Trotz Lockdown-Verlängerungen, Virus-Mutationen und Rückschlägen beim Impfprocedere herrscht ein eindeutiger Konjunktur- und Aktienoptimismus. Bei einem gleichzeitigen Wiederanstieg der US-Staatsanleiherenditen gibt es durchaus Potenzial für zwischenzeitliche Aktienrücksetzer und erhöhte Kursschwankungen. Grundsätzlich jedoch wird sich die Finanzpolitik bei ihren weiteren schuldenfinanzierten Konjunkturprogrammen auf die anhaltende Hilfe der Geldpolitik verlassen können.
Die global heikle Infektionslage bremst die Weltwirtschaft aufgrund erneuter Lockdowns zunächst aus. Anhand von mobilen Daten der Google COVID-19 Community Mobility Reports liefert der „Corona Lockerungsindex“ Bewegungstrends im Einzelhandel, in Supermärkten, Apotheken und am Arbeitsplatz, anhand derer sich je nach Land wirtschaftliche Folgen der Eindämmungs- bzw. Lockerungsmaßnahmen erkennen lassen. In den großen Volkswirtschaften Europas ist ein vorübergehender Konjunkturrückfall wegen Lockdown-Verlängerungen unvermeidlich. Und auch in den USA ist es noch ein weiter Weg bis zu den Vorkrisen-Niveaus.
Tatsächlich verlaufen die Impfungen bisher noch schleppend und lässt das technische Impfprocedere bislang an Gründlichkeit zu wünschen übrig. Dennoch ist eine erneute Schockstarre wie ab März 2020 nicht zu erwarten. Weitere Impfstoffzulassungen und hochfahrende Produktionskapazitäten nähren zunehmend die Hoffnung auf eine Herdenimmunität im zweiten Halbjahr 2021. Dann greifen erhebliche Nachholeffekte bei Investitionen und Konsumausgaben und legen eine W-förmige Wirtschaftsentwicklung nahe. Weitere Konjunkturprogramme z.B. der Bundesregierung im Super-Wahljahr 2021 und in Italien, das Investitionen von rund 223 Mrd. Euro plant, werden der Wirtschaft auf die Sprünge helfen. Insgesamt hellen sich die von der Investment-Beratungsfirma Sentix ermittelten Konjunkturerwartungen für die kommenden sechs Monate über alle Weltregionen hinweg weiter massiv auf. Spitzenreiter sind die Schwellenländern Asiens mit Schwerpunkt China.
In den USA verfügen die Demokraten zukünftig in allen regierungsrelevanten Institutionen über eine Mehrheit, so dass nach offiziellem Amtsantritt von Joe Biden am 20. Januar zügig mit weiteren massiven Corona-Hilfen für die US-Wirtschaft über 1,9 Billion US-Dollar zu rechnen ist. Konkret plant Biden einen „amerikanischen Rettungsplan“ mit klarem Fokus auf Konsumstabilisierung. Angesichts der schwächelnden US-Arbeitsmarkterholung - im Dezember kam es erstmals seit der Corona-Hochphase im April zu Stellenstreichungen - ist neben einer Aufstockung der bereits beschlossenen Geldtransfers von 600 auf bis zu 2.000 US-Dollar für Berechtigte u.a. auch eine Erhöhung und Verlängerung der Arbeitslosenunterstützung von 300 auf 400 US-Dollar pro Woche von März bis September 2021 zu erwarten.
Umfangreiche Infrastrukturinvestitionen in Klima- und Umweltschutz werden später noch dazukommen und zusätzliche Konjunkturwirkung entfalten.
Anziehenden Konjunkturoptimismus dokumentiert jetzt ebenso der Ölpreis, der unterstützt von der Einigung der OPEC+ (mit Russland) auf niedrigere Ölfördermengen bis Ende März einen fulminanten Jahresstart verzeichnet und somit steigende Inflationserwartungen begünstigt.
Auch Kupfer profitiert als besonders zyklisches Industriemetall anhaltend von der erwarteten Weltkonjunkturerholung, während Gold aufgrund der sich beruhigenden geo- und handelspolitischen Risiken einstweilen weniger Anklang findet. Historisch war ein deutlich gestiegenes Verhältnis von Kupfer zu Gold regelmäßig ein verlässlicher Frühindikator für einen klaren Renditeanstieg bei US-Staatsanleihen. Tatsächlich haben sich die Renditen bereits von ihren Tiefständen Ende Juli erholt und notieren wieder auf vor-coronalem Niveau.
Besteht wirklich die Gefahr, dass Zinsanstiege ein Niveau erreichen, das den Aktienmärkten ihr langjähriges Argument der Alternativlosigkeit wegnimmt? Nein, denn die Notenbanken wissen, dass der Finanzwelt ohne ihre zinsdrückende Funktion im Extremfall die ultimative Schuldenkrise droht. Theoretische geldpolitische Planspiele, die Stabilitätsorientierung dokumentieren sollen, können gegen die Kraft des Faktischen nicht bestehen. So betonte US-Fed-Chef Powell zuletzt, dass die ultralockere Geldpolitik noch für lange Zeit anhalten werde. An eine Abkehr sei nicht zu denken, bevor die Arbeit „gut und wirklich“ erledigt sei. Dabei sei es selbst bei einem Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte noch „ein weiter Weg“ bis dahin. Ohnehin sieht die Fed keine großen Inflationsgefahren.
Ohnehin hat die Fed die Dollar-Aufwertung kritisch im Blick, die bei Fortsetzung die Exportwirtschaft und damit die amerikanische Konjunkturerholung schädigen würde.
Bei der EZB hat Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel zuletzt deutlich gemacht, dass kurzfristige Inflationsanstiege keinen Einfluss auf die freizügige Geldpolitik haben werden. Für Vertreter der EZB ist das ein klarer Wink mit dem Zaunpfahl. Nicht zuletzt soll die EZB den grünen Umbau der Wirtschaft finanzieren.
Zinsseitig hat sich die Eurozone ohnehin von den USA abgekoppelt. Die Rendite deutscher Staatspapiere folgt - entgegen eines historisch typischen langjährigen Gleichlaufs - nicht dem amerikanischen Trend.
Insgesamt geht den Aktienmärkten ihr wichtigstes Argument, die Liquiditätshausse, nicht verloren.
Nachdem der DAX die 14.000 Punkte erklommen hatte, in den USA Allzeithochs erreicht wurden und sich auch die Kurse in Asien sehr robust zeigten, legen die Aktienmärkte zunächst eine Denkpause ein. Denn während deutsche Politiker wegen Virus-Mutationen eine Verlängerung des Lockdowns bis Ostern schon andeuten, sorgen erneute Virusausbrüche in China für Irritationen.
Wirklich Panik ist an den Aktienmärkten bislang dennoch nicht zu erkennen. Peking reagierte umgehend mit radikalen Maßnahmen wie großflächigen Abschottungen und Quarantänen. Chinas Konjunkturerholung, die nächste Woche in den robusten BIP-Zahlen zum Ausdruck kommen dürfte, soll keinen nachhaltigen Schaden nehmen.
Zudem steht den Lockdown-Verschärfungen im Bedarfsfall weitere finanz- und geldpolitische Unterstützung gegenüber. Die Bank of Japan zeigt längst Bereitschaft zu weiteren klaren Lockerungen. Und die EZB wird anlässlich ihrer Sitzung in der kommenden Woche eine auch zukünftig anhaltende Üppigkeit betonen. Dafür sprechen nicht zuletzt die anhaltenden Euro-politischen Risiken, wie die brüchige Regierung in Italien zeigt. Grundsätzlich wird auch die EZB eingespannt, um Europa politisch zusammenzuhalten.
Positive Impulse sind ebenso von der US-Berichtsaison für das Schlussquartal 2020 zu erwarten. Laut Zacks Investment Research stehen Gewinnrückgängen im Energie-, Transport- und Konsumsektor Positiventwicklungen in den Bereichen Bau, Automobil und Grundstoffe gegenüber. Im Fokus stehen insbesondere die Ausblicke für 2021, die auf die Konjunkturverbesserungen im zweiten Halbjahr hinweisen dürften.
Das rückt Industrietitel zunehmend in den Anlegerfokus. In diesem Kontext schreitet die Umsatznormalisierung des Baumaschinenherstellers Caterpillar als typische Weltkonjunktur-Aktie allmählich voran.
Auch in Europa schlagen sich die Aktien aus der Industrie und der Chemie gut
Von dieser verbesserten fundamentalen Gemengelage profitiert nicht zuletzt das besonders konjunkturzyklische und exportorientierte Deutschland. Damit hat Deutschland sogar gute Chancen seine Underperformance zu Amerika zu beenden.
Insgesamt ist das Ende der Ertragsrezession eingeläutet. Die Gewinnrevisionen der Analysten für den Welt-Aktienmarkt erholen sich in der Tat weiter und folgen der robusten Industriestimmung. Dieses grundsätzlich aktienstabilisierende Bild dürften kommende Woche die Einkaufsmanagerindices für Industrie und Dienstleistungen in der Eurozone sowie den USA bestätigen.
Aus Sentimentsicht liegt der Anteil der Optimisten am US-Aktienmarkt abzüglich des Anteils der Pessimisten oberhalb der ersten Standardabweichung. Als Kontraindikator signalisiert er eine steigende Gefahr von Konsolidierungen durch Gewinnmitnahmen. Diesem Effekt würde auch der deutsche Aktienmarkt, der nach Erreichen seines Allzeithochs bereits viel Positives einpreist, nicht entkommen.
Rücksetzer sollten Anleger für Aktienaufstockung ihrer Positionen, gerade im konjunkturzyklischen Bereich nutzen. Im globalen Rendite-Wettkampf um Anleger sind die alternativen Chancen im Zinsbereich sowieso rar gesät. Der Anlagenotstand ist weiter hoch. Daher ist auch die Investitionsquote unter US-Fondsmanagern ungebrochen hoch.
Charttechnisch trifft der DAX bei fortgesetzter Stabilisierung an der Marke bei 14.000 Punkten auf ersten Widerstand. Bei Überwindung folgen die nächsten Barrieren bei 14.030 und 14.135. Kommt es zu Gewