Ein Handels-Deal zwischen China und Amerika kommt doch nicht so schnell wie US-Präsident Trump immer wieder versprochen hat. Denn die Chinesen, die bei jedem Abkommen in ihren wirtschaftlichen Freiheitsgraden eingeschränkter als im Status Quo eines No Deals sind, kämpfen verbissen für ihre Interessen. Da Peking vermeintlich bereits gegebene Zugeständnisse zurückgenommen hat und nachverhandeln will, droht Trump nun im Extremfall mit einer Totalverzollung aller chinesische Exporte nach Amerika. Eine Handelsverschärfung bliebe nicht ohne Folgen für die Aktien der Länder Asiens und Südamerikas, die gemäß ihrem Status als Schwellenland in Krisensituationen grundsätzlich immer noch stärker in Mitleidenschaft gezogen werden als die der Industriestaaten. Doch es gibt auch klare Lichtblicke.
US-Präsident Trumps verschärfter Handelsprotektionismus - Erhöhung der bisherigen US-Zölle auf chinesische Importe über 200 Mrd. US-Dollar von zehn auf 25 Prozent und Androhung weiterer Zölle von 25 Prozent auf die restlichen Importe in Höhe von 325 Mrd. - muss auch durch die Brille seiner typischen Art der psychologischen Kriegsführung über Drohungen betrachtet werden, mit der er seinen größten Handelskonkurrenten gefügig machen will. Dennoch signalisiert Peking mit der planmäßigen Entsendung seines obersten Handelsdelegierten Liu He weiter Gesprächsbereitschaft. Dabei spielt natürlich auch das nicht reibungsfreie Konjunkturumfeld Chinas eine Rolle. Allerdings wird Peking nicht den Kotau machen und dem amerikanischen Druck ohne Gegenleistung nachgeben. Ohnehin geht auch Trump ein Risiko ein: Ein nachhaltiger Handelsstreit be- oder sogar verhindert den Absatz von Weizen, Mais und Sojabohnen in China. Die von Trump enttäuschten US-Farmer bei gleichzeitig fallenden Kursen amerikanischer Exportwerte an Wall Street machen die Wiederwahl Trumps im kommenden Jahr unwahrscheinlich.
Diese harten ökonomischen und politischen Folgeschäden eines ausdauernden Handelskonflikts kann sich weder Peking noch der US-Präsident leisten.
Nachdem die Aktien-Phantasie auf einen baldigen Handelsfrieden in arge Mitleidenschaft gezogen wurde, reagieren insbesondere die Börsen der Schwellenländer verschnupft, die weltkonjunkturell besonders sensitiv sind. Der Handelskonflikt verschärft den exportseitigen Dynamikverlust in China weiter. Die im April rückläufigen Exportzahlen unterstreichen dieses Bild. Aufgrund der engen Handelsverflechtungen belastet das die gesamte asiatische Wirtschaftsregion.
Immerhin hat Peking den Ernst der Wirtschaftslage erkannt und stabilisiert mit umfangreichen geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen indirekt auch die Nachbar-Konjunkturen. Ohnehin sind die Schwellenländer Asiens in puncto Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit sowie mit ihren Zukunftsbranchen wie Internet, Elektromobilität und Digitalisierung gut für die Zukunft gerüstet.
Darüber hinaus dürfte nach den Wahlen in Indien und Indonesien - aus denen die aktuellen wirtschaftsfreundlichen Regierungen als Sieger hervorgehen dürften - der Fokus der Anleger wieder auf diese konsumstarken Volkswirtschaften fallen, die weniger anfällig für weltkonjunkturelle Schwankungen sind.
Zudem kommen Schwellenland-Aktien Bewertungspuffer gemäß Kurs-Gewinn-Verhältnis zugute. Aktien der Schwellenländer sind im direkten Vergleich mit den Aktienmärkten der klassischen Industrieländer USA, der Eurozone oder Deutschland extrem günstig. Dieser klassische Bewertungsabschlag ist angesichts der allgemein dramatischen wirtschaftlichen Verbesserungen zunehmend ungerechtfertigt.
Nach der Wahl des reformfreudigen Präsidenten Bolsonaro in Brasilien hat sich die Euphorie gelegt. Sicher sorgt auch die handelskonfliktseitig kritischere Einschätzung von Industriemetallen für Zurückhaltung. Argentinien leidet anhaltend unter einer dramatischen Überschuldung und einer reformscheuen Standortpolitik.
Die Türkei verabschiedet sich immer mehr von ihrem früheren Status eines Primus unter den Schwellenländern. Der unklare Umgang mit Eigentumsrechten und der zunehmende Eindruck einer immer weniger lupenreinen Demokratie schrecken mittlerweile auch toleranteste Investoren ab, die aus einer ganzen Palette an attraktiven und rechtssicheren Wirtschaftsstandorten wählen können. Die türkische Weigerung, zur Lira-Stabilisierung die Zinsen anzuheben, um damit die hohe Inflation zu bekämpfen, kommt erschwerend hinzu. Daneben tut Ankara wenig bis nichts, um die währungsseitigen Abwertungsschmerzen der Auslandsverschuldung in US-Dollar zu lindern.
Fremdhilfe über den Internationalen Währungsfond anzunehmen, lehnt Ankara strikt ab, da die Türkei dann harte Wirtschaftsauflagen erfüllen müsste. Dann wäre man nicht mehr Herr im eigenen Haus. Aus heutiger Sicht ist aber schwer vorstellbar, wie eine alternative Lösung aussehen könnte. Es ist zu befürchten, dass die Finanzinvestoren gnadenlos bleiben.
Zwar muss festgestellt werden, dass die Aktienmärkte der Schwellenländer in Krisensituationen wie einem Handelskrieg immer kritischer als die der Industrieländer unter die Lupe genommen werden. Die vergangenen Enttäuschungen wie die Asienkrise 1997/98 wirken immer noch nach.
Allerdings nimmt die Bereitschaft zur Differenzierung innerhalb der Schwellenländer immer mehr zu. Die Spreu trennt sich vom Weizen.
An den Aktienbörsen dominiert aktuell die Verunsicherung über einen transpazifischen Protektionismus 2.0. Den Anlegern ist die markante handelsstreitseitige Aktienkorrektur Ende 2018 noch in lebhafter Erinnerung. Daher realisieren viele die bis dato erwirtschafteten Buchgewinne und warten mit Neuengagements, bis handelspolitische Klarheit herrscht.
Unterdessen macht Trump wieder auf Optimismus und schürt die Erwartung, dass die chinesische Handelsdelegation nach Washington kommt, um einen Deal zu machen. So schnell gehen die Finanzmärkte ihm allerdings nicht mehr auf den Leim.
Zuletzt zeigte sich die Weltkonjunktur von dem Handels-Geplänkel wenig beeindruckt. Selbst wenn die weltwirtschaftliche Stimmung gemäß ifo Konjunkturmatrix - sie setzt Geschäftserwartungen und -lage zueinander in Bezug - im II. Quartal noch verhalten bleibt, verhindern optimistische Erwartungen zumindest ein Abrutschen in die Rezession.
Diese perspektivische Aufhellung untermauern die unter Anlegern ermittelten Sentix Konjunkturerwartungen für die nächsten sechs Monate, die sich der kritischen Handelssituation entgegenstellen. Dabei liegt das Augenmerk auf China, dessen Wirtschaftsstimulierungen über Zweitrundeneffekte auch Asien insgesamt profitieren lässt. Auch Japan und die Exportländer Europas zeigen sich nach bislang negativen Konjunkturerwartungen wieder nahezu neutral. In den verbesserten Stimmungswerten kommt weiter die Erwartung eines früher oder später zustande kommenden Handels-Deals zwischen Washington und Peking zum Ausdruck.
Wenn aber nicht, werden Frühindikatoren, Unternehmensausblicke und Aktienmärkte jedoch kräftig abgeben.
Aus Sentimentsicht erhält die ausgeprägte Risikofreude der vergangenen Wochen einen Dämpfer. Der von Citigroup veröffentlichte Macro Risk Index als Maß für Risikostimmung an den Finanzmärkten - Indexwerte von größer als 0,5 deuten auf zunehmende Risikoabneigung und Werte kleiner als 0,5 auf steigende -freude hin - deutet mit einer Eintrübung der „Risikofreude“ von 0,17 Mitte April auf einen aktuellen Indexwert von rund 0,43 eine zunehmende Scheu vor Aktien an.
Setzt sich die Korrektur im DAX fort, findet der Index zunächst an den Marken bei 12.121, 12.029 und schließlich 11.915 Punkten Unterstützung. Darunter sind die nächsten wichtigen Haltelinien bei 11.864 und 11.800 entscheidend. Kommt es zu einer Gegenbewegung, trifft der DAX zunächst bei 12.218 auf ersten Widerstand. Darüber liegen weitere Barrieren bei 12.319, 12.403 und 12.457. Werden diese überschritten, sind Kursgewinne bis zur Marke von 12.500 Punkten möglich.
In China präsentieren eine schwächere Industriestimmung und stabile Einzelhandelsumsätzen ein gemischtes Konjunkturbild.
In den USA signalisieren schwache Zahlen zur Industrieproduktion und zu Einzelhandelsumsätzen eine nicht reibungsfreie Wirtschaftslage. Konjunkturperspektivisch kann immerhin der Einkaufsmanagerindex der Philadelphia Fed seinen Abwärtstrend stoppen. Auch das Konsumentenvertrauen der University of Michigan fällt stabil aus. Vom Immobiliensektor wird in puncto Baubeginne und -genehmigungen allerdings keine markante Belebung erwartet.
In der Eurozone kann eine wegen Sondereffekten im April erhöhte finale Inflationsrate nicht über die grundsätzliche Preisschwäche hinwegtäuschen. Dafür sind ohnehin die Wachstumsimpulse trotz stärker als erwarteten BIP-Zahlen im I. Quartal 2019 zu bescheiden. In Deutschland vermitteln die ZEW Konjunkturerwartungen einen zaghaften Optimismus der befragten Finanzanalysten.