Auch zwei Wochen vor dem offiziellen Scheidungstermin Großbritanniens von der EU am 29. März ist das Risiko eines No Deal-Brexit noch nicht abgewendet. Nachdem das Londoner Parlament Premierministerin Mays Brexit-Deal zum zweiten Mal und ein Ausscheiden aus der EU ohne Abkommen abgelehnt haben, haben die Abgeordneten jetzt eine Verlängerung des Austrittsdatums nach Artikel 50 des EU-Rechts beantragt. Die Frage ist wie lange und mit welcher Begründung. Denn die EU will keine inhaltsleere Problemvertagung. Ein finaler Show Down ist noch nicht abzusehen.
Nach einem beispiellosen Abstimmungsmarathon sprechen sich die britischen Abgeordneten für eine Verlängerung der Austrittsfrist über den 29. März hinaus aus. Fraglich ist, unter welchen Bedingungen eine Fristverlängerung zustande kommt und welche Laufzeit sie haben wird. Nachdem die EU Großbritannien bereits im Rahmen des ursprünglichen Brexit-Deals weit entgegengekommen ist, würde sie bei einer inhaltsleeren Verlängerung massiv an Glaubwürdigkeit einbüßen und in anderen EU-Ländern womöglich schlafende Austritts-Hunde wecken. Zwar hat die EU den Briten zuletzt weitere Zugeständnisse in der Irland/Nordirland-Frage in Form eines „rechtlich verbindlichen Instruments“ gemacht. So soll Großbritannien auch bei Nicht-Lösung der Grenzfrage dennoch nicht auf unabsehbare Zeit und ohne jegliches Mitbestimmungsrecht in der EU gefangen bleiben. Doch ist diese Maßnahme als präventive Reinwaschung der EU von späterer Schuld zu betrachten. Im Falle eines No Deal-Brexit will sich Brüssel nicht den Vorwurf machen lassen, nicht alles versucht zu haben, um eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Mit einer Fristverlängerung zunächst bis zum 30. Juni kann Premierministerin May jetzt den konservativen Abgeordneten - insbesondere den Brexit-Anhängern - die Pistole auf die Brust setzen, bei einer dritten Abstimmung bis spätestens 20. März doch noch für ihren bislang unbeliebten Brexit-Deal zu stimmen.
Ansonsten droht eine lange Brexit-Verschleppung, die zur Folge haben könnte, dass Großbritannien zum Ärger der Europa-unfreundlichen Brexit-Anhänger an der Europawahl teilnehmen müsste. Vor allem aber steigt die Gefahr, dass eine ausgedehnte Fristverlängerung ohne Einigung zwischen der EU und Großbritannien einen Exit vom Brexit zur Folge haben könnte. Dann bliebe Großbritannien zum Schrecken der Brexit-Anhänger schließlich doch noch in der EU.
Diese Perspektive dürfte den einen oder anderen Brexit-Befürworter im Parlament durchaus zum Umdenken bewegen, lieber den May-Deal als gar keinen Austritt zu akzeptieren. Dann müsste man sich unbequemen Fragen in seinem Europa-unfreundlichen Wahlkreis stellen und eventuell um die Wiederwahl fürchten.
Tatsächlich scheint der Widerstand gemäß den bisherigen Abstimmungsergebnissen zu Mays Brexit-Deal - erste Abstimmung vom 15. Januar: 432 Gegenstimmen zu 202 Ja-Stimmen; zweite Abstimmung vom 12. März: 391 zu 242 - zu bröckeln.
Würde der Brexit-Deal vom Parlament schließlich abgesegnet, würde die EU einer Brexit-Verschiebung auf ihrem Gipfel am 21./22. März ohne Zweifel zustimmen. Immerhin käme es zu einem geordneten Brexit und die schlimmsten wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen in der EU wären verhindert.
Wird Mays Deal ein drittes Mal vom Parlament abgelehnt, wird es wohl angesichts einer parlamentarischen No Deal-Ablehnung zu einer längeren Fristverlängerung von 12 bis 18 Monaten kommen. Grundsätzlich hat die EU Interesse an einem Übereinkommen, benötigt aber eine gesichtswahrende Begründung.
Nach dreimaliger Abstimmungsniederlage sollte Frau May allein schon aus politischer Hygiene zurücktreten und damit den Weg für Neuwahlen freimachen. Das wäre die hinreichende Bedingung für die EU-Staaten, einer ausgedehnten Fristverlängerung des Austritts zuzustimmen. Hierbei denkt die EU auch strategisch. Sie setzt bei den Briten auf den Faktor Einsicht. Denn mit einer langen Fristverlängerung würde ebenso die Brexit-Unsicherheit steigen. Die damit verbundenen wirtschaftlichen Eintrübungen mit nachgebenden Immobilien- und Wertpapierpreisen sowie Unternehmensinvestitionen, mehr Arbeitslosen und steigender Inflation bei gleichzeitig immer kritischerer medialer Berichterstattung würden die Forderung nach Neuwahlen und/oder einem zweiten Brexit-Referendum immer lauter werden lassen. Eine zweite Abstimmung hat das Londoner Parlament zwar klar abgelehnt. Doch im Zeitablauf könnte die Kraft des wirtschaftlich Faktischen zu einem anderen Ergebnis führen. Bei einer Neubefragung - so die Hoffnung der EU - würden die Briten mehrheitlich ins Bremain-Lager wechseln. Das Thema Brexit wäre ad acta gelegt.
Sicherlich ist auch ein unkontrollierter No Deal-Brexit nicht auszuschließen. Sollte es hierzu kommen, kann und soll man Reisende nicht aufhalten. Schließlich hatten die Briten über zwei Jahre Zeit, um einen geordneten, klug durchdachten Rückzug aus der Europäischen Union vorzubereiten. Ein Stück weit ist jeder auch seines eigenen Glückes Schmied. Die Börsen wären von einem No Deal-Brexit sicher not amused. Aber nach ein paar wilden Tagen an der Börse wird man sich auch daran gewöhnt haben. Denn zumindest wäre die Unsicherheit beendet. Man hätte ein Ergebnis, den No Deal-Brexit.
Grundsätzlich jedoch wird eine vernünftige Lösung angesichts der rückläufigen Volatilität am britischen Aktienmarkt und beim Wechselkurs Pfund gegenüber Euro immer noch eingepreist.
Selbst wenn jetzt frühestens im April mit einem Gipfeltreffen zwischen Trump und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping zur Unterzeichnung eines Handelsabkommens zu rechnen ist, sind die Signale dennoch insgesamt weiterhin positiv. Für Optimismus sorgen Aussagen des chinesischen Notenbank-Chefs Yi Gang, wonach die USA und China kurz vor dem Abschluss eines Währungsabkommens stehen. Demnach will sich China zu einer transparenten Währungspolitik bekennen und von künstlichen Abwertungen des Renminbi zur eigenen Export-Unterstützung absehen, auch nicht zur Kompensation von weniger günstigen Handelsbedingungen mit den USA.
Allerdings ist nicht auszuschließen, dass Anleger die guten Nachrichten für Gewinnmitnahmen an den Aktienmärkten nutzen. Insofern ist zunächst mit einer erhöhten Volatilität zu rechnen, die sich im Rahmen einer anschließenden weltkonjunkturellen Stimmungsaufhellung, damit einhergehenden fundamentalen Aufwärtsrevisionen bei Unternehmensgewinnen mit wieder ansteigenden Aktienkursen beruhigt.
Ohnehin bleibt die weltweit freizügige Geldpolitik des Anlegers bester Freund. Neben abebbender Zinsangst droht auch liquiditätsseitig kein Ungemach. Da die Fed ihren Liquiditätsabzug Ende des Jahres beenden will, die EZB ihre rekordhohe Liquiditätsausstattung mindestens beibehält und ein Ende der Liquiditätsschwemme der Bank of Japan ohnehin nicht in Sicht ist, bleibt das geldpolitische Sicherheitsnetz für die Aktienmärkte engmaschig gespannt.
Auf Sentimentebene hielt die Ernüchterung nach den Gewinnmitnahmen an den Aktienmärkten der Vorwoche nur kurz. Auch wenn sich Langfrist-Investoren gemessen an der neutralen Investitionsquote unter US-Fondsmanagern noch vorsichtig verhalten, nutzten insbesondere institutionelle Anleger die kurzfristig fallenden Kurse für eine Verstärkung ihrer bullischen Positionierung an den Terminmärkten. Mehr Risikofreude signalisiert auch der von der Citigroup veröffentlichte Macro Risk Index mit einem aktuellen Indexwert von rund 0,32. Indexwerte von größer als 0,5 deuten auf zunehmende Risikoabneigung und Werte kleiner als 0,5 auf steigende -freude hin.
Auf der Oberseite trifft eine Erholung zunächst bei 11.696 Punkten auf ersten Widerstand. Kann dieser überschritten werden, sind Kursgewinne bis zu den Barrieren bei 11.848, 11.999 und schließlich 12.072 möglich. Bei erneuten Kursrücksetzern findet der DAX zunächst an der Marke bei 11.500 Halt. Darunter befinden sich die nächsten Unterstützungen bei 11.442, 11.371 und 11.309 Punkten.
Auf politischer Ebene werden die EU-Staaten auf dem EU-Gipfel am 21. März einer wie auch immer gearteten Fristverlängerung in puncto Brexit zustimmen und damit zunächst Brisanz aus den Aktienmärkten nehmen.
In Japan manifestiert sich die Konjunkturflaute in erneuten Exportrückgängen, während der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe eine Schrumpfung der Industrietätigkeit anzeigt. Damit verstärkt sich der Desinflationstrend, so dass kein Ende der ultralockeren japanischen Geldpolitik in Sicht ist.
In den USA signalisieren stagnierende Industrieaufträge einen konjunkturellen Fehlstart in das Jahr und auch der Einkaufsmanagerindex der Philadelphia Fed deutet auf anhaltenden Gegenwind hin. So wird die US-Notenbank ihren Leitzins auf ihrer Sitzung unter Verweis auf leicht gesenkte Konjunktur- und Inflationsprognosen nicht erhöhen und sich auch zukünftig von der zinspolitisch „geduldigen“ Seite zeigen.
In der Eurozone bleibt die Industriestimmung laut Einkaufsmanagerindex angeschlagen, während das Pendant für den Dienstleistungssektor immerhin auf Stabilisierung hindeutet. In Deutschland setzen die unter Finanzanalysten ermittelten ZEW Konjunkturerwartungen ihren zaghaften Stabilisierungstrend fort.