Der Handelskrieg und die zerrissene geopolitische Großwetterlage wirken auf die Investitionsbereitschaft der industrie- und exportstarken deutschen Unternehmen wie Streusalz auf Eis. Negativen Streueffekten kann sich mittlerweile auch die bislang so robuste Binnenwirtschaft nicht mehr entziehen. Und obwohl finanzpolitisch durchaus in der Lage, hat Berlin noch keine Maßnahmen ergriffen, um dem Rezessionskurs entgegenzuwirken.
Der ifo Geschäftsklimaindex hat sich zuletzt mit 94,6 nach 94,3 auf niedrigem Niveau stabilisiert. Perspektivisch riecht es für Deutschland trotzdem streng nach Rezession. Denn die ifo Geschäftserwartungen fallen im September so pessimistisch aus wie zuletzt bei der Finanzkrise 2009. Der bislang grundsätzlich unbefriedete, einmal abgekühlte und dann wieder aufgewärmte US-chinesische Handelskrieg sowie ein undurchsichtiges Brexit-Chaos sind Gift für die Planungssicherheit deutscher Unternehmen.
Tatsächlich ist der Zusammenhang von dem seit Jahresbeginn einbrechenden Welt-Handelsvolumen und sinkenden Exporterwartungen in der deutschen Industrie frappierend.
Gemäß ifo Konjunkturmatrix, die die leicht verbesserte Geschäftslage und nachgebende -erwartungen zueinander in Beziehung setzt, verharrt die deutsche Wirtschaft in der Konjunkturphase „Abschwung“. Doch sind Gewinnwarnungen, hohe Lagerbestände, ein schrumpfender Auftragsbestand und ein merklicher Stellenabbau in der Industrie klare Vorboten einer Schrumpfung, also einer Rezession.
Im Verarbeitenden Gewerbe als Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist das Stimmungstief wegen des trüben Ausblicks für die Autoindustrie besonders markant. Ebenso keine Änderung zum Positiven ist vom Maschinenbau zu erwarten. Der Industrie-Abschwung streut in die deutsche Binnenwirtschaft. So sind im Handel die Aussichten sogar noch trüber als in der Industrie. Ermüdungserscheinungen zeigen sich sogar im bislang robusten Baugewerbe.
Konnte sich der Dienstleistungssektor bislang noch von der dramatischen Konjunktureinschätzung im Verarbeitenden Gewerbe emanzipieren, zeigt sich mittlerweile auch hier wachsender Zukunftspessimismus.
Die Bundesregierung ignoriert bislang die schrillenden Warnsignale. Mit nur halbherzigen Plänen zum Klimaschutz hat sie eine willkommene Gelegenheit zum Ausbau deutscher Umwelttechnik als zukünftigem Exportschlager verpasst. Das Klima-Investitionsprogramm von 54 Mrd. Euro u.a. durch Anreize für den Kauf von Elektroautos sowie Investitionen in das marode Eisenbahnsystem springt viel zu kurz und wird zwischen 2020 und 2023 viel zu langsam umgesetzt. Wenn man es macht, macht man es richtig. Vorsprung durch Technik war immer der deutsche Wirtschaftstrumpf. Sonst haben wir keinen. (Konjunktur-)Politik ist nicht nur dafür verantwortlich, was sie tut, sondern auch für das, was sie versäumt. Damit trägt sie eine große Verantwortung für den Arbeitsmarkt, dessen Eintrübung nicht mehr zu leugnen ist.
Statt nur ideologisch und ohne jeden finanzpolitischen Nährwert an der „schwarzen Null“ festzuhalten, müssen umgehend die strukturellen Wettbewerbsdefizite beseitigt werden. Dabei schreit das anhaltend negative Zinsumfeld nach tiefgreifenden Investitionen.
Lieber jedoch versteckt man sich hinter der pseudo-moralischen Schuldenbremse und schaut zu, wie uns China und Amerika mit schuldenfinanzierter Modernisierung, Digitalisierung und Deregulierung immer mehr den wirtschaftlichen Schneid abkaufen. Übrigens haben beide gegenüber Deutschland den Nachteil, dass ihre Schuldzinsen positiv sind.
Symptomatisch für diese „Deindustrialisierung“ ist, dass Peking den flächenmäßig größten Flughafen der Welt in nur vier Jahren baut, während am deutlich kleineren Flughafen Berlin Brandenburg seit 2006 herumgebastelt wird!
Viele Anleger realisieren derzeit ihre Buchgewinne der vergangenen Wochen und warten zunächst mit Neuengagements, bis im Oktober hoffentlich mehr (handels-)politische Klarheit herrscht. Dass China vor der Wiederaufnahme der Handelsgespräche als Geste des guten Willens weitere Zollausnahmen für US-Sojabohnen gewährt, schürt immerhin die Hoffnung auf konstruktive Handelsgespräche.
