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Kolumne

 
14.06.2017

Macron mit absolutistischer Machtfülle - Kommen jetzt die großen Wirtschaftsreformen und die französische Aktienhausse?

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Mit einer erdrückenden Parlamentsmehrheit könnte der neue französische Staatspräsident Emmanuel Macron mühelos durchregieren. Er könnte die französische Industriewüste wieder fruchtbar machen. Die Agenda-Reformen in Deutschland wären hierfür eine gute Blaupause. Und dann stünde der seit 2010 weit hinter dem DAX herhinkende französische Aktienindex CAC 40 vor einer gewaltigen Aufholjagd.

Nutzt Macron also seine fast an König Ludwig XIV. erinnernde Machtposition für eine Revolution der bisherigen festgerosteten französischen Wirtschaftspolitik? Wird er die an ihn gerichteten, exorbitant hohen Reformerwartungen erfüllen?

Mit ein bisschen Reform-Kosmetik ist Frankreich nicht geholfen

Macron müsste seinen Franzosen die Dringlichkeit der Modernisierung des Industriestandorts vermitteln, um in einer wettbewerbsstarken Weltwirtschaft den Massenexodus von Unternehmen aus Frankreich und damit die Deflation an Arbeitsplätzen umzukehren. Aufgrund der langjährigen Problemverdrängung darf Macrons große nationale Reformoffensive nicht nur ein bisschen Reform-Make Up sein. Es geht um nichts weniger als Operationen am offenen Herzen und Gehirn. Allerdings lieben die Franzosen ihre Errungenschaften wie die 35-Stundenwoche oder den Rentenbeginn mit 62. Sie scheinen fast den Status von Menschenrechten zu haben. Und wenn schon die deutschen Hartz IV-Reformen zu massiven sozialen Auseinandersetzungen geführt haben, droht in Frankreich bei schmerzhafter Abschaffung der Sozialromantik mindestens der Sturm auf die Bastille. Auch in der historisch schwächsten Wahlbeteiligung bei einer französischen Parlamentswahl kommt die stillschweigende Ablehnung einer drohenden „neoliberalen“ Reformpolitik Macrons zum Ausdruck.

Die Franzosen haben schon oft ihre großen Wahlhelden fallen lassen, wenn die eigene, wirtschaftliche Komfortzone bedroht war. Deswegen haben anfänglich veränderungsbereite Präsidenten letztlich doch immer wieder den Reform-Rückzug angetreten. Ihnen fehlte einfach der politische Mut. Auch die deutsche Agenda 2010-Politik kostete den Kanzler, der sie betrieb, schließlich das politische Leben. Das europäische Polit-Motto „Wer reformiert, wird abgewählt“ wird auch ein Politiker Macron nicht ignorieren.

Bitte keine europäische Schulden- statt französischer Reformpolitik

Dennoch, zum eigenen politischen Überleben und zur Verhinderung radikaler Politiker oder Politikerinnen bei der nächsten Wahl muss Macron seinen Landsleuten Perspektiven bieten. Da diese mit nationalen Reformen schwierig umzusetzen sind, ist er sehr an einer europäischen Lösung für seine französischen Wirtschafts- und Finanznöte interessiert.

Hier hofft er auf deutsche Unterstützung. Tatsächlich stimmt mit ihm wieder die Chemie zwischen Frankreich und Deutschland, die unter Hollande zu einer ätzenden Verbindung degenerierte. Und es ist ohne Zweifel geboten, wirtschaftspolitisch immer europäischer zu denken und die nationale Kleinstaaterei aufzugeben. Hier muss der deutsch-französische Motor wieder Zugkraft entwickeln. Klingt gut, doch der Teufel steckt im Detail. Welchem Ansatz folgt denn diese europäische Vertiefung in Wirtschaftsfragen? Geht es noch um den ursprünglichen Stabilitätsgedanken und das Leistungsprinzip, um Wettbewerbsfähigkeit? Oder soll z.B. ein gemeinsames Budget der Eurozone die Reformschwäche Frankreichs lediglich auf einer höheren Ebene mit europäischen Schuldenprogrammen kompensieren?

Die Gefahr ist groß, dass unter dem Deckmantel „Europa-Pathos“ das Volumen gemeinschaftlicher Schuldenaufnahmen nur noch schwer zu begrenzen wäre. Denn das, was man Frankreich gewährt, muss man auch Italien gewähren, einem Land, das man wirtschaftlich leider den todkranken Mann Europas nennen muss. Im Übrigen, Euro-Anleihen wären aufgrund der deutschen Bürgschaft günstiger als jede Staatsanleihe aus Südeuropa. Wie will man der Versuchung einer europäischen Schuldenversicherung, die für nationale Wirtschafts- und Finanzschäden aufkommt, widerstehen? Mit welchem Erfolg können sich die Deutschen als so ziemlich einzige Fahnenträger der Stabilität dann diesem Instabilitätstrend noch entgegenstellen?

 

 

Gerade in der deutsch-französischen Freundschaft sollte man sich die Wahrheit sagen

Frankreich kann seine ernsten Wirtschaftsprobleme nie mit europäischem Finanz-Sozialismus, sondern nur mit disziplinierten, eigenen Standortmodernisierungen lösen. Das nationale Leistungsprinzip ist alternativlos. Wenn die Rest-Welt auf knüppelharte Konkurrenzfähigkeit setzt, können sich die Euro-Staaten nicht mit gemeinschaftlichen Schulden über die Zeit und die nächste Wahl retten. Wo sollen denn ansonsten die Arbeitsplätze herkommen? Und wie will man denn mit Blick auf die dramatischen Herausforderungen der Digitalisierung, die keine Region so sehr bedroht wie Europa, erfolgreich annehmen. Im Extremfall würde der Wirtschaftsstandort Europa insgesamt zu einem Industrietal der Tränen. Wie in der Schule muss jedes Land seine eigenen Hausaufgaben machen, eigene Leistung zeigen. Der europäische Förderverein sollte nicht für künstlich gute Noten sorgen, die in letzter Konsequenz nur zu einem Pudding-Abitur führen, das in der emotionslosen globalen Industriewelt keine Substanz bietet.

Und es ist keine deutsche Besserwisserei, wenn man Frankreich das Stabilitätsgebot vor Augen führt. Das ist nicht Europa-feindlich, sondern Europa-freundlich, ja sogar Europa-erhaltend. Aus falsch verstandener Harmonie harte Realitäten nicht anzuerkennen, ist schlichtweg dümmlich.

Monsieur le Président Emmanuel Macron, sie werden gern mit John F. Kennedy verglichen. Dann sollten Sie aber auch eines seiner Leitmotive beherzigen. Bezogen auf Ihre Person lautet es: Fragen Sie nicht, was Europa für Frankreich tun kann, sondern was Sie für Frankreich tun können. Europa-Pathos und nationale Aufgabenerfüllung gehören zusammen. Dann klappt es auch mit der französischen Aktienhausse.