Der Hit „Big in Japan“ der Band „Alphaville“ aus den 80er-Jahren passte damals auf Japan wie die Faust aufs Auge. Japanische Aktien waren so big wie Sumo-Ringer und noch bigger als US-Titel, obwohl diese unter der Schirmherrschaft von Economic Wonderboy Ronald Reagan standen.
Als 1990 jedoch die völlig überhitzten Spekulationsblasen bei Aktien und Immobilien wie Luftblasen platzten, fiel das Land und sein Aktienmarkt in eine jahrzehntelange deflationäre Depression. Immerhin, die weltweite Liquiditätshausse trieb auch den japanischen Leitindex Nikkei 225 in den letzten Jahren dramatisch an.
Doch während viele Aktienindices der Industrieländer längst schon neue Rekordstände erreicht haben, ist der Nikkei von seinem Allzeithoch bei 38.915,87 Punkten aus dem Jahr 1989 (!) noch ungefähr 40 Prozent entfernt. Das ist sicherlich kein ausreichendes Argument, um in Japan zu investieren, zumal dem Nikkei in der Vergangenheit schon zu oft Kurshoffnungen angeheftet wurden, die sich im Nachhinein als Märchen ohne Happy End entpuppten. Was könnte den Knoten pro japanische Aktien so richtig platzen lassen?
Kaum ein Land ist so abhängig von seiner Notenbank wie Japan. Deutlich wird dies in puncto Anleihekäufe. Mittlerweile hat die Bank of Japan den bisherigen Chef-Aufkäufer Fed eingeholt.
Die Bank of Japan weiß: Je mehr Anleihen sie kauft, umso mehr sinken japanische Renditen, desto weniger ist Japan als Anlageland interessant und umso schwächer ist der Yen. Denn im Währungsabwertungswettlauf um den besten Zugang zu den Fleischtöpfen der Exportmärkte schaut die japanische Notenbank keinesfalls zu, wie die Exportkonkurrenz aus Europa, USA oder auch vor der eigenen Haustür Währungs-Dumping betreibt. Eindeutig, seit Beginn der Liquiditätsoffensive der japanischen Notenbank im Jahr 2012 ist der Yen die schwächste aller großen Exportwährungen.
Und der währungsseitige Exporterfolg blieb tatsächlich auch nicht aus.
Und freut sich der Export, dann freut sich auch der exportlastige japanische Aktienmarkt.
Diese notenbankseitige Mobilmachung wird nicht frühzeitig enden. Erst wenn die Inflation in Japan zwei Prozent beträgt, soll die Liquiditätsoffensive enden. Mit Blick auf die müden Inflationsprognosen ist dieses Ziel für Japan aber so schwer zu erreichen wie der Fußballweltmeister-Titel. Und selbst dann würde man nicht gleich reagieren, sondern zunächst einmal laufen lassen. Denn Japan hat die Schrecken der Deflation viele Jahre erlebt und will keine Zugabe. Damit gibt es übrigens ebenso keinen Grund, den Notenbankzins von derzeit minus 0,1 Prozent anzuheben.
Vor diesem Hintergrund erhalten die auf Pump finanzierten staatlichen Konjunkturprogramme weiter volle Rückendeckung. Unter den großen Industrieländern hat Japan zwar mit dem Zweieinhalbfachen seiner Wirtschaftsleistung die höchste Verschuldung. Im Vergleich dazu ist Italien der Stabilitäts-Fels von Gibraltar. Unter normalen Bonitätsbedingungen würde man dem japanischen Finanzminister keinen Yen anvertrauen. Dann allerdings wäre Japan pleite.
Doch die Bank of Japan sorgt für überwältigende Ersatznachfrage. Seit 2013 kann Japan gar nicht so viele Schulden machen wie sie die Notenbank aufkauft. Nippons Staatspapiere gehen weg wie warme Semmeln oder passender ausgedrückt wie Sushi am Circle.
De facto hat die japanische Notenbank mittlerweile die Finanzierung der öffentlichen Haushalte übernommen. Immerhin kommt so die japanische Wirtschaft in den Genuss von Infrastrukturprojekten, die zu privatwirtschaftlichen Folgeinvestitionen führen und so auch den Aktienmarkt stützen.
Der unstillbare geldpolitische Hunger nach Staatspapieren hat für das völlig überschuldete Japan noch einen weiteren Vorteil. So liegen die Renditen für japanische Staatsanleihen nach wenn auch nur schwacher Inflation unter null und der japanische Staatshaushalt entschuldet sich real.
Damit haben japanische Aktien keine natürlichen Feinde im Sinne einer akzeptablen Renditekonkurrenz von Anleihen.
Selbst japanische Aktien sind vor Käufen der Notenbank nicht mehr „sicher“. Da es zunehmend schwieriger wird, genügend aufkaufbare Anleihen zu finden, kommt die Bank of Japan zur Sicherstellung ihrer Liquiditätsausstattung an Aktien nicht mehr vorbei. Über börsengehandelte Indexfonds ist sie mit umgerechnet geschätzt knapp 150 Milliarden Euro nach dem staatlichen Pensionsfonds und der Investmentgesellschaft Blackrock der drittgrößte Aktienanleger des Landes. Bei den börsengehandelten 3.675 Unternehmen gehört die Notenbank bei gut 800 zu den zehn größten Aktionären und bei 14 Unternehmen hält sie sogar mehr als 10 Prozent des Eigenkapitals.
Schon aufgrund dieser Aktivitäten der Geldpolitik sind japanische Aktien abgesichert. Um keine Aktienkrise mit realwirtschaftlichen Kollateralschäden zu riskieren, kann sie diese nicht wieder einfach verkaufen. Wer reingeht, kann schon aus psychologischen Gründen nicht mehr raus.
Sind japanische Aktien also reif für eine wirklich nachhaltige Hausse? Bieten sie sogar eine einmalige Chance? Immerhin läuft der Nikkei zurzeit im Trend besser als Amerikas und Europas Leitindices. Und mit dem aktuell neuen Zwischenhoch von knapp 22.000 Punkten und damit dem höchsten Stand in diesem Jahrtausend scheint der Durchbruch nach oben frei zu sein.
Die Liquiditätshausse ist in jedem Fall intakt. Die Bank of Japan ist die Mutter aller Schlachten pro Aktien. Zumindest als Depotbeimischung sind japanische (Industrie- und Export-)Aktien gut geeignet.
Einen Wermutstropfen gibt es jedoch: Die Yen-Abwertung gegenüber Euro knappst Euro-Anlegern Performance ab. Doch selbst damit geht für Europäer die Aktien-Sonne in Japan wieder auf.