Früher konsumierten die Amerikaner hemmungslos das, was die Welt produzierte. Und da beim Import der Gewinn auch im Einkauf liegt, war ein starker US-Dollar beliebt wie Speiseeis im Sommer. Mit Blick auf Überschuldung und Handelsbilanzdefizit stieß das süße Import-Leben der USA aber irgendwann an seine volkswirtschaftlichen Grenzen. Ein Plan B musste her: Statt die weltweiten Regale leerzukaufen, will Amerika sie als auferstandene Exportnation selbst befüllen. Und zum besseren Verkauf brauchen die USA jetzt einen schwachen Dollar.
Mit der Abkehr von seiner jahrzehntelangen Strong Dollar-Politik hat Washington dem Währungsabwertungswettlauf einen entscheidenden Schub verpasst. Der US-Notenbank kommt dabei eine zentrale Rolle zu: Dem Kampf gegen Inflation wird deutlich weniger Bedeutung beigemessen als dem amerikanischen Außenhandel das Füßchen zu kraulen. Tatsächlich ist die aktuelle US-Zins- und Liquiditätspolitik angesichts des starken US-Wirtschaftswachstums zu großzügig. Doch zum Wohle des Vaterlands wurde die Fed schon immer gerne als Zugpferd benutzt.
Es verwundert nicht, dass Trump sein Amerika trotzdem als Opfer und nicht als Täter der Währungsmanipulation betrachtet. In der Aufwertung des US-Dollars gegenüber chinesischem Yuan um sieben und zum Euro um sechs Prozent innerhalb von sechs Monaten sieht er vielmehr den klaren Beweis, dass China, Europa und Japan ihre Währungen zur Exportförderung schändlich drücken und so die USA handelspolitisch unfair behandeln. Doch das ist nur ein sehr billiges politisches Ablenkungsmanöver. Trump weiß, dass er Ländern Handelssanktionen ohne Zustimmung des Kongresses auferlegen kann, wenn sie ihre Währungen manipulieren. Trump will seinen handelssanktionierenden Argumenten einfach auf die Sprünge helfen.
Doch tritt man den Chinesen nicht zu nahe, wenn man auch ihnen eine Verbilligungsabsicht ihrer Exporte unterstellt. Der Außenhandel bleibt eine wichtige Refinanzierungsquelle für die Binnenkonjunktur, die Reibungsverluste zeigt. So will China ebenso die amerikanischen Strafzölle auf seine Exportgüter ein Stück weit auffangen. Dabei ist es nützlich, dass Chinas Währung nicht frei konvertibel ist. Wirklich freie Devisenmärkte, die zu unkontrollierten Aufwertungen des Yuan führen, verursachen bei Chinas KP Schnappatmung.
Auch Europa spielt nicht Sankt Martin und teilt seinen Export-Rock. Wenn Amerika seinen Dollar schwächt, will Europa seinen Euro auch nicht zum Herkules machen. Und so denkt die EZB noch nicht einmal über leichte Entblähungen ihrer bis zum Bersten mit Anleihen gefüllten Notenbankbilanz nach. Selbst wenn sie ihre Anleiheneukäufe gänzlich einstellt, bleibt die Liquiditätsausstattung der Eurozone wegen der Wiederanlage fällig werdender Papiere im Besitz der EZB dennoch auf Rekordniveau. Leitzinserhöhungen sind ohnehin erst im Herbst 2019 ein Thema. Und dann werden sie so langsam passieren, dass eine Schnecke dagegen ein Überschalljet ist.
Immer noch schwache Inflationsaussichten und diverse Euro-, Polit-, Finanz- und Schuldenkrisen sind für die EZB wie eine gut gefüllte Pralinenpackung, aus der man sich je nach Geschmack die passenden Argumente auswählen kann. Ähnlich wie ein Anti-Mücken-Spray soll ein schwaches europäisches Zinsumfeld unliebsame Euro-aufwertende Zuflüsse in den Euroraum verhindern.
Schließlich sind auch die Japaner keine währungspolitischen Heiligen. Da die Binnenkonjunktur wegen Überalterung und Überschuldung seit unzähligen Jahren erbärmlich schwach ist, will man sich den wirtschaftlichen Jungbrunnen Export nicht zuschütten lassen. De facto betreibt Japans Nullzins-Notenbank eine hemmungslose Abwertungspolitik. Und da die Inflationsdaten so schamlos nach unten geschönt sind, ist mit restriktiver und daher währungsstärkender Zinspolitik erst dann zu rechnen, wenn Japan „reisfrei“ ist.
Es wird jedoch kein Stein den Boden verlassen. Auch wenn sie es niemals zugeben würden, entpuppen sich Geldpolitiker aller Länder als Währungsdrücker. Der globale Währungsabwertungswettlauf ist keine Verschwörungstheorie, sondern eine Tatsache. Der Export-Darwinismus ist überall zu Hause.
Die Politik übt hierbei viel Druck aus, so dass die stabilitätspolitische Unabhängigkeit von Notenbanken nicht mehr uneingeschränkt als heilige Kuh gilt. Welcher Politiker in Europa z.B. stört sich denn noch ernsthaft daran, dass der Euro entgegen aller anfänglichen Versprechungen doch nicht so stabil wie die D-Mark ist. Für Außenhandel und Wirtschaftswachstum holt man doch gerne das große Schlachtermesser heraus.
Allerdings, wenn alle ihre Währungen schwächen, wird am Ende keine Währung wirklich schwach sein können. Wechselkurse werden ja immer X gegen Y gerechnet. Dennoch versuchen es alle unbeirrt weiter.
Resultat ist ein anhaltendes Ersaufen der Finanzmärkte in zinsgünstiger Liquidität. Zinspapiere bleiben nachhaltig - vor allem nach Inflation - so attraktiv wie Karies und Parodontose.
Dagegen hält die globale Währungsmanipulation die Liquiditätshausse am Aktienmarkt lebendig. Auch das ist Realität, keine Fake News.