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Der Markt
unter der Lupe

 
25.08.2017

Wird Jackson Hole 2017 zum Jackson Loch?

Einmal im Jahr treffen sich die großen Notenbanker im US-amerikanischen Jackson Hole. US-Notenbank und EZB haben diese Plattform früher gerne für ihre großen geldpolitischen Beschlüsse genutzt. Wird nun die bevorstehende Zusammenkunft wieder zu einem geldpolitischen Meilenstein, konkret zum Signal für eine allgemein restriktivere Notenbankpolitik? Vermeintlich böte dazu die amerikanische und mittlerweile selbst in der Eurozone sich stabilisierende Konjunktur Anlass. Nicht zuletzt ist die weltweite Deflationsgefahr gebannt.

Das jährliche Treffen der Notenbanker in Jackson Hole, Wyoming, USA bot in der Vergangenheit oft die Bühne für große Weichenstellungen. So kündigte 2013 die Fed ihr Tapering an und leitete 2014 die EZB ein historisches Anleiheaufkaufprogramm ein. In den letzten Jahren jedoch waren die Ergebnisse des Meetings eher dürftig, auch weil die Hauptverantwortlichen der internationalen Geldpolitik mitunter fehlten. Doch mit Vollbesetzung ist dieses Jahr die Erwartungshaltung groß. Wird Jackson Hole also zum Ausgangspunkt für eine allgemein restriktive Zins- und Liquiditätspolitik?

Immerhin wird die US-Konjunktur als robust beschrieben, die Gefahr einer Asien-Krise 2.0 für die Emerging Markets hat sich verflüchtigt und selbst Europa befindet sich wieder auf Wachstumskurs. Und von Deflation spricht man dort ebenso wenig wie von Euro-Krise. Selbst Griechenland wird - sicherlich mit viel Unterstützung der Gläubiger - nicht mehr als Synonym für Schuldenkrise benutzt.

Aber kann die Geldpolitik wirklich den Rückzug antreten? Die Verschuldung der Welt ist heute deutlich höher als vor der Krise 2008. In den USA haben die privaten Verbindlichkeiten aus Autokrediten, Studentendarlehen und Kreditkartenbezahlungen neue Rekordstände erreicht. Man spricht bereits von zunehmenden Kreditausfällen. Und in Europa konnte die Immobilienkrise nur durch eine dramatische staatliche Neuverschuldung gemeistert werden, deren Refinanzierung ohne die EZB unmöglich gewesen wäre. Es fragt sich, wie z.B. Italien seine überbordende Verschuldung bei nachhaltiger Zinswende der EZB stemmen will.

Stimmt das robuste Konjunkturbild oder sind es Potemkinsche Dörfer?

Die Konjunktur in der Eurozone zeigt sich zwar auf den ersten Blick robust. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie stieg wieder auf seinen Hochpunkt vom Juni 2017. Dass jedoch der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor seinen seit Mai bestehenden Abwärtstrend fortsetzt, deutet jedoch auf konjunkturellen Dynamikverlust hin, der auch an den Aktienmärkten der Eurozone Wirkung zeigt.

Der europäischen Konjunktur fehlt der fruchtbare Nährboden einer reformfreudigen Wirtschaftspolitik. Wachstumspotenziale werden insofern begrenzt. Es bleibt abzuwarten, ob der „Macronismus“ in Frankreich hält, was er verspricht. Zwar will Präsident Macron bereits im September seine Arbeitsmarktreform mit der Lockerung des Kündigungsschutzes auf den Weg bringen und bei Kürzungen im Staatshaushalt auch bei den Gehältern im öffentlichen Dienst ansetzen. Doch zum einen wird die Schlachtung dieser heiligen sozialen Kühe nicht ohne gewerkschaftliche Gegenwehr passieren. Und zum anderen ist nicht nur der Weg das Ziel. In Frankreich kann es nicht bei Kosmetik bleiben. Es muss eine Kernsanierung der französischen Standortpolitik stattfinden.

