Deutschlands Konjunktur betritt gemäß der deutlich angehobenen Wachstumsprognosen der „Wirtschaftsweisen“ (2017 2,0 nach zuvor 1,4 und 2018 2,2 anstatt 1,6 Prozent) die „Boomphase“. Hintergrund ist, dass es der Weltwirtschaft so gut geht wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Dieses aufgehellte Bild spiegelt sich ebenso in global dynamischen Unternehmensgewinnen und entspannt damit gleichzeitig die ambitionierten Aktienbewertungen und Ängste vor starken Kurseinbrüchen oder gar einem Crash. Könnten aber die Spannungen im Nahen Osten einen neuen Risikofaktor etablieren? Droht eine neue Öl-Krise, die aus der Aktieneuphorie eine -krise macht? Zwischenzeitliche Gewinnmitnahmen sind als grundsätzlich gesund anzusehen.
In der Eurozone hat das Wirtschaftsklima laut ifo Institut einen neuen Höchstwert erreicht: Setzt man die Einschätzung der Geschäftslage und -erwartungen für das IV. Quartal 2017 zueinander in Beziehung, hält sich die Euro-Wirtschaft vor allem angesichts der erneut aufgehellten Geschäftslage weiter in der konjunkturellen Zyklusphase „Boom“ auf. Dieses positive Konjunkturbild wird auch von den leicht rückläufigen Erwartungen wenig getrübt. Nach den langjährigen Leiden der Schuldenkrise profitiert die Eurozone vor allem von Nachholeffekten. Wegen chronischer Reformvernachlässigung in den meisten Euro-Staaten sollten diese Basiseffekte jedoch nicht mit nachhaltigem Wachstum verwechselt werden. Problematisch ist laut ifo Institut tatsächlich die fehlende Innovationskraft Europas.
Zwar kann das Weltwirtschaftswachstum noch nicht an sein historisch hohes Niveau von vor der Finanzkrise 2008 anknüpfen. Immerhin hat der Welthandel aber seine Stagnationsphase hinter sich gelassen und zeigt eine im Trend deutliche Belebung. Selbst der anämische Preisindex für die Verschiffung von Hauptfrachtgütern - der sogenannte Baltic Dry Index - erholt sich langsam, aber stetig. Überhaupt hat der US-Handelsprotektionismus von Donald Trump gegenüber Japan, Südkorea & Co. eher viel mit Verbalerotik, aber weniger mit der Realität einer großen Bedrohung für die Weltwirtschaft zu tun. Denn während der Präsident den amerikanischen „Heimatschutzminister“ spielt, erledigt die personell gut aufgestellte zweite Reihe in Washington das wirtschaftspolitische Geschäft ordentlich und durchaus weltwirtschaftsfreundlich. Den US-Präsidenten sieht man zwar wie eine Galionsfigur am Bug eines Schiffes zuerst. Doch das Schiff an sich gibt die Richtung vor.
Der Einkaufsmanagerindex für das globale Verarbeitende Gewerbe ist mit 53,5 auf den höchsten Stand seit Frühjahr 2011 gestiegen und bewegt sich eindeutig im Expansion anzeigenden Bereich. Im Einklang damit steht ein ansprechendes weltweites Gewinnwachstum. Die fundamentale Aufhellung des Aktien-Klimas ist unverkennbar.
Die Wiedererstarkung der Weltwirtschaft nach kurzer sommerlicher Schwächephase - der Economic Surprise Index der Citigroup misst positive sowie negative Abweichung tatsächlicher Konjunkturdaten von den Vorabschätzungen der Analysten und liegt klar in Überraschungs-Terrain - offenbart sich ebenso in einer Preisbefestigung an den globalen Rohstoffmärkten.
Insbesondere Rohöl als leader of the commodity gang erhält zusätzlichen Preisauftrieb von der jüngsten Konfliktverschärfung zwischen den Erzfeinden Saudi-Arabien und Iran um die Vorherrschaft im Nahen Osten. Krisenschürend ist auch, dass US-Präsident Trump den verbündeten Saudis Carte Blanche erteilt hat. Daneben sorgt die politische Säuberungswelle im politisch grundsätzlich stabilen Saudi-Arabien für preissteigernde Irritationen. Insgesamt hat sich seit Juli ein eindeutiger Aufwärtstrend etabliert, der zu ansteigenden spekulativen Netto-Long-Positionen am Terminmarkt - die Hausse nährt die Hausse - geradezu einlädt.
Allerdings hat sich damit gleichzeitig erhebliches Korrekturpotenzial aufgebaut, das seine Wirkung entfaltet, sobald sich die politische Lage beruhigt.
Rein fundamental halten sich die Argumente für wieder steigende Ölpreise arg in Grenzen. Selbst eine Fortsetzung der Angebotskürzungen auf dem Treffen der Opec am 30. November über März 2018 hinaus reicht nicht aus, den Ölmarkt nachhaltig von seinem Angebotsüberschuss zu befreien. Ohnehin verbieten sich umfangreiche Produktionssenkungen schon aus politischen Gründen. Sie würden angesichts der heutzutage grundsätzlich niedrigen Ölpreise die Staatseinnahmen zu sehr beschränken, auf die die Opec-Länder angesichts ihrer üppigen Transferleistungen an ihre Bürger dringend angewiesen sind. Auf diese soziale Beruhigungspille für die Bevölkerung will man nicht verzichten. Nicht umsonst hat man bislang sinkende Preis- durch steigende Mengeneffekte kompensiert.
