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Halvers
Kolumne

 
04.03.2020

Gegen das Virus halten Fiskal- und Geldpolitik zusammen wie Winnetou und Old Shatterhand

Im Garten der Finanz- und Geldpolitik ist zwar kein Kraut gegen das Corona-Virus selbst gewachsen. Doch immerhin, um sich den konjunkturellen Folgeschäden entgegenzustellen, werden beide konsequent zusammenarbeiten. Angesichts der bereits vorhandenen Wirtschaftshemmnisse wie geopolitischen Reibereien, Handelsstreitigkeiten, atmosphärischen Störungen im transatlantischen Bündnis und in der EU sowie harten Strukturbrüchen in der (Auto-)Industrie käme ein viraler Abschwung so ungelegen wie Nasenbluten während einer Live-Nachrichtensendung.

„Die Menschheit ist nur drei volle Mahlzeiten von der Anarchie entfernt“

Zunächst ist es für alle Staaten wichtig, eine ordentliche Versorgung der Bürger mit Lebens- und Arzneimitteln sicherzustellen. Angst vor Mangel kann zu Preisexplosionen und mit Hilfe von Social Media zu Panik führen. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass sich nach dieser Viruskrise die kostenoptimierte Globalisierung zumindest bei der Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse zurückdrehen wird. Bei z.B. Medikamenten will man sich nicht mehr so abhängig von China machen.  

Fiskalpolitik kleckert nicht nur, sie klotzt

Unabhängig finden weltweit Aktionen zur Konjunkturstimulierung statt, die sich gewaschen haben. In China jagt ein Sonderkonjunkturprogramm das nächste. Japan ist auch sehr emsig. Und in Amerika wird die Verschuldung noch mehr dem olympischen Motto frönen. Ohnehin will da einer wiedergewählt werden.

In Europa werden die Stabilitätsregeln noch weniger Beachtung finden als bislang schon. Neben Italien dürfen auch andere EU-Staaten viel Schuldengeld ausgeben, um soziale Probleme, die im Extremfall auch die Eurozone in ihrer Existenz bedrohen, zu verhindern. In der Not frisst der Teufel Fliegen. Man kann es auch Realpolitik nennen.

In Deutschland wird man bei Produktionseinschränkungen großzügig Kurzarbeitergeld gewähren. Auch Steuersenkungen und sogar - dem Beispiel Hongkongs folgend - staatliche Konsumgutscheine sind möglich, die z.B. binnen Monatsfrist ausgegeben werden müssen, damit sie tatsächlich der Konjunktur zugutekommen. Einkommen und damit Konsum - auch über Steuersenkungen - sollen bloß aufrechterhalten werden, damit ein verheerender wirtschaftlicher Dominoeffekt vermieden wird. Jede Überreaktion durch Konsumunterfunktion soll vermieden werden. In diesem Zusammenhang kann auch die Schuldenbremse fallen.

Wirtschaftspolitisches Glück im viralen Unglück?

Es wäre sehr erfreulich, wenn Berlin die Corona-Epidemie und die daraus resultierenden Konjunkturverwerfungen als Weckruf betrachtet, die deutsche Wirtschaftskraft und damit unseren Wohlstand auf breitere Füße zu stellen. Anstatt die nachgebende Standortattraktivität aus der Diaspora zu holen, haben die Parteien mit Blick auf den Wählerverdruss noch die ganz großen Spendierhosen mit immer neuen staatlichen Leistungsversprechen an. Aber wie will man diese Sozialromantik zukünftig noch bezahlen, wenn Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit durch ideologisch geführte Debatten blockiert werden? Gefälligkeitsökonomie durch Verständigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und politische Überkorrektheit und Moral, die bloß keinem weh tun will, schafft in unserer konkurrenzfähigen Welt keine Arbeitsplätze. Und kein Unternehmen - auch kein deutsches - ist auf Deutschland angewiesen. 

