Nach der üppigen Aufstockung ihrer Liquiditätsversorgung 2020 verzichtet die EZB zwar zunächst auf eine weitere Konjunkturförderung. Doch angesichts neuer Lockdowns in ganz Europa, Verzögerungen bei der Impf-Kampagne und Virus-Mutationen befindet sie sich im 24/7-Bereitschaftsdienst. Schließlich müssen auf unabsehbare Zeit neue umfangreiche Fiskalprogramme gegenfinanziert werden. Nicht zuletzt spielt die Währung eine große geldpolitische Rolle.
Auf ihrer jüngsten Sitzung stellte die EZB fest, dass die Erholung der Euro-Konjunktur im Winter Lockdown-bedingt ins Stottern gerät. Vor allem der Dienstleistungssektor trägt die Corona-Bürde. Der Industriesektor kommt dagegen glimpflicher davon.
Die verlängerten und verschärften Lockdown-Maßnahmen lassen insgesamt eine „technische“ Rezession im Euro-Raum im I. Quartal 2021 - einen Double Dip - erwarten. Unternehmenspleiten mit höherer Arbeitslosigkeit werden sich trotz staatlicher Auffangleistungen nicht verhindern lassen. Zwar gibt sich die EZB etwas weniger konjunkturpessimistisch, was dokumentieren soll, dass ihre Maßnahmen langfristig Wirkung erzielen. Mit dem Verweis, dass die Unsicherheit nach wie vor hoch ist, rückt sie die Dinge geldpolitisch aber wieder „gerade“.
Auf jeden Fall ist sie allzeit bereit. An ihr wird die Finanzierung auch üppigster staatswirtschaftlicher Konjunkturprogramme und die Aufrechterhaltung der Schuldentragfähigkeit in der Eurozone - 2021 wird sich die Neuverschuldung um etwa eine Bio. Euro erhöhen - nicht scheitern.
Inflationsbekämpfung? Auf der EZB steht Bundesbank drauf, es ist aber Fed drin
Auch belässt die EZB die Leitzinsen so lange auf ihrem aktuellen oder niedrigeren Niveau, bis sich eine Preissteigerung von im Durchschnitt zwei Prozent einstellt. „Durchschnittlich“ heißt, dass nach langem Unterschreiten auch ein Überschießen oberhalb von zwei Prozent toleriert wird. Inflationäre Basiseffekte, mit denen ab März z.B. Ölpreis-seitig zu rechnen ist, werden links liegengelassen.
Ihre inflationäre Unbekümmertheit dokumentiert die EZB sogar mit der Aussage, dass sie bereit ist, alle Instrumente gegebenenfalls anzupassen, um sicherzustellen, dass sich die Teuerungsrate auf nachhaltige Weise ihrem Inflationsziel von zwei Prozent annähert.
Steigende Inflationserwartungen sind also kein Menetekel für ein Ende der Liquiditätsschwemme oder gar Zinserhöhungen. Da die offizielle Inflation - die sich in den vergangenen drei Monaten mit minus 0,3 Prozent hartnäckig deflationär zeigte - mit der inoffiziellen, jedoch höheren, ohnehin wenig zu tun hat, verschiebt sich der Zeitpunkt restriktiven Eingreifens noch viel weiter in die Zukunft.
Entsprechend vollzieht die Rendite 10-jähriger deutscher Staatsanleihen - obwohl historisch ein enger Gleichlauf zu beobachten ist - den Aufschwung der Inflationserwartungen nicht nach.
Ohnehin erschwert der feste Euro die Inflationierung. Je stärker er aufwertet, desto niedriger ist der Preiserhöhungsdruck importierter Waren und Dienstleistungen. Auch wenn die EZB keine konkrete Schmerzgrenze für die Euro-Aufwertung nennt, behält sie diese mit Blick auf mögliche Auswirkungen auf die mittelfristigen Inflationsaussichten laut Lagarde „sehr genau, sehr genau“ im Blick.
Abseits vom willkommenen Alibi eines starken Euros für anhaltende geldpolitische Freizügigkeit spricht aber wenig für eine dauerhafte Euro-Stärke. Selbst konjunkturelle Basiseffekte ab Sommer sind keine nachhaltigen Argumente pro Euro. Die Wirtschaftsunterstützung in den USA verläuft konsequenter. Sind Konjunkturhilfen im Kongress erst einmal beschlossen, folgen gezielte staatliche Investitionen. In Europa dagegen müssen Stimuli erst einmal durch die langsam mahlenden Mühlen der EU-Bürokratie. Bis sie fließen, wird wertvolle Zeit vergeudet. Insgesamt hält sich damit der fundamentale Auftrieb des Euro gegenüber US-Dollar in Grenzen.
Das zurzeit oft zu hörende Argument, Amerikas Überschuldung - die sich auch unter der neuen Biden-Administration zweifelsohne fortsetzt - könnte den US-Dollar in eine Abschwächungsspirale bringen, überzeugt nicht. Zunächst sorgen neue Konjunkturimpulse für attraktivere Renditen auf dem Aktienmarkt, was Portfolio-Investitionen nach sich zieht. Im Übrigen wird die US-Notenbank für einen reibungslosen Zins- und Tilgungsdienst sorgen.
Ebenso hat der Rest der Finanzwelt kein Interesse an einem zu schwachen Dollar, der den eigenen Export belasten würde. Im Außenhandel lässt sich die EZB nicht die Butter vom Brot nehmen. Sie ist längst in den Abwertungswettlauf der Notenbanken um die schwächste Währung eingetreten.
Tatsächlich beginnt sich der Aufwärtstrend des Euro gegenüber dem US-Dollar und auch anderen Handelswährungen wie japanischem Yen und chinesischem Renminbi umzukehren.
Nicht zuletzt deuten die Terminmärkte auf keinen weiteren Anstieg des Euro zum US-Dollar hin.
Aus wirtschaftspsychologischen Gründen ist die Politik gut beraten, die Seele der Konsumenten und Firmen zu streicheln. Dazu muss zunächst die Durchimpfung beschleunigt werden, um mehr Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Und bei allen völlig berechtigten Vorsichtsnahmen sollten die Verantwortlichen nicht nur die Rolle der Casandra annehmen. Mit bundeseinheitlich klaren Spielregeln und ab und zu einem guten Wort müssen Perspektiven vermittelt werden.
Dennoch zeigen sich die Aktienmärkte zuversichtlich. Sie bezahlen Zukunft. Denn im deutschen Super-Wahljahr werden weitere großzügige Konjunkturhilfen der Bundesregierung eingepreist. Der Aufschwung wird insofern ab Mitte des Jahres kommen. So haben sich selbst die vom ZEW ermittelten Konjunkturerwartungen für die deutsche Wirtschaft - die hierzu befragten Analysten sind nicht für übertriebenen Optimismus bekannt - weiter aufgehellt. Vor allem steigen die Exporterwartungen.
Dieses Bild dürfte von den ifo Geschäftsklimazahlen in der nächsten Woche untermauert werden.
Von dieser Konjunkturphantasie profitieren naturgemäß zyklisch orientierte Aktien aus Deutschland. Insbesondere die zweite Unternehmensreihe ist dabei bestens aufgestellt. Sie sind mit ihren spezialisierten Geschäftsmodellen und Patenten vielfach führend auch in Nischenmärkten. Selbst bei High-Tech sind deutsche Unternehmen aus MDAX, SDAX und TecDAX mit dabei, wenn auch nicht auf US-Niveau.
Gute Nachrichten kommen aus China. Auch wenn Beschönigungen nicht auszuschließen sind, bestätigen die BIP-Zahlen für das IV. Quartal 2020, dass die Wirtschaft auf ihren Wachstumspfad zurückkehrt. Von positiven Ausstrahleffekte auf die Weltwirtschaft profitieren konjunkturzyklische Aktien zusätzlich.
In den USA rechnen Anleger fest damit, dass das Konjunkturpaket von Präsident Biden über 1,9 Bio. Dollar aufgrund der blauen, also demokratischen „Welle“ im Kongress schnell verabschiedet wird. Dass die Hilfen damit zur Freude der Aktienmärkte nicht enden, deutete die neue US-Finanzministerin Janet Yellen bei ihrer Anhörung im Finanzausschuss des Senats bereits mit dem Aufruf an, bei den Corona-Hilfen nicht zu kleckern, sondern zu klotzen.
Potenzielle Erhöhungen von Unternehmens-, Reichen- und Kapitalsteuern lassen die Aktienmärkte bislang ziemlich kalt. Man erwartet eher symbolhafte, homöopathische Steuererhöhungen, um die linke Parteibasis zu beruhigen. Auch für den High-Tech-Sektor wird nicht der ganz große Restriktionshammer ausgepackt, der im Wahlkampf noch propagiert wurde. Man will den Konjunkturaufschwung nicht beeinträchtigen. Außerdem geht es um industrietechnologische Gegenwehr gegenüber einem immer stärker auftretenden China.
Überhaupt bleibt die lockere Geldpolitik das engmaschig gespannte Sicherheitsnetz für die US-Aktienmärkte. Auf ihrer Sitzung in der kommenden Woche wird die Fed ihre freizügige Bereitschaft zur weiteren Konjunkturstützung signalisieren. Die aktuelle Tapering-Diskussion um eine Reduzierung der Netto-Anleihekäufe ist eine Phantom-Diskussion. Zinsen werden nicht zum natürlichen Feind der Aktien.
US-Aktien sollte man auch 2021 genügend Platz im Depot einräumen. Amerika ist auch unter Biden eine Power-Economy, auch im Hinblick auf das Megathema Umweltschutz.
Ebenso können Lockdown-bedingt schlechtere Wirtschaftsdaten das Anlegergemüt trüben und zu zwischenzeitlichen Gewinnmitnahmen bei höheren Volatilitäten führen.
Dramatische Kurseinbrüche sind jedoch nicht zu erwarten. Der Konjunkturoptimismus großer institutioneller Anleger bleibt hoch. Zwar verlieren die Corona-Gewinner aus dem Gesundheits- und Technologiebereich ihre Überlegenheit, aber nicht im Sinne einer Rotation, sondern Ergänzung. Konjunkturzyklische Aktien auch aus der zweiten Reihe und den Schwellenländern holen auf. So wird die Aktienperspektive auf breitere Beine gestellt.
Charttechnisch trifft der DAX auf dem Weg nach oben auf erste Widerstände bei 13.945 und 13.950 Punkten. Darüber nimmt der Index Kurs auf die psychologisch wichtige Barriere bei 14.000 und darüber 14.021 sowie 14.124. Kommt es zu erneuten Konsolidierung, liegen erste Unterstützungen bei 13.790 und 13.761. Darunter trifft der DAX auf weitere Haltelinien bei 13.705 und 13.600 Punkten.