In Deutschland wachsen die konjunkturellen Bäume gut, aber nicht in den Himmel

In Deutschland ist 2017 grundsätzlich zwar ein Wachstum von zwei Prozent möglich. Doch selbst dieses muss vor dem Hintergrund einer beispiellos günstigen Kreditfinanzierung und einer guten Binnenkonjunktur als eher minimalistisch bezeichnet werden. Die Konsumbeschleunigung hat viel mit Entsparen vor dem Hintergrund des Niedrigzinsumfelds zu tun. Selbst die neutrale Bundesbank spricht angesichts des offiziell robusten deutschen Arbeitsmarkts von recht verhaltenen Lohnanstiegen. Belastend kommen durch den aufwertenden Euro Reibungsverluste für den Export hinzu. Neben einem zuletzt weniger starken Exportwachstum sorgen auch die zu erwartenden Nachwirkungen und Reputationsverluste des Dieselabgasskandals in der Autobranche zum dritten Mal in Folge für eingetrübte ZEW Konjunkturerwartungen, die damit einen Abwärtstrend etabliert haben. Allerdings sind die hierbei befragten Analysten im Durchschnitt viel kritischer als die vom ifo Institut direkt befragten, naturgemäß Konjunktur näheren, deutschen Unternehmen. Tatsächlich haben die ifo Geschäftserwartungen mit 107,9 nach 107,3 im August ihre Aufwärtsbewegung den vierten Monat in Folge fortgesetzt.

Das Ende der Deflation muss noch lange nicht der Anfang der Inflation sein

Haben Wirtschaftstheoretiker nicht immer behauptet, dass viel und billiges Zentralbankgeld unweigerlich früher oder später zu steigender, wenn nicht sogar galoppierender Inflation führt? Und wir sprechen von einer wahren geldpolitischen Sintflut seit 2008. Doch offensichtlich haben Globalisierung, der Vorrang von Joberhalt vor mehr Gehalt, strukturell niedrige Rohstoffpreise und vor allem eine immer noch vorhandene weltwirtschaftliche Unsicherheit ihre preiszurückhaltende Wirkung nicht verloren. Der von der Citigroup veröffentlichte Inflation Surprise Index für die Eurozone - er misst die positiven bzw. negativen Abweichungen der tatsächlichen Inflationsdaten von den vorab getroffenen Einschätzungen der Analysten - korrigiert seinen deutlichen jahresanfänglichen Anstieg seit Mai mit einer ebenso abrupten Abwärtsbewegung Richtung „Enttäuschungs-Terrain“. Welche Veranlassung soll die EZB haben, eine klare geldpolitische Trendwende einzuleiten?

In Amerika zeigt sich zwar eine quantitativ robuste Beschäftigungssituation, vor allem aber im Niedriglohnsektor, der gemeinsam mit zunehmender Digitalisierung kaum für lohnseitigen Preisdruck sorgt. Tatsächlich stellt die von der New York Fed durchgeführte Survey of Consumer Expectations erneut sinkende Lohnerwartungen fest, die ihren Niederschlag in sinkenden Inflationserwartungen finden. Warum sollte eine Fed vor diesem Inflationshintergrund eine eindeutig restriktive Geldpolitik betreiben?

Bislang haben Fed und EZB in ihren Verlautbarungen und Protokollen kein eindeutig positives, sondern unsicheres Bild der Konjunktur- und Inflationsentwicklung gezeichnet. Was spricht jetzt in Jackson Hole für einen radikalen geldpolitischen Strukturbruch?

Dem Motto der Jackson Hole-Konferenz „Eine dynamische Weltwirtschaft unterstützen“ wird geldpolitisch Folge geleistet

Es spricht viel dafür, dass beide Notenbanken in Jackson Hole bloß keine schockierenden Aussagen treffen, um den bereits nervösen Finanzmärkte, die das Notenbanktreffen gebannt verfolgen, keinen prominenten Anlass für Kurseinbrüche zu liefern.

Dem widerspricht es auch nicht, wenn die US-Notenbank von der theoretischen Entblähung ihrer durch Anleihekäufe aufgeschwemmten Notenbankbilanz spricht. Denn mit der Betonung einer verhaltenen Inflation wird man der gebannt zuhörenden Finanzöffentlichkeit suggerieren, dass Zinserhöhungen ein weniger bedeutendes Anliegen sind und die Bilanzverkleinerung zukünftig in homöopathischen Dosen erfolgt.

Zur Geldpolitik wird sich Mario Draghi ebenso wie die Fed politisch korrekt äußern. Die EZB wird am 7. September ihre dann aktuellen Konjunktur- und Inflationsprognosen zum Anlass nehmen, ein gemächliches Tempo für das allmähliche Ausklingen ihrer Anleiheaufkäufe zu signalisieren, insgesamt aber freizügig bleiben. Dies geschieht schon aufgrund der Euro-Stärke, die neben einem exportseitig schwächeren Wirtschaftswachstum auch importierten Preissteigerungen entgegenwirkt.

