Mit Blick auf die konjunkturellen Probleme der Eurozone will sich die EZB Stabilitätsluxus auch zukünftig nicht mehr leisten. Weiterhin ermöglicht sie schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme der Euro-Länder zu angenehmen Konditionen. Mit dieser sozialpolitischen „Staatsfinanzierung“ soll nicht zuletzt ein Euro-kritisches Wahlergebnis bei der Europawahl im Mai 2019 vereitelt werden. Konkret bleibt die Liquiditätsausstattung trotz Ende der Anleihekäufe auf Rekordniveau. Und die gekappten Inflationsprognosen der EZB bieten für die nächsten drei Jahre weder Aussichten auf Liquiditätsverknappung noch nennenswert steigende Notenbankzinsen. Den Preis der unendlichen Euro-Rettung zahlen die Sparer mit fortgesetzt diätösen Anlagezinsen.
Die gegenwärtige Konjunkturdelle verschafft der EZB Gelegenheit für viel geldpolitische Zurückhaltung. Sie hat ihre Wachstumsaussichten für die Eurozone gesenkt: 2018 1,9 statt 2,0 Prozent; 2019 1,7 statt 1,8; 2020 1,7 sowie 2021 1,5 Prozent. Notenbankpräsident Draghi betonte dabei vor allem die Risiken des Handelskonflikts sowie Reibungsverluste durch den Brexit. Konkret hat er die verhaltene Investitionsneigung in der Eurozone im Blick, die durch eine lethargische Kreditvergabe an Unternehmen und Privathaushalte charakterisiert ist. Mit einem nur langsamen Erholungstrend ist sie noch weit von den Niveaus vor der Finanzkrise 2008 entfernt.
Eine wenn auch nicht offiziell angesprochene Rolle bei der zukünftigen geldpolitischen Ausrichtung spielt die Schuldenpolitik der Euro-Länder. Italien, aber auch Frankreich setzen die EZB unter Handlungsdruck, dem Aufwärtstrend von Anleiherenditen entgegenzuwirken.
Frankreichs Präsident Macron hat eine 180 Grad-Wende seiner Reformpolitik gemacht, um dem Protest der „Gelbwesten“, der sich zu einer wahren „französischen Revolution“ entwickeln könnte, Einhalt zu gebieten. Mit neuen Sozialausgaben und steuersenkender Politik wird das Haushaltsdefizit Frankreichs 2019 über drei Prozent liegen. Wenn jetzt auch Frankreich im Schmuddelanzug der Instabilität daherkommt, kann man von Italien nicht mehr den feinen Stabilitäts-Zwirn verlangen, das ja „nur“ etwas über zwei Prozent Defizit anstrebt. Da sich neben der Nr. 3 auch die Nr. 2 der Eurozone als Schuldensünder outet, wird der finanzpolitische Druck auf Brüssel, Instabilitätsgnade vor Stabilitätsrecht ergehen zu lassen, größer. Nicht zuletzt hat die EU dabei die Europawahl 2019 im Auge, die „stabilitätsverschreckte“ Wähler zu Euro- und EU-skeptischen Parteien treiben könnte. Im Extremfall wäre der Zusammenhalt des Währungsraums in Frage gestellt.
Jede neue Schuldenkrise wird die EZB verhindern. Den Blankoscheck dazu hat ihr das wegweisende Urteil des Europäischen Gerichtshofs in die Hände gegeben, wonach das Instrument Anleiheaufkäufe grundsätzlich gesetzeskonform ist und insofern fest zu ihrem geldpolitischen Mandat gehört. Zwar hat die EZB kürzlich auf ihrer Sitzung beschlossen, die seit März 2015 laufenden und 2,6 Mrd. Euro schweren Anleiheaufkäufe zu beenden. Doch kann sie gemäß höchstrichterlichem Geheiß im Bedarfsfall den Schuldenstaaten erneut die zwei elementaren Probleme einer jeden Schuldenaufnahme abnehmen: Mit Käufen drückt sie die Zinslast und beseitigt gleichzeitig das Absatzproblem neuer Staatsschulden. Das ist nichts Anderes als monetäre Staatsfinanzierung.
