Die Bank of Japan (BoJ) ist ein ultimativer Liquiditätsspender für die Welt. Seit 30 Jahren betreibt sie eine ultralockere Geldpolitik und verweigert sich im Gegensatz zu anderen Notenbanken bislang jeder Wende. Was wäre aber, wenn die BoJ wegen nicht mehr zu beschönigendem Inflationsdruck die Zinszügel anzieht und damit der Yen als billigste Kreditwährung an Attraktivität verliert? Drohen dann globale Liquiditätsnöte mit allen schädlichen Folgen für Weltwirtschaft und Finanzmärkte?
Ende 1991 platzte Japans märchenhafte Immobilien- und Finanzblase, die in der Spitze das Gelände des japanischen Kaiserpalasts wertvoller machte als ganz Kalifornien. Vor die Wahl gestellt, entweder mit einer Rosskur die (Zombie-)Vermögenswerte zu bereinigen oder die Banken zu retten, entschied man sich für die zweite Variante, um bloß keine schwere Schuldenkrise oder Rezession zu riskieren.
So wurde die BoJ zum Rettungsengel auserkoren. Mit niedrigen und sogar negativen Zinssätzen sowie einer Liquiditätsausweitung, die die Sintflut als milden Sommerregen erscheinen lässt, wurden die Probleme unter den Teppich gekehrt.
Doch leider, wenn immer die (Geld-)Politik vermeintlich hilfreich eingreift, beginnt das Elend. Künstlich am Leben gehaltene Vermögenswerte nahmen zukunftsträchtigen das Licht, zumal wenig lukrative Zinsen keinen Anreiz boten, Kredite zu vergeben. Und wenn Papa Staat erst einmal erkennt, dass Staatsschulden über niedrigste Notenbankzinsen und üppigste Anleiheaufkäufe quasi „umsonst“ zu haben sind, wird seine Fresssucht zur krankhaften Völlerei.
Mittlerweile ist in Japan das Verhältnis von Schulden zur Wirtschaftsleistung fast doppelt so hoch wie in den USA, die nun wahrlich auch keine Stabilitätsengel sind. Aktuell besitzt die BoJ mehr als die Hälfte der japanischen Staatsschulden. De facto ist sie der Staatsfinanzierer Japans.
Auf der Suche nach dem verlorenen Zins-Schatz sind japanische Anleger zu festen Größen an den internationalen Anlagemärkten geworden.
Vor allem aber ist das Land der aufgehenden Sonne das Finanz-Eldorado für Auslandsinvestoren. Über sog. Yen-Carry-Trades werden Meere an Liquidität kreditzins- und währungsbillig aufgenommen und gehebelt in höher verzinsliche ausländische Anleihen und Aktien angelegt. Man könnte sie den „Golfstrom“ der Finanzwelt nennen.
Gefährlich würde es, wenn die japanische Inflation nicht mehr verniedlicht wird. Tatsächlich lassen sich hohe Rohstoffpreise nicht mehr leugnen, zumal der grundsätzlich starke Dollar im Einkauf für noch mehr Preiszunder sorgt.
Erschwerend kommt das schlechte demografische Profil hinzu. Ein Drittel der japanischen Bevölkerung ist älter als 65 Jahre, das mit Arbeit also keine Verbesserung seiner Finanzsituation mehr erreichen kann. Und da sich gleichzeitig Japaner ähnlich wie in Deutschland größtenteils auf festverzinsliche Papiere verlassen - die Zinsernte wird durch Preis-Heuschrecken vernichtet - bleibt insgesamt nur eins übrig: Altersarmut.
Die klassische geldpolitische Therapie wären klare Zinserhöhungen und Liquiditätsverknappungen. Damit würde aber zunächst die Schuldentragfähigkeit des apokalyptisch überschuldeten Japans torpediert.
Und wertete der Yen zinserhöhungsbedingt auf, würden japanische Großanleger ihre gewaltigen Auslandsinvestitionen nach Hause holen, um ihre Auslandswährungsgewinne zu sichern bzw. -verlusten zu entgehen. Allein diese wiederentdeckte „Heimatliebe“ wäre eine Zäsur für die weltweiten Anlagemärkte.
Doch ein Ende des Golfstroms würde die Situation noch gewaltig verschärfen. Internationale Investoren wären gezwungen, ihre plötzlich zu teuren Gegenfinanzierungen glattzustellen, indem sie die damit getätigten weltweiten Investitionen in Anleihen, Aktien und Immobilien abwerfen wie Säcke aus einem sinkenden Heißluftballon.
Solche Prozesse finden übrigens nicht geordnet statt. Schon ein verunglückter Haushaltsplan in Großbritannien zeigte finanzpsychologisch herzhafte Wirkung. Und wenn der Herdentrieb einmal läuft, bleibt in der Weltwirtschaft und an den Aktienmärkten kein Auge trocken.
Dieses theoretische Hollywood-Schreckensszenario, das immer wieder gerne kolportiert wird, ist in der Praxis aber nicht zu erwarten. Für Japan wäre es finanzpolitisches Harakiri. Und nach den Nahtod-Erfahrungen mit der letzten Schuldenkrise wird sicher auch kein internationaler (Geld-)Politiker Zugabe rufen.
Insgesamt wird die BoJ allenfalls eine sanfte Zins-Normalisierung im Schneckentempo durchführen, um den Yen nur behutsam steigen zu lassen. Für Stabilitätspolitik ist der Zug längst abgefahren.
Die Gefahr ist klein. Godzilla bleibt im Käfig.