Grundsätzlich lässt sich geldpolitische Planwirtschaft nicht im Handumdrehen wieder in finanzwirtschaftliche Marktwirtschaft überführen. Die Märkte würden auf einen Rückzug der Notenbanken sofort mit Renditeerhöhungen reagieren, die tatsächlich den wahren Bonitäten von z.B. Italien entsprächen. Was passiert, wenn Planwirtschaft durch Marktwirtschaft ersetzt wird, hat sich in der ehemaligen DDR nach der Wiedervereinigung gezeigt.

Alle Notenbanker sind weise genug, um in Jackson Hole die psychologisch richtigen Worte zu finden. Insgesamt spricht viel dafür, dass Jackson Hole zum Jackson Loch wird, in dem die harte geldpolitische Rhetorik verschwindet.

Marktstimmung - Reden ist Silber, Schweigen ist Gold und Golf spielen ist Platin

Vor allem die europäischen Aktienmärkte haben in den letzten Wochen einige Handicaps verarbeiten müssen: Der Nordkorea-Konflikt, die Euro-Stärke, geldpolitische Befürchtungen und Trumps Verbalerotik haben ein reinigendes Gewitter verursacht. Mittlerweile ist so etwas wie eine stabile Seitenlage zu beobachten.

Im IV. Quartal präsentieren sich die Aussichten für die Aktienmärkte freundlicher. Dafür spricht, dass die große geldpolitische Trendwende ausbleibt, der Euro sich mittelfristig wieder abschwächt und das Thema „Dieselgate“ nach einer vermutlich unaufgeregten Bundestagswahl mit Hilfe von Umwelt- bzw. eher Kaufprämien zu einem Segen für die deutsche Autoindustrie wird.

Ohnehin deuten die Sentiment-Indikatoren nicht auf Unheil für die Aktienmärkte hin. Bei US-Aktien zeigt sich der Anteil der Optimisten minus Anteil der Pessimisten in einem tief neutralen und nicht überhitzten Bereich, der erst als Kontraindikator drohende Konsolidierungen anzeigt.

Ein markantes Handicap für die Finanzmärkte bleibt grundsätzlich Donald Trump, der als mächtigster Mann der Welt potenziell und tatsächlich viel Schaden anrichten kann. Jetzt droht er dem Kongress, im Konflikt um die Finanzierung der von ihm gewünschten Grenzmauer zu Mexiko die Anhebung der US-Schuldenobergrenze bis mindestens Oktober zu boykottieren und es auf einen government shutdown - einer Art Zwangsschließung der staatlichen Behörden - ankommen zu lassen. Selbst wenn eine Staatspleite durch politische Nichterlaubnis neuer Schuldenaufnahmen schließlich abgewendet würde, wäre der Vertrauensverlust der Finanzmärkte in die US-Politik deutlich zu spüren.

Würde Trump nicht weiter versuchen, zu regieren, sondern Golf spielen wäre Amerika, der Welt und ihren Finanzmärkten sehr geholfen.

Charttechnik DAX - Nach unten gut abgesichert

Charttechnisch verläuft im DAX auf dem Weg nach oben der erste wichtige Widerstand bei aktuell 12.260 Punkten. Wird dieser überschritten, tritt knapp darüber die Marke bei 12.289 in den Vordergrund. Setzt sich die Konsolidierung im DAX fort, verläuft eine erste, wenn auch schwache Unterstützung schon bei 12.173 sowie 12.091. Darunter wartet eine weitere Auffanglinie bei 12.014, gefolgt von der Unterstützung an der steigenden 200-Tage-Linie bei aktuell 11.989 Punkten.

Der Wochenausblick für die KW 35 - US-Konjunkturdaten eher schlecht als recht

In China signalisieren die offiziellen Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende und Dienstleistungsgewerbe sowie das von der privaten Finanzmedienagentur Caixin veröffentlichte industrielle Pendant eine sich weiter stabilisierende Konjunktur.

In den USA deutet der ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe auf eine abnehmende Konjunkturdynamik hin. Der Arbeitsplatzaufbau setzt sich zwar fort. Der anhaltend schwache Lohndruck bleibt jedoch ebenso bestehen. Schwächer zeigt sich auch das von der University of Michigan ermittelte Konsumentenvertrauen.

In der Eurozone liefern die Erstschätzungen der Inflation im August keinen Grund für geldpolitische Restriktionen der EZB. In Deutschland zeichnen ein solider GfK Konsumklimaindex und stabile Einzelhandelsumsätze im Juni ein robustes Bild der Binnenkonjunktur.