Es ist zu hoffen, dass Wirtschaftskompetenz in der Politik eine Renaissance erfährt und der Umbau von Old in New German Economy angegangen wird. Ich bin mir sicher, die Wähler würden es honorieren.

Die Zinswende ist endgültig tot

Die fiskalpolitischen Maßnahmen finden auf Seite der Notenbanken ihr passendes Gegenstück. Sie finanzieren die Konjunkturprogramme. Grundsätzlich haben China und die USA auch noch Zinssenkungspotenzial und nutzen es - siehe kürzlich die Leitzinssenkung der Fed - auch konsequent. Damit wirkt die US-Notenbank auch einem zu starken US-Dollar entgegen, der umgekehrt zu Währungsschwächen in den für die Weltwirtschaft immer bedeutender werdenden Schwellenländern und insofern dort zu einer investitionsfeindlichen Kapitalflucht nach Amerika führt.

Das Zinspulver der EZB ist zwar verschossen. Doch wird sie sich jeder auch noch so kleinen Finanzkrise entgegenstellen, die man als Zusatzbelastung jetzt überhaupt nicht gebrauchen kann. Sollten also Staatspapiere von Schuldnerländern und Unternehmensanleihen aus Bonitätsgründen bzw. Banken wegen höherer Kreditausfallrisiken in die Bredouille kommen, wird die EZB massiv eingreifen. 

Nicht zuletzt wissen die Notenbanken, dass jede Störung an den Finanzmärkten die viral bereits gehandicapte Wirtschaftsstimmung noch mehr torpedieren würde. Hier scheut ein gebranntes Kind das Feuer. Man erinnert sich gut an die Büchse der Pandora, die mit der Immobilienkrise geöffnet wurde. Damals wurde aus der „Mücke“ der Pleite der kleinen Lehman-Bank über den Zusammenbruch der Aktienmärkte ein „Elefant“, der allen Wirtschaftsteilnehmern die Krise förmlich einhämmerte und die daraufhin ihre Portemonnaies zunagelten. Die Damen und Herren Notenbanker wären mit der Muffe gepufft, wenn sie mit einem Aktien-Crash erneut das Tor zum Wirtschaftsuntergang aufstießen.

In jedem Notenbanker steckt doch auch immer ein kleiner Dr. Sigmund Freud

Und so verwundert es nicht, dass die chinesische Notenbank den Shanghaier Aktienmarkt massiv stützt. Durch Planwirtschaft - damit kennt man sich in Peking aus - soll der Aktienmarkt als Angstbarometer Ruhe ausstrahlen. Zwar wird die EZB keine Aktien direkt aufkaufen. Eine weitere geldpolitische Revolution wäre im Moment nicht zu verkraften. Aber mit noch mehr zu erwartender Liquidität schafft sie sozusagen auch noch mehr Wasser, das sich angesichts immer erbärmlicherer Zinsalternativen bei gleichzeitiger Dividendenphantasie seinen Weg in den Aktienmarkt bahnt und so das Kopfkino der Anleger entspannt.

Auch in dunkelster Aktien-Nacht gibt es jemand, der das Licht anmacht

Die vergleichsweise stabilen Aktienmärkte zeugen tatsächlich vom festen Börsenglauben, dass die Notenbanken wahre Aktienfreunde sind. So lässt sich, obwohl der Gipfel der viralen Gruselnachrichten noch nicht erreicht ist, ein massiver Aktien-Crash „with a little help from my (monetary) friend“ (frei nach den Beatles) verhindern. Die Aktienstimmung kann sich insofern von den wirtschaftlich schlechten Fundamentaldaten durchaus abkoppeln.

Allerdings wird zunächst ein erhöhtes Maß an Kursschwankungen zum Aktienleben gehören, bis bessere Nachrichten von der Virusfront kommen. Immerhin besitzen die Aktienmärkte aber die Fähigkeit in die Zukunft zu schauen. Selbst in dunkelster Nacht sehen sie den nächsten Morgen frühzeitig kommen. Die zuletzt extreme Schwankungsbreite wird sich auch wieder beruhigen.