed profitieren.

Tatsächlich zeigt der Russell 2000 erste Erholungszeichen gegenüber dem Nasdaq. Der US-Aktienmarkt gewinnt damit nachhaltig an Breite, was ihn insgesamt stabiler macht, auch wenn zwischenzeitlich von erhöhtem Wind, mehr Volatilität insbesondere vor der US-Präsidentenwahl auszugehen ist.

Den stürmischen Makrokosmos der Politik können wir nicht beeinflussen. Doch können wir für Ruhe im Mikrokosmos unserer Depots sorgen.