Auf ihrer Juni-Sitzung lässt die Fed ihren Leitzins zwar noch unverändert. Doch hat sie der eskalierende Handelskonflikt zwischen Amerika und China bereits veranlasst, ihre Inflationsprognosen zu senken. Damit ist die erste amerikanische Zinssenkung nur noch eine Frage der Zeit. Taubenhaft zeigt sich ebenso die EZB auf ihrem Notenbank-Forum im portugiesischen Sintra. Die Wiederaufnahme des globalen Lockerungszyklus steht bevor.
Die Fed erklärt ihren Zinserhöhungszyklus für beendet. In ihren Zinsprojektionen - „dot plot“ genannt - sind für 2019 freilich noch keine Zinssenkungen vorgesehen. Und für 2020 kassiert die Fed zwar ihre bislang geplante Zinssteigerung ein und prognostiziert nun sogar eine Zinssenkung. Doch soll diese im Jahr 2021 wieder rückgängig gemacht werden, so dass der US-Notenbankzins unter dem Strich unverändert bleibt. Dass man noch nicht offiziell von einem Zinssenkungszyklus spricht, ist der Versuch, die eigene Unabhängigkeit zu verteidigen. Man will sich nicht zum Erfüllungsgehilfen von US-Präsident Trump machen, der regelmäßig und massiv Zinssenkungen fordert.
Allerdings ist der Fed-Rat gespalten. Neun Mitgliedern, die unveränderte Zinsen oder sogar eine Erhöhung erwarten, stehen acht Mitglieder gegenüber, die eine bzw. in einem Fall sogar zwei Senkungen befürworten.
Nachdrücklich betont die Fed, dass ihr Fokus eindeutig „auf einer angemessen Reaktion liegt, um den US-Aufschwung aufrechtzuerhalten“. Damit spielt sie den Konjunkturdaten und nicht dem Weißen Haus die alleinige Verantwortung für ihre zukünftige Zinspolitik zu. Und hier öffnet sie bereits die Tür für Zinssenkungen mit einer geänderten Wortwahl. Laut ihrem Monetary Policy Statement gibt sie ihre bisher „geduldige“ Haltung auf und will die Auswirkungen der Handelskonflikte „eng überwachen“.
Die Fed hat offensichtlich die Erkenntnis gewonnen, dass sie Rezessionsrisiken über neun Zinserhöhungen zu stark Vorschub geleistet hat. Eine sich seit 2014 abflachende und mittlerweile inverse US-Zinsstrukturkurve nimmt sie sehr ernst. Historisch signalisierte eine inverse Zinskurve einen nahenden Wirtschaftsabschwung. Denn aufgrund schwacher Zinsmargen zeigen sich die Banken bei ihrer Kreditvergabe zurückhaltend. Die Rezessionswahrscheinlichkeit für die nächsten 12 Monate ist laut New York Fed mit rund 30 Prozent tatsächlich auf ein bedenkliches Niveau angestiegen.
Zwar kommen die sich mehrenden Anzeichen für eine Konjunkturabkühlung noch nicht in den sogar minimal angehobenen Wachstumsprojektionen der Fed zum Ausdruck: 2019 unverändert 2,1 Prozent, 2,0 statt 1,9 Prozent in 2020 und unverändert 1,8 Prozent in 2021. Gleichzeitig spricht die Fed aber auch von „gestiegenen Unsicherheiten für ihren Ausblick“, ein klares Signal, dass ihre Zinspolitik grundsätzlich taubenhafter wird. Denn der nachlassende Rückenwind der US-Steuersenkungen trifft auf wachsenden handelspolitischen Gegenwind. In diesem Zusammenhang ist es für die Fed wichtig, ob es am 28. und 29. Juni auf dem G20-Gipfel im japanischen Osaka bei einem Treffen zwischen dem US- und chinesischen Staatspräsidenten zur Abrüstung im Zollstreit kommt. Unabhängig davon hat sich die Stimmung in der US-Industrie deutlich eingetrübt.
Die vorsichtigere Investitionsbereitschaft zeigt sich mittlerweile auch in einem schwächelnden US-Arbeitsmarkt. Angesichts der flauen Neuauftragslage zeigt sich der bislang robuste Beschäftigungsaufbau - gemessen am Sechsmonatsdurchschnitt - in Industrie und Dienstleistungsgewerbe klar rückläufig.
Dass aus der Fed als bisherigem Falkenhorst wieder ein Taubenschlag wird, kommt in den Inflationsprognosen der US-Notenbank zum Ausdruck: 1,5 statt 1,8 Prozent für 2019, 1,9 statt 2,0 Prozent für 2020 sowie 2021 unverändert 2,0 Prozent. Das US-Lohnwachstum als grundsätzlich gefürchteter Inflationstreiber hat schon zu Jahresbeginn seinen Zenit überschritten. Die Fed ist irritiert, dass sich die klassische geldpolitische Lehrbuchmeinung nicht offenbart, wonach billiges und viel Geld früher oder später über eine Lohn-Preis-Spirale zu höherer Inflation führt. Von ihrem Höhepunkt im Sommer 2018 hat sich die US-Inflation deutlich entfernt und liegt aktuell mit 1,8 Prozent klar unter der für die Fed kritischen Preisschwelle von zwei Prozent.
