Ist das die geistig-moralische Wende in der Geldpolitik? Immerhin reduziert die EZB ihre monatlichen Anleihekäufe ab Januar 2018 auf 30 statt bislang 60 Mrd. Euro. Da sie ihr Aufkaufprogramm jedoch von Ende Dezember 2017 bis mindestens September 2018 verlängert, wird den europäischen Finanzmärkten zusätzliche Liquidität zugeführt. Ohnehin behält sich die EZB vor, das Anleiheaufkaufprogramm im Bedarfsfall wieder auszuweiten. Mit Blick auf die prekäre Schuldensituation von Euro-Ländern und die latente Inflationsschwäche wird die EZB auch zukünftig keine Bundesbank-ähnliche Stabilitätspolitik verfolgen. Und über Zinserhöhungen wird sowieso erst 2019 nachgedacht. Damit droht Aktien kein Zinsschock. Weitere Unterstützung für Aktien kommt von der Weltkonjunktur, insbesondere den Schwellenländern.
Zwar signalisiert der Rückgang des Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor der Eurozone von 55,8 auf 54,9, dass die konjunkturellen Bäume nicht in den Himmel wachsen. Doch präsentiert sich die Lage im Verarbeitenden Gewerbe so stabil, dass für die EZB im Rahmen der kürzlichen Notenbanksitzung Handlungsbedarf bestand.
Das ursprünglich bis Ende des Jahres 2017 terminierte Anleiheprogramm der EZB geht bis mindestens September 2018 in die Verlängerung. Zwar wird das monatliche Aufkaufvolumen ab Januar 2018 auf dann 30 Mrd. Euro halbiert. In toto erwirbt die EZB jedoch zusätzlich 270 Mrd. Euro mehr Anleihen als bislang geplant.
EZB-Chef Draghi wird nicht müde, die Konjunkturrisiken zu betonen. So hat Italien seine Wirtschaftsleistung von vor dem Krisenjahr 2008 immer noch nicht erreicht. Und durch den Brexit sowie politische Risiken u.a. in Spanien sind weitere konjunkturelle Reibungsverluste einzukalkulieren.
Auch eine nachhaltige Inflationsbeschleunigung bleibt aus. Damit ist das Kernkriterium für eine restriktive Geldpolitik nicht erfüllt. Die Kerninflationsrate - ohne Berücksichtigung von Nahrungsmitteln und Energiepreisen - zeigt seit Ende 2013 einen Seitwärtstrend.
Im Gegensatz zu einer regelgebundenen Liquiditätspolitik der US-Notenbank, präsentiert sich die EZB äußerst flexibel. Jede noch so kleine Erschütterung an den Rentenmärkten der überschuldeten Euro-Länder soll vermieden werden. Insofern verkündet die EZB trotz der reduzierten Anleihekäufe auch keinen festen Endzeitpunkt ihres Programms. Auch über September 2018 hinaus kann die EZB ein sehr aktiver „Renditemanipulateur“ bleiben.
Ohnehin betont Draghi, dass die EZB die Erlöse aus fälligen Anleihen weiterhin vollständig reinvestieren und selbst bei Einstellung ihrer Nettoaufkäufe der Bestand an von ihr gehaltenen Staatsanleihen nicht sinken wird.
Jeden Zinsschock verhindert Draghi auch mit der Aussage, dass die Leitzinsen auch nach einem Ende der Anleihekäufe noch für einen längeren Zeitraum auf dem gegenwärtigen Niveau bleiben.
Auch auf der aktuellen Pressekonferenz im Anschluss an die Notenbanksitzung fehlte nicht das sattsam bekannte geldpolitische Credo: Die EZB unterstrich erneut ausdrücklich ihren unbedingten Einsatzwillen, sollten sich die wirtschaftlichen Aussichten eintrüben oder die Finanzierungsbedingungen nicht mehr im Einklang mit einer steigenden Inflationsentwicklung stehen.
Insofern stellen schwache Alternativrenditen im Zinsvermögen weiterhin eine geldpolitische Lebensversicherung für Aktien dar: Angesichts des nachhaltigen Ausfalls von Zinsvermögen als attraktive Anlageklasse müssen Vermögensverwalter ihren Anlagenotstand auch zukünftig sachkapitalistisch befriedigen.
Hinter vorgehaltener Hand soll die Beibehaltung einer freizügigen Geldpolitik der EZB auch der Aufwertung des Euros gegenüber dem japanischen Yen Paroli bieten. Denn die Bank of Japan betreibt eine hemmungslos exportstimulierende Währungsabwertung durch Zinsdumping.
Selbst wenn die Emerging Markets nicht an frühere Wachstumsraten anknüpfen können, haben sie ihre Konjunkturdellen in 2015 und 2016 klar hinter sich gelassen. Auch dank erfolgreich umgesetzter Wirtschaftsreformen verzeichnet das Verarbeitende Gewerbe das höchste Stimmungsniveau seit vier Jahren.
Die stabilisierten Konjunkturperspektiven der Schwellenländer schlagen sich ebenso in einer stabilen Konsumnachfrage nieder. Der Binnenkonjunktur misst auch China hohe Bedeutung bei. So bekräftigte die KP in China auf ihrem 19. Parteitag ihre Absichten, das Land über die Förderung einer konsumstarken Mittelschicht auf einen stabilen Wachstumspfad zu führen. Nutznießer eines hieraus resultierenden Importsogs ist die exportsensitive deutsche Wirtschaft. Ihre Exporterwartungen liegen auf dem höchsten Stand seit 2011.
Die Wohlgesonnenheit der Anleger in puncto Schwellenländern zeigt sich ebenso in einer Aktien-Volatilität auf historisch sehr niedrigem Niveau.
Zwar gehört Brasiliens Aktienmarkt wegen abflauender Regierungskrise, Zinssenkungen und einer Stabilisierung von Industriemetallpreisen zu den absoluten Top-Performern der Schwellenländer. Insgesamt jedoch laufen die asiatischen den lateinamerikanischen Aktienmärkten den Rang ab. Große und konsumstarke Binnenmärkte auch in Indien und Indonesien sowie eine stetig wachsende Bedeutung asiatischer Unternehmen in Zukunftsbranchen wie Internet, Elektromobilität und Digitalisierung finden in Asien deutlich fruchtbareren Nährboden als in Südamerika.
Das derzeitige Gewinnwachstum der Unternehmen in den Schwellenländern stützt den fundamentalen Aktienaufschwung zusätzlich.
Nicht zuletzt sind Aktien der Schwellenländer im Vergleich zu den USA, Eurozone und Deutschland mit deutlich niedrigerem Kurs-Gewinn-Verhältnis ausgestattet. Das verleiht ihnen grundsätzlich Nachholpotenzial.
An den Aktienmärkten treten politische Risiken wie die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens von Spanien in den Hintergrund.
Neben der freundlichen Geldpolitik spielt der Fundamentalismus eine immer größere Rolle an den Aktienmärkten. U.a. befindet sich der ifo Geschäftsklimaindex auf Rekordhoch. Und getragen von einer starken Entwicklung deutscher Maschinenbauer zeigen vor allem die ifo Geschäftserwartungen Optimismus.
Auch die stabil ausfallenden Ausblicke im Rahmen der Berichtsaison für das III. Quartal setzen die globale Aktien-Rallye auf kräftigere fundamentale Füße. Besonders die guten Daten des US-Baumaschinenherstellers Caterpillar - eine der typischen Weltkonjunktur-Aktien - spricht für eine breitere weltwirtschaftliche Festigung mit positiven Effekten auf die Gewinnsituation der Unternehmen.
Charttechnisch verläuft beim DAX auf dem Weg nach oben der nächste wichtige Widerstand bei 13.176 Punkten. Im Falle von Kursrücksetzern verlaufen erste Unterstützungen zunächst bei 13.095 und 13.064 Punkten. Darunter treten die Haltelinien bei 12.990, 12.969 sowie 12.952 und anschließend bei 12.921 Punkten in den Vordergrund. Werden diese unterschritten, nimmt der Index Kurs auf die Unterstützungen bei 12.909 und 12.894.
In China signalisieren sowohl die offiziellen als auch die vom Finanznachrichtendienst Caixin veröffentlichten Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende sowie den Dienstleistungssektor eine fortgesetzte Konjunkturstabilisierung. In Japan hält die Bank of Japan auf ihrer Notenbanksitzung an ihrer beispiellos lockeren Liquiditätspolitik fest.
In den USA zeigt sich die Konjunkturstimmung laut ISM Indices für das Verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor robust. Der US-Arbeitsmarkt kann seine vormonatliche Delle beim Stellenaufbau ausbeulen. Mit Blick auf die fehlende qualitative Verbesserung des US-Arbeitsmarkts wird sich die Fed auf ihrer Halloween-Sitzung Ende Oktober/Anfang November zurückhalten.
In der Eurozone fällt das BIP für das III. Quartal 2017 zwar stabil aus. Die erneut schwachen Inflationsschätzungen für Oktober bestätigen jedoch die EZB in ihrer fortgesetzten Liquiditätspolitik.