Es war einmal eine große, lange und innige Liebe zwischen den USA und Europa. Doch hat US-Präsident Trump bewiesen, dass auch alte Liebe rosten kann. Verschmäht und allein gelassen schaut sich die EU nach einer neuen Beziehung um und blickt dabei auf China. Peking scheint sich jedoch weniger für wa(h)re Liebe, sondern eher für eine platonische Beziehung mit Mitgift, ein Bratkartoffelverhältnis zu interessieren.
Die EU und China versuchen ja schon lange miteinander anzubändeln. Dazu diente kürzlich auch ein virtuelles Treffen, an dem der chinesische Staatspräsident, die EU-Kommissionschefin, der EU-Ratspräsident und - da Deutschland zurzeit die Ratspräsidentschaft innehat - die Bundeskanzlerin teilnahmen. Als Ergebnis hielt man diplomatisch freundlich fest: Wir sind in vielen Bereichen auf einem guten Weg. Würde man so etwas nach einem privaten Date sagen, wäre klar: Wir kommen nicht zusammen.
Grundsätzlich kann China sich mit einer Partnerschaft mit Europa Zeit lassen. Da Präsident Xi Jinping seit Aufhebung der Amtszeitbegrenzung auf Lebenszeit gewählt ist, kann er auf seine Chance für eine lohnenswerte Beziehung warten.
Nachdem Amerika Schluss gemacht hat, ist Europa durchaus anlehnungsbedürftig. Und das Corona-Virus hat noch einsamer und auch ärmer gemacht. Da kann - so die KP - die tröstende und gebende Hand Chinas doch nicht schaden. Geschenke in Form des Baus von Autobahnen, Bahnstrecken oder (Flug-)Häfen im Rahmen des Seidenstraßenprojekts erfreuen die europäische Seele.
Wer freute sich nicht, wenn einem so der Hof gemacht wird? Man ist dankbar und wird immer willfähriger. Im Zweifel für China. So werden Abhängigkeitsverhältnisse geschaffen, die Peking für eine gute eurasische Partie ausnutzen kann und schon ausnutzt. Denn während sich Chinas Unternehmen in der EU ziemlich frei bewegen können, steht zwischen denen der EU und dem Land der Mitte oft genug eine chinesische Mauer. Es gibt Markthürden wie die vorzügliche Behandlung eigener chinesischer Firmen bei Auftragsvergaben oder die langen Zertifizierungsverfahren für europäische Produkte. Der chinesische Finanzmarkt wurde erst dann für die ausländische Konkurrenz geöffnet, als der Kuchen schon an Inländer verteilt war.
Will ein ausländisches Unternehmen investieren, gibt es bislang Beteiligungsbeschränkungen, um bloß keine ausländische Mehrheit zuzulassen. Daneben zahlt man den chinesischen Markteintritt mit einem Technologietransfer, mit der Abgabe von eigenem Know-How. Umgekehrt hat Peking keine Hemmungen, mit großen staatlichen Beihilfen wie das heiße Messer durch die europäische Butter zu gehen.
Im Übrigen hat China auf seinem letzten Volkskongress in puncto Klimaschutz auf die Bremse getreten. Man ist sich bewusst, dass die von der EU angestrebten Klimaziele bis 2050 der chinesischen Produktion Kostenvorteile verschaffen. Als Entschuldigung verweist man dabei auf die USA, die aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen sind.
Dann gibt es da noch den zu kritisierenden Umgang Chinas mit Big Data.
Und wenn man in der EU oder Deutschland meint, den Umgang mit z.B. Hongkong oder Taiwan kritisch ansprechen zu müssen, gibt es keine Blumen oder Pralinen mehr, sondern Sanktionen.
Für Peking ist klar, wer die Hosen in einer Beziehung anhaben soll.
Natürlich ist der große chinesische Markt vor allem für deutsche Exporteure wichtig. Die ifo- Geschäftserwartungen zeigen eindeutige Parallelen zu chinesischen Frühindikatoren auf.
Dennoch dürfen EU und Deutschland nie ein Investitionsabkommen mit China um jeden Preis abschließen. Hat man sich einmal zu billig verkauft, hängt man wie ein Insekt am Fliegenfänger. Europa muss nicht um jeden Preis unter die Haube.
Und tatsächlich wächst in Europa zunehmend die Angst vor einer Abhängigkeit von China. Man tritt geschlossener und robuster auf. Man sieht in China nicht mehr nur den „liebevollen Partner“, sondern den "systemischen Rivalen".
Auch die Unternehmen verringern ihre Abhängigkeit von China. Das liegt aber zunächst an der Corona-Krise, die ihnen vor Augen geführt hat, dass globale Lieferketten verletzlich und daher zu diversifizieren sind. Aber auch der Zwist zwischen den USA und China, der Zollhürden und Sanktionen mit sich bringt, verringert die Bereitschaft, Vorprodukte allein aus China zu beziehen.
Grundsätzlich spricht nichts dagegen, dass sich beide Wirtschaftsräume eng miteinander verzahnen, allerdings nur mit gleichen Rechten und gleichen Pflichten. Marktwirtschaftliche und auf dem Völkerrecht basierende Prinzipien, faire Freihandelsregeln, ein zweifelsfreier Investitionsschutz und die Akzeptanz unabhängiger multilateraler Institutionen als Streitbeileger sind Bedingungen für eine Partnerschaft. Europa reicht China die Hand, nicht das Standbein. Eine Lex China darf es nicht geben.
Ohnehin hat Europa einiges zu bieten, theoretisch zumindest. Auch ohne die renitenten Briten sind 27 EU-Länder stark. Das gilt sowieso für die Kaufkraft des großen EU-Binnenmarkts. Aber man muss auch praktisch bereit sein, dieses Gewicht in die Welt-Waagschale zu werfen und den Wettbewerb mit China auf allen Ebenen aufzunehmen. Mit Kakophonie und Uneinigkeit betreibt Europa eigene Wehrkraftzersetzung und macht sich in einer wenig herzlichen Welt zum langfristig billigen Übernahmeobjekt, zum Heimchen am Herd.
Wenn der wirtschaftliche Riese EU ein politischer Zwerg bleibt, wird am Ende auch seine ökonomische Größe gestutzt.
Die EU muss sich endlich ihres Wertes bewusstwerden. Schon in der griechischen Mythologie hat sich Zeus unsterblich in Europa verliebt. Als Stier verwandelt, entführte er sie auf seinem Rücken. Dieses Mal sollte man es China aber nicht so einfach machen, sondern sich zieren, also den Preis für eine Verbindung hochtreiben. Und wer weiß, wer ab Januar im Weißen Haus sitzt? Vielleicht kann Europa mit Amerika über Bande spielen, eine mögliche Wiederannäherung als Druckmittel gegen China einsetzen und auch umgekehrt.
Wer aber von anderen geliebt werden will, muss zuerst lernen, sich selbst zu lieben. Doch leider sind hier bei Europa arge Zweifel angebracht.