Für politische Verunsicherung sorgt das von den Demokraten eingeleitete Amtsenthebungsverfahren gegen den US-Präsidenten. Trump wird beschuldigt, mit der Hilfe der ukrainischen Regierung seinen demokratischen Rivalen Joe Biden diskreditieren zu wollen. Daher wollen die Demokraten Trump vor den Präsidentschaftswahlen politisch schaden. Dieser Schuss wird vermutlich jedoch nach hinten losgehen. Für eine tatsächliche Amtsenthebung fehlen die erforderlichen Mehrheiten. Schließlich werden sich die Republikaner ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen ziemlich geschlossen hinter Trump versammeln und ihrerseits schlecht über die demokratischen Gegenkandidaten sprechen. Trump wird seine Opferrolle wählerwirksam inszenieren. Der schmutzigste US-Wahlkampf aller Zeiten ist eröffnet.
In puncto Brexit tritt das Parlament nach der vom Supreme Court für gesetzeswidrig befundenen Zwangspause wieder zusammen. Es ist zu erwarten, dass Johnsons No Deal-Pläne zum 31. Oktober endgültig vom Tisch sind. Vermutlich wird sich eine parlamentarische Zweidrittelmehrheit für Neuwahlen finden, die dann frühestens Mitte Dezember stattfinden können. Im kommenden Wahlkampf ist von Johnson eine noch brutalere Anti-EU-Kampagne mit klarem No Deal-Versprechen und geschönter Vision einer britischen Power-Ökonomie zu erwarten. Die zunehmend frustrierten britischen Wähler nehmen ihm diese Luftschlösser zwar nicht mehr ohne Weiteres ab. Doch scheint sein Kampf „Boris gegen die arrogante britische Elite“ immer noch ähnlich zu verfangen wie bei Trumps letztem Wahlkampf. Das liegt auch daran, dass Labour-Chef Corbyn in puncto Brexit mit gespaltener Zunge spricht. Lieber hält er sich die Optionen offen. Die Gefahr eines No Deal-Brexit am 31. Januar ist insgesamt nicht gebannt. Die Verunsicherung für die europäische Wirtschaft und die Aktienmärkte bleibt.
Mit kurzfristigen Positivimpulsen von der bevorstehenden Berichtsaison für das III. Quartal 2019 ist nicht zu rechnen. Ein Großteil von Corporate America wird eindeutige Handelskriegs-Spuren in ihren Quartalszahlen ausweisen. Und ohne Einigung werden ebenso die Unternehmensprognosen verhalten ausfallen.
Vor diesem Hintergrund zeigen sich Anleger aus Sentiment-Sicht zunächst vorsichtiger. Das signalisiert auch die laut Macro Risk Index der Citigroup wieder zunehmende Risikoabneigung an den Finanzmärkten.
Angesichts der noch immer geringen Investitionsquote von US-Fondsmanagern wartet allerdings viel Kapital an der Seitenlinie, das bei fundamentalem Tauwetter vor allem an der Handelsfront sofort und eruptiv an die Aktienmärkte zurückströmt.
Und, trotz eines rekordhohen globalpolitischen Unsicherheitsindex ist keine Verkaufspanik wie zu früheren Krisenzeiten zu beobachten. Im Gegenteil, die Volatilität als Risikomaß am deutschen Aktienmarkt ist vergleichsweise schwach und fällt sogar.
Der DAX trifft bei fortgesetzter Abwärtsbewegung bei 12.129 Punkten auf erste Unterstützung. Darunter folgen weitere Haltelinien bei 12.035, 12.000 sowie 11.975. Bei einer Gegenbewegung trifft der Index auf Widerstände bei 12.254 und 12.500. Werden diese durchbrochen, nimmt der Index Kurs auf die Marken bei 12.600 und darüber bei 12.656 Punkten.
Die chinesische Industrie hat laut offiziellem und von der Finanznachrichtenagentur Caixin veröffentlichtem Einkaufsmanagerindex weiterhin Schlagseite, selbst wenn sich der Dienstleistungssektor stabiler zeigt. Die trübe Konjunktursituation in Japan bringt der Tankan Index für die Großindustrie zum Ausdruck.
In den USA geben die Industrieaufträge weiter nach. Auch der US-Arbeitsmarkt war im September weniger dynamisch. Es ist fraglich, ob die ISM Indices für das Verarbeitende und Dienstleistungsgewerbe eine Konjunkturstabilisierung signalisieren können.
In der Eurozone bleibt der Preisdruck gemäß Erstschätzungen der Inflation auch im September schwach. Für Deutschland zeichnen die Einzelhandelsumsätze ein brüchiges Bild der Binnenkonjunktur.