Auch rohstoffseitige Inflationssteigerungen entfallen für die Fed angesichts der konjunkturbedingten Preiseinbrüche bei Rohöl und Industriemetallen.
Vor diesem Hintergrund wird die Fed die kleinsten Anzeichen eines Abschwungs mit frühzeitigen Zinssenkungen im Keim ersticken. Ein - nach Abzug der Inflation - negativer realer US-Notenbankzins wie zwischen 2009 und Ende 2018 dürfte Zielgröße der US-Notenbank sein.
Tatsächlich preisen die US-Terminbörsen bis Januar 2020 fast drei und bis Anfang 2021 noch einmal zwei Zinssenkungen ein.
Auf dem jährlichen EZB-Forum im portugiesischen Sintra signalisierte ebenso Notenbankchef Draghi deutlich die Handlungsbereitschaft der EZB und schloss explizit kein geldpolitisches Instrument aus: Die EZB könne ihre Zinspolitik zeitlich und operativ freizügiger gestalten, den Einlagenzins von minus 0,4 auf minus 0,5 Prozent senken sowie Maßnahmen wie Staffelzinsen zur Eindämmung der für Banken negativen Nebenwirkungen beschließen. Auch bei Anleihenkäufen verfüge die EZB über "beträchtlichen Spielraum". Hier betonte Draghi explizit, dass die EZB das Recht habe, wenn erforderlich, die Ankaufobergrenze von gegenwärtig 33 Prozent der Anleihen eines Euro-Landes nach oben anzupassen. Bereits auf der nächsten EZB-Sitzung am 25. Juli steht die Tür für noch mehr geldpolitische Freizügigkeit offen.
Im II. Quartal 2019 haben weltweit bereits 18 Notenbanken ihre Leitzinsen gesenkt. Der globale Lockerungszyklus ist wiedereröffnet.
Handelskonflikte, Iran-Krise, No Deal-Brexit oder italienische Schuldenkrise lasten schwer auf dem weltwirtschaftlichen Konjunkturausblick. Die ZEW Konjunkturerwartungen für die exportsensitive deutsche Wirtschaft brechen von minus 2,1 im Vormonat auf jetzt minus 21,1 förmlich ein. Doch wirkt der Fundamentalbaisse die Liquiditätshausse mit unattraktiven Renditen bei Zinsanlagen entgegen. Tatsächlich zeigt sich der deutsche Aktienmarkt recht stabil.
Trotzdem warten viele Anleger zunächst mit Neuengagements ab, bis handelspolitische Klarheit herrscht. Zwar wird nicht erwartet, dass es beim Treffen zwischen US-Präsident Trump und Chinas Xi Jinping auf dem G20-Gipfel zu einem nachhaltigen Verhandlungsdurchbruch kommt. Immerhin jedoch wäre ein Aufschub der von Trump angedrohten Totalverzollung ein wichtiger Schritt zur Deeskalation.
Ein militärischer Konflikt zwischen den USA und dem Iran würde das Pulverfass Mittlerer Osten explodieren lassen. Leider kann man heutzutage nichts mehr ausschließen. Doch ist zu hoffen, dass die beteiligten Parteien - trotz beginnendem US-Wahlkampf - ihre Vernunft nicht verlieren.
Aus Sentimentsicht trifft eine neutrale Anlegerstimmung auf einen abnehmenden Zukunftspessimismus. Investoren wagen sich in Trippelschritten zurück an die Aktienmärkte, was in einer steigenden Investitionsquote von US-Fondsmanager sowie wenn auch vorsichtigen Spekulationen auf wieder anziehende Kurse zum Ausdruck kommt. Von Optimismus oder gar Euphorie kann aber nicht gesprochen werden, da noch viele Anleger an der Seitenlinie abwarten. Doch schon bei ausbleibenden Negativmeldungen könnte sich die Rallye an den Aktienbörsen fortsetzen.
Charttechnisch trifft der DAX auf der Oberseite an der Marke bei 12.376 Punkten auf ersten Widerstand. Darüber liegen die nächsten wichtigen Barrieren bei 12.457 und 12.527. Kommt es zu einer Gegenbewegung, findet der DAX zunächst an der Marke bei 12.309 Unterstützung. Weitere Haltelinien liegen bei 12.227 und 12.140 Punkten.
In Japan zeichnen Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätze ein trübes Konjunkturbild.
In den USA können die Auftragseingänge langlebiger Güter ihre vormonatliche Schwäche nicht ausgleichen. Immerhin signalisiert die von der University of Michigan ermittelte Konsumentenstimmung eine leichte Konjunkturstabilisierung.
Das von der EU-Kommission ermittelte Wirtschaftsvertrauen signalisiert keine konjunkturelle Besserung in der Eurozone. Der Inflationsdruck bleibt gemäß Vorabschätzungen auch im Juni schwach.
In Deutschland hält die Konjunkturmisere laut ifo Geschäftsklimazahlen an. Allmählich erhält auch der Konsum laut nachgebendem GfK Konsumklimaindex und schwächerer Einzelhandelsumsätze Schlagseite.