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Halvers
Kolumne

 
18.06.2020

Was für eine Bühne für Untergangspropheten

Die Mühlen der Untergangspropheten leiden zurzeit sicher nicht unter Wassermangel. Weltweit finden beispiellose Schuldenaufnahmen statt, die nur durch hemmungslose Monetisierung zu stemmen sind. Ohne Frage, das ist Staatsfinanzierung, die stabilitätspolitische Todsünde schlechthin. Tatsächlich lassen die Notenbanken auch noch die letzten Stabilitätsgewänder fallen. De facto betreiben sie FKK. Dabei verhallen Bedenken des Bundesverfassungsgerichts gegenüber Anleihekäufen der EZB wie Appelle an den Fuchs, die Gans wieder herzugeben. So kann man viel Angst vor Inflation, Währungsreform und natürlich einem finalen Crash an den Finanzmärkten schüren, was sich mit Buchverkäufen, etc. auch gut monetisieren lässt.

Und wer weiß, was noch alles auf uns zukommt. Müssen bei einer zweiten Infektionswelle noch mehr Konjunkturprogramme auf Pump her? Ist also das Ende der Schuldenorgien noch gar nicht erreicht?

Ja, die Apokalyptiker haben einen richtigen Lauf.

Amen, ich sage Euch, der Untergang ist nah

Ok, spielen wir es doch einfach einmal durch. Was wäre, wenn unsere real existierende Finanzwelt zusammenbrechen würde? Demoralisierungen von weiten Teilen der Bevölkerung, denen die finanziellen und Beschäftigungsperspektiven abhandenkommen, könnten schnell zu freiheitlich-demokratischen Systemfragen führen. Jede Gesellschaft ist im übertragenen Sinne doch nur ein paar Mahlzeiten von der Anarchie entfernt. Entstehen dann rechtsfreie Räume, in denen das Recht der Stärkeren gilt? Oder wird eine Obrigkeit mit massiver Repression die öffentliche Ruhe aufrechterhalten? Mein Opa hat mir immer erzählt, dass die unmittelbare Zeit nach dem II. Weltkrieg unabhängig von Versorgungsengpässen alles andere als ein Spaß war.

Schließlich ist es für Europa und speziell Deutschland gut ausgegangen, weil Amerika den alten Kontinent - und seine damals geostrategisch wichtige Einflusszone - vor dem „bösen Iwan“ schützen wollte. Doch was wird in einer neuen Stunde null passieren? Amerika zeigt offenkundig wenig Interesse, Europa zusammenzuhalten. Transatlantik hat gegenüber Transpazifik enorm an Bedeutung verloren. Teilweise ist Trump zum Feind im eigenen westlichen Bett geworden. Und dann? Werden Jahrhunderte alte Konflikte wieder aufbrechen und Europa politisch in sich zusammenfallen? Wie kann der Single Deutschland sich dann geostrategisch noch behaupten?

Überhaupt sind wir nicht mehr der unbestrittene Industrieprotz, bei dem man wegen technologischer Überlegenheit einkaufen muss. Die Chinesen machen uns auf immer mehr Industriefeldern die Führungsposition - auch mit unfairen Mitteln - erfolgreich streitig, was Wohlfahrtsverluste bedeutet. Wie sollen wir uns denn als Solist gegen weitere Abhängigkeiten von einem Land wehren, dass 17 Mal so viele Menschen hat und 26 Mal größer ist?  

Das Argument der Europa-Kritiker, Israel schaffe es doch auch alleine, ist nicht überzeugend. Gerade weil das Land im Nahen Osten für Washington geostrategisch wichtig ist, genießt es den uneingeschränkten politischen, militärischen und wirtschaftlichen Welpenschutz der USA. Ohne diesen Beistand wäre Israel nicht überlebensfähig.

Untergangsszenarien müssen auch zu Ende gedacht werden

Vor diesem Hintergrund wird ein Zusammenbruch kein Kindergeburtstag und wir machen weiter wie bisher. Es spricht dann wenig für eine Happy Hour, eher für eine Zäsur, deutlich verschlechterte politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Und was passiert dann mit meinem Vermögen? Ist sein Bestand oder seine Verwertung dann noch gesichert? Oder wird es im Zuge einer erzwungenen staatlichen sozialen Gerechtigkeit dezimiert? Wer garantiert in einem möglichen Wild West-Szenario das Eigentum an Bitcoins, Gold oder Wäldern?

Zu diesen sich möglicherweise erheblich verschlechternden politischen Rahmenbedingungen hört man von den Schwarzsehern wenig bis nichts. Aber genau das sind doch die entscheidenden Fragen. Im Extremfall sind die ganzen „wertvollen“ Ratschläge und Vorbereitungen auf den seit über 10 Jahren prophezeiten ultimativen Crash und den vermeintlichen Schutz des Vermögens für die Katz.

Es ist verdammt leicht, zu kritisieren und wohlfeile (Vermögens-)Lösungen auf Basis von passend gemachten Milchmädchenrechnungen zu entwerfen. Die können nach einem Crash aber schneller Makulatur sein als man denkt. Wäre es daher für Schwarzmaler nicht viel konsequenter, mit ihrer Weisheit und ihrem Sendungsbewusstsein selbst in die Politik zu gehen, um es für uns alle besser zu machen statt mit der Angst der Menschen Geld zu verdienen?      

Vor der Alternative Zusammenbruch habe ich auf jeden Fall so viel Respekt, dass man alle Anstrengungen unternehmen muss, damit es erst gar nicht so weit kommt.   

Bitte mehr „Wumms“ für Deutschland

Das heißt aber überhaupt nicht, Politikern in Deutschland und Europa einen Freibrief zu erteilen. Sie sind dafür gewählt, gerade in Krisen mit kühlem Verstand und hoher Verantwortung zu handeln. Da ist noch viel Luft nach oben. China, Indien, Südkorea und Amerika machen zwar auch Schnappatmung verursachende Schulden. Diese Länder nutzen sie jedoch auch zur Modernisierung ihrer Industriestandorte, um nachhaltige Wirtschaftspotenziale zu heben. Sie sehen die Krise auch als Chance. Sie setzen auf „Wumms“.   

Deutschland macht 2020 neue Schulden von fast 220 Mrd. Euro. Da man diesen Gewaltakt nicht beliebig wiederholen kann, muss er wirtschaftspolitisch sitzen. Doch leider sind die deutschen Konjunkturpakete zu sehr auf die Wiedergewinnung des Status quo vor der Corona-Krise mit allen ihren Strukturdefiziten in puncto Bildung, Infrastruktur und Digitalisierung gerichtet.

So werden die Mehrwertsteuersenkung - sofern sie überhaupt weitergegeben wird - und der Kinderbonus als wahlpopulistische Maßnahmen verbrennen wie Strohfeuer. Der langfristig wärmende wirtschaftliche Effekt wird leider nicht erreicht. Das ist zu wenig „Wumms“.

Deutschland braucht z.B. permanente Steuersenkungen und die Komplettabschaffung des Solis. Daneben soll der Staat die old economy-Unternehmen nicht nur vor Übernahmen schützen, sondern attraktive Rahmenbedingungen für die der new economy und Start-ups schaffen. Neben einer umfassenden Entrümpelung der krankhaften Bürokratie muss über einen finanziell gut ausgestatteten Staatsfonds der Weg für die Zukunftsfelder Klimatechnik und Digitalisierung freigemacht werden. Die zukunftsträchtigen Firmen sollen hierbleiben und hier Arbeitsplätze sichern. Dagegen sorgt neosozialistische Verbalerotik nicht für volkswirtschaftlichen Lustgewinn.  

Die Aufgabe des Leistungsprinzips in Europa führt zu „Bumms“

Mittlerweile muss Berlin in der EU schon Geld verschenken, damit die Familienstimmung bei Tante Isabella, Onkel Luigi oder Cousin Pierre nicht kippt. Diesen „Sachzwang“ redet sich der europäische Stammesvater Deutschland damit schön, dass es der Verwandtschaft Kaufkraft für seine Exporte gibt. Klingt kurzfristig nach einem guten Deal. Doch wenn der freie Mittagstisch zur europäischen Dauereinrichtung wird, gibt es wenig Anreize für Italien, Spanien, Frankreich oder Griechenland mit Deregulierungen auf dem Arbeitsmarkt und in der Verwaltung oder mit Wandel der Wirtschaftsstrukturen selbst das Wachstum anzukurbeln. Voller Bauch studiert eben nicht gern. Damit wird der Süden wirtschaftlich und sozial langsam aber sicher nach unten durchgereicht, was die antieuropäischen Zentrifugalkräfte langfristig wieder beschleunigen wird.  

Ohne „Wumms“ droht Europa „Bumms“. Dann geht es uns allen schlechter als jetzt. Und dann wird man feststellen, dass man Untergangsliteratur nicht essen kann.