Früher brauchte das handels- und haushaltsdefizitäre Amerika Auslandskapital wie Luft zum Atmen. Das hatte Vorteile für alle Beteiligten: US-Anleihen zahlten hohe Renditen, stärkten den Dollar und bescherten so den Gläubigern von US-Staatsanleihen auch noch Währungsgewinne. Und während Europa und Japan zu Traum-Wechselkursen ex-, konnten die USA zu Schnäppchenpreisen importieren und Wohlstandsmehrung betreiben. Sie lebten ganz einfach weiter über die Verhältnisse.
Mit zunehmender Verschuldung Amerikas stieß diese Wirtschaftspolitik aber allmählich an Grenzen. Grundsätzlich wollte Washington die Segnungen des Außenhandels nicht mehr nur klassischen Außenhandelsstaaten mit ihrer Industrie- und Autokultur überlassen. Denn nach Ende des Kalten Kriegs und Wegfall des Frontstaaten-Privilegs musste man Europa ja auch nicht mehr das Füßchen kraulen. Und während Uncle Sam damals allein nur mit Brause, Sportschuhen, Zahnpasta oder Windeln nicht wirklich die Bedingungen eines Exportlands erfüllte, hat sich das heutzutage mit Technologie und Social Media deutlich geändert.
Doch ist beim Export ein starker Dollar so hinderlich wie Blasen beim Joggen. Joe Biden spricht es zwar nicht wie sein Vorgänger aus, aber auch er denkt: „The strong Dollar is killing us“.
Bei der Dollar-Beschwichtigung hat die Fed die Rolle des Tierbändigers inne. Sie muss verhindern, dass zu hohe Zinsniveaus dem Greenback Flügel verleihen wie ein Energydrink.
Ohnehin, aufgrund der offensiven Liquiditätspolitik auch unter Jerome Powell sind die USA nicht mehr auf den Lockruf attraktiver Zinsen angewiesen, um Auslandsinvestoren in US-Bonds zu treiben. Nein, Amerika finanziert sich durch die eigene Zentralbank zu günstigsten Konditionen. Es braucht niemanden von außen, es hat sich selbst. Dieses Instrument macht übrigens aus einer theoretisch scharfen Waffe der Chinesen praktisch eine harmlose Wasserpistole. Selbst massive Verkäufe ihrer amerikanischen Staatsanleihen können die US-Zinsen nicht mehr - auch zum Schaden der US-Konjunktur - nach oben katapultieren. Treu sei die Fed, hilfreich und gut ist die charmante Beschreibung für eine Notenbank, die längst Mittel zum Zweck der Regierung geworden ist. Die Modern Monetary Theory lässt grüßen.
Die Fed war ja immer schon eine Art Förderbank für amerikanische Interessen. Und mittlerweile ist sie auch im Außenhandel übergriffig geworden. Offiziell will die Fed natürlich nicht als willfähriger Stiefelknecht in Erscheinung treten. In Sonntagsreden sprechen sich die Notenbanker stets für Stabilität aus. Doch sollte man nie einem Löwen trauen, der für friedliche Koexistenz mit Antilopen plädiert.
Bei ihrer währungsschwächenden Zins-Diät lässt sich die Fed auch von der aktuell in Amerika galoppierenden Preissteigerung nicht irritieren. Für sie ist Inflation wie ein Ball. Wirft man ihn in die Luft, fällt er anschließend wieder zu Boden.
Mit einer Strong Dollar-Politik sägte Amerika am geopolitischen Ast, auf dem es auch zukünftig noch sitzen will. Denn Dollar-Hausse bedeutet Währungs-Baisse in den Schwellenländern. Diese schnürte den Emerging Markets beim Schuldendienst den Hals zu, denn sie nehmen immer noch gerne Fremdmittel in US-Dollar auf. Nicht zuletzt fehlte ihnen dann die Kaufkraft für amerikanische Importe.
Vor allem stießen die USA mit Hartwährungspolitik die chinesischen Anrainerstaaten vor den Kopf. Das wäre ein Steilpass für China, die böse von Amerika geprellten Schwellenländer noch mehr unter seine „fürsorglichen“ Fittiche zu nehmen. Über süßsaure Machtpolitik - erst die heißen Schmuseeinheiten über Investitionen, dann die eiskalten wirtschaftlichen Abhängigkeiten - würde China seine Machtposition in der immer bedeutender werdenden Pazifikregion zulasten Washingtons ausbauen.
So wie die Fed beim „Kaputtrüsten“ der Sowjets tatkräftig mitgeholfen hat, wird sie auch ihre Pflicht tun, um China die Emerging Markets auszuspannen.
Neben Amerika ist aber ebenso China in den Währungsabwertungskrieg eingetreten. Da ist es sehr praktisch, wenn sich der Renminbi nicht wie Dollar, Yen oder Euro marktwirtschaftlich frei bewegt, sondern planwirtschaftlich an der kurzen Leine gehalten wird. Die KP in Peking weiß, dass FKK - Freikonvertierungskultur - die chinesische Währung nach oben aus- und die Exporte nach unten einbrechen ließe.
Währungs-Dumping wird seit vielen Jahren auch von Japans Notenbank praktiziert. Die Binnenkonjunktur ist wegen Überalterung und Überschuldung so schwach, dass man sich weiter möglichst üppig am wirtschaftlichen Jungbrunnen „Export“ laben will.
Nicht zuletzt fährt die EZB ohne Exportbremse. Mit ihrem zinsdrückenden Anleihekaufrausch der Marke „Bleibt uns bloß vom Hals“ schwächt sie die Attraktivität des Euro-Raums. Tatsächlich freut sie sich über die aktuelle Euro-Flaute wie Kinder über Schokolade.
Und unsere Politiker? Abseits öffentlich vorgetäuschter Trauer über schwache Anlagezinsen wissen sie: In der Wirtschafts-Not frisst der Teufel Export-Fliegen.
Wechselkurse werden immer X gegen Y gerechnet. D.h., wenn alle Notenbanken ihre Währungen schwächen, wird am Ende keine wirklich schwach sein können. Das Spiel um die schwächste Währung ist wie bei Tic-Tac-Toe (Drei gewinnt) also nicht zu gewinnen. Dass es alle dennoch unbeirrt weiter versuchen, erklärt die geringe Schwankungsbreite von Wechselkursen.