Und überhaupt, in ihrem World Oil Outlook spricht die Opec von der immer effizienteren amerikanischen Technik der Schieferölproduktion, die auch zu Exportzwecken bis 2021 eine Produktionssteigerung um 56 Prozent vollziehen wird. Fracking wird also zu einem marktbestimmenden Faktor, zumal es immer globaler betrieben wird. Schon heute befriedigen die USA ihren Ölbedarf zu einem Drittel selbst.
Jede Förderkürzung bei konventionellem Opec-Öl, die zu einem Preisanstieg führt, wird von der US-Fracking-Industrie im Sinne einer margenträchtigen Ausweitung ihrer Produktion gnadenlos ausgenutzt, was den Ölpreis dann wieder fallen lässt. Zur Heraufbeschwörung einer Ölkrise wie 1973 und 1979 ist die Opec heutzutage nicht mehr in der Lage. Öl bleibt grundsätzlich günstig. Diese veränderten Zeichen der Öl-Zeit hat Saudi-Arabien längst erkannt und investiert dramatisch in alternative Anlageobjekte.
Nicht zuletzt ist vor diesem Hintergrund nicht mit einer nachhaltigen Inflationsbeschleunigung zu rechnen. Die Notenbanken stehen unter keinem zinspolitischen Zugzwang.
Eine gewisse Müdigkeit bei Technologie-Aktien ist durchaus zu beobachten. Ohne Zweifel ist ihr Bewertungsniveau ambitioniert. Dabei ist die Bewertung von Tech-Unternehmen aus der Eurozone im Durchschnitt noch höher als die der US-Konkurrenz, also den eigentlichen Digitalisierungs-Champions.
Grundsätzlich sollte man High Tech-Aktien von heute nicht auf eine Stufe mit Titeln der Dotcom-Blase setzen, denen zu oft die Substanz fehlte. Heute sind viele von ihnen hoch ertragreich. Aber auch hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Das Schicksal von Nokia zeigt, dass es dringend erforderlich ist, eine bestehende starke Marktposition aufrechtzuerhalten: Können die heutigen Überflieger die Aktienanleger davon überzeugen, in puncto Innovation und Verbreiterung ihres Know Hows in der Digitalisierung oder Social Media auch morgen noch Marktführer zu sein, wird es keine Unternehmenszusammenbrüche geben.
Die Zuversicht, dass die amerikanischen High Tech-Konzerne diese Herausforderung im Vergleich zur Konkurrenz aus der Eurozone bestehen, ist durchaus gerechtfertigt. U.a. setzt Alphabet - Mutterkonzern von Google - auch in diesem Jahr die Positiventwicklung bei Online-Werbung fort. Der E-Commerce-Riese Amazon erschließt durch Übernahmen den Lebensmittelmarkt und auch Microsoft entfernt sich dank seiner Cloud-Technologien vom eingestaubten Image des reinen Software-Herstellers. Diese Perspektiven kommen in einer klaren Outperformance von US-Technologieaktien zu denen der Eurozone zum Ausdruck, die seit Jahresbeginn durch eine ebenso eindeutige Gewinnerholung pro High-Tech Made in America untermauert wird.
Aktuelle Gewinnmitnahmen bei Aktien wegen des Konfliktes im Nahen Osten und einer kontroversen Debatte um die US-Steuersenkung sind als reinigendes Gewitter zu sehen, nicht als Beginn einer großen nachhaltigen Korrektur. Denn die fundamentalen und geldpolitischen Rahmendaten sind intakt.
Bei Betrachtung des Anteils der Optimisten am US-Aktienmarkt abzüglich des Anteils der Pessimisten liegt dieser im überhitzten Bereich und deutet als Kontraindikator auf Konsolidierungsbedarf hin.
Beim von der Citigroup veröffentlichten Macro Risk Index deuten Indexwerte von kleiner als 0,5 auf Risikofreude und Werte größer als 0,5 auf zunehmende Risikoabneigung hin. Der aktuelle Indexwert von ca. 0,3 legt eine gesunde Aktienkonsolidierung insbesondere bei High Tech nahe.
Charttechnisch verlaufen beim DAX auf dem Weg nach oben die ersten Barrieren bei 13.187, 13.229, 13.342 und 13.431 Punkten. Die nächsten Widerstände folgen bei 13.489, 13.505 und am bisherigen Allzeithoch bei 13.526. Im Falle von weiteren Kursrücksetzern verläuft eine erste Unterstützung bei 13.145. Bei Unterschreitung ist mit Kursverlusten bis zur Unterstützung bei 13.064 und schließlich 12.969, 12.952 und 12.921 Punkten zu rechnen.
In China vermitteln die Daten zu Einzelhandelsumsätzen und Industrieproduktion im Oktober ein insgesamt stabiles Konjunkturbild. In Japan liefern etwas schwächere BIP-Zahlen der Bank of Japan für das III. Quartal ein passendes Alibi, um die beispiellos lockere Liquiditätspolitik beizubehalten.
In den USA sind zwar blutarme Baubeginne und -genehmigungen zu erwarten. Daten zur Industrieproduktion und der Einkaufsmanagerindex der Philadelphia Fed für die Industrie zeichnen aber ein stabiles Konjunkturbild. Die Inflationszahlen dürften nah am Zielwert der Fed von zwei Prozent verharren, so dass sie Argumente für eine US-Zinserhöhung im Dezember liefern.
In der Eurozone hingegen erzeugen die finalen Inflationszahlen für Oktober keinen zinspolitischen Handlungsdruck bei der EZB.
In Deutschland unterstreichen die BIP-Zahlen für das III. Quartal die solide Konjunktursituation, die ebenso gemäß ZEW Konjunkturerwartungen vorläufig kein Ende findet.