Bei näherer Betrachtung ist die Einstellung des Anleiheaufkaufprogramms kaum restriktiv, da das Rekordniveau an Liquidität durch Wiederanlage fällig werdender Staatspapiere über den Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung hinaus und damit längerfristig erhalten bleibt. Ohnehin kann die EZB jederzeit die Liquiditätsoffensive mit anderen Instrumenten wie der erneuten Zurverfügungstellung von Langfristkrediten an Banken sozusagen „über Bande spielend“ fortsetzen. Diese Finanzmittel könnten die Banken wie bereits nach den Liquiditätsspritzen 2014 und 2016 zum Kauf von Staatsanleihen nutzen. Sobald sich nämlich zeigt, dass Italien nicht von einer Schuldenkrise heimgesucht wird oder gar von der Euro-Fahne geht, gibt es für unter Anlagenotstand leidende Anleiheinvestoren auch keinen Grund, sich die hohen italienischen Renditen entgehen zu lassen. Dem Renditeerhöhungsdruck für Staatsanleihen der Eurozone - auch aus Italien - wäre so oder so wirksam vorgebeugt. Zinsanlagen als Alternative zu Aktien bleiben unattraktiv.
Ab sofort hängt die Reinvestierung fällig werdender Anleihen also von der Leitzinsfrage ab. Die Leitzinsen will die EZB mindestens bis über den Sommer 2019 auf dem aktuellen Niveau belassen und auf jeden Fall so lange wie nötig.
In der Tat kann sich die EZB Zeit lassen. Nachdem sich die Ängste vor einer Unterversorgung beruhigt haben, hat die Drohkulisse für Preissteigerungen seitens Rohöl nachgelassen.
Ihre auf Eis liegenden Zinserhöhungserwartungen untermauert Draghi mit auch mittelfristig verhaltenen Inflationsprojektionen (2018 1,8 statt 1,7, 2019 1,6 statt 1,7 und 2020 1,7 Prozent sowie 2021 1,8 Prozent). Die EZB hält damit ihr Inflationsziel von zwei Prozent selbst im Jahr 2021 für nicht erreichbar. Tatsächlich scheint der Preisdruck in der Eurozone im Oktober seinen Zenit überschritten zu haben, was rückläufige Inflationserwartungen unterstreichen. Und wo kein Inflations-Richter, da kein Zinserhöhungs-Henker.
Die Brexit-Frage befindet sich aktuell zwischen Baum und Borke. Das von Premierministerin May nur knapp überstandene Misstrauensvotum zeigt, dass ihr Brexit-Deal selbst in der eigenen Partei nur unter argen politischen Zugeständnissen - Verzicht auf eine weitere Amtszeit Mays ab 2022 - Unterstützung findet. Da die EU den Briten in weiteren Verhandlungen nur kosmetische Verbesserungen anbieten wird, ist bei der bis spätestens 21. Januar 2019 stattfindenden Parlamentsabstimmung zwar eine klare Ablehnung des Brexit-Abkommens zu erwarten.
Allerdings hat das Parlament deutlich gemacht, dass es einen EU-Austritt ohne ein Austrittsabkommen nicht zulassen will. Man fürchtet die wirtschaftlich fatalen Folgen eines No Deal-Brexit. Im Extremfall ist es durchaus möglich, dass die Abgeordneten ein paar Tage vor dem offiziellen Scheidungstermin am 29. März 2019 die Regierung zwingen, gemäß Artikel 50 des EU-Vertrags den Exit vom Brexit durchzuführen. Lieber kein Brexit als ein No Deal-Brexit. Unter der Bedingung der Zustimmung der EU wäre ebenso eine Verlängerung des Verhandlungszeitraums möglich, der zu britischen Neuwahlen oder sogar einem zweiten Referendum führen könnte. Eine wie auch immer zustande kommende (Behelfs-)Lösung, die die europäischen Kollateralschäden zumindest zeitlich nach hinten schiebt, würde die Aktienmarktstimmung drüben in Großbritannien, aber auch hüben in Europa aufhellen.
Die Drohungen von Präsident Trump, einen vom US-Kongress abgesegneten Übergangshaushalt zu blockieren und einen government shutdown für den Bau der von ihm geforderten US-mexikanischen Grenzmauer zu riskieren, wird an den Märkten bislang ignoriert. Wie bereits nach dem kurzen shutdown im Januar dieses Jahres wird nach einer öffentlich theatralischen Auseinandersetzung erwartet, dass sich Republikaner und Demokraten bis 21. Dezember oder kurz danach auf einen neuen Budgetplan für 2019 einigen.
Zwischenzeitlich sorgen versöhnlichere Töne im US-chinesischen Handelsstreit für konjunkturelle Entspannung. Der Anstieg der Konjunkturerwartungen laut ZEW im Dezember spiegelt diese aufkeimende Hoffnung wider. Eine Fortsetzung kommt den Aktienmärkten der Exportländer zugute.
Konkret deutet China neben Zollrücknahmen für Autoimporte aus den USA von 40 auf 15 Prozent und dem wieder aufgenommenen Import von US-Sojabohnen eine Verwässerung seiner „Made in China 2025“-Politik an: Um Trumps Forderungen nach freiem und fairem Wettbewerb nachzukommen, sollen die bislang geplanten, im Zeitablauf ansteigende Marktanteile chinesischer Unternehmen im High-Tech-Sektor aufgegeben werden. Mit High-Tech-America will China in friedlicher Koexistenz leben, statt dominierend auftreten. Von der Perspektive einer verbesserten Marktstellung ausländischer Unternehmen in China profitieren schließlich auch US-Firmen. Der Weg für eine einvernehmliche Beilegung des Handelskonflikts im nächsten Jahr scheint geebnet.
Immerhin liegt der Anteil der Optimisten am US-Aktienmarkt abzüglich des Anteils der Pessimisten mittlerweile unterhalb der ersten Standardabweichung und signalisiert als Kontraindikator daher ein allmähliches Ende des Ausverkaufs.
Auch wenn die Normalisierung der Investitionsquote bei US-Fondsmanager voranschreitet, liegt diese noch immer auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Für Überzeugungskäufe ist es noch zu früh. Eine weitere Verbesserung der politischen Großwetterlage bleibt Bringschuld. Langfristig orientierte Anleger können sich aber durchaus mit vorsichtigen Käufen an den Markt zurücktasten, um bei politischen und fundamentalen Lichtblicken dem Aktienmarkt nicht hinterherlaufen zu müssen.
Charttechnisch liegen bei 10.757 und 10.586 Punkten die nächsten Unterstützungen. Werden diese unterschritten, befinden sich die nächsten Kursziele bei 10.403 und 10.100. Eine Gegenbewegung trifft bei 11.177 und knapp darüber bei 11.206 auf erste Widerstände. Können diese überschritten werden, trägt die Erholung bis zu den Barrieren bei 11.316 und 11.519. Für eine nachhaltige Aufhellung müssen allerdings die Marken bei 11.696 und 11.800 Punkten zurückerobert werden. Immerhin hat der DAX bereits den Bärenmarkt verlassen.
Die Bank of Japan hält mit Blick auf die verhaltenen Inflationsdaten perspektivisch auch für 2019 an ihrer extrem lockeren Geldpolitik fest.
In den USA können die Auftragseingänge langlebiger Güter ihre vormonatliche Schwäche nicht vollständig ausgleichen. Auch der US-Immobiliensektor zeigt sich gemäß Baubeginnen und -genehmigungen wenig dynamisch. Immerhin zeigt sich das Konsumentenvertrauen der University of Michigan stabil. Vor diesem Hintergrund wird die Fed den US-Notenbankzins zwar zum neunten Mal anheben, gleichzeitig aber auf deutlich entspanntere Zinsperspektiven verweisen, die auch ein Ende des Zinserhöhungszyklus bedeuten können.
In der Eurozone unterstreichen die finalen Daten für November den sich abschwächenden Preissteigerungstrend. In Deutschland signalisieren schwache ifo Geschäftsdaten die anhaltende Moll-Stimmung vor allem im Verarbeitenden Gewerbe. Allerdings verhindert laut GfK Konsumklimaindex die robuste Binnenwirtschaft als tragende Konjunktursäule eine Rezession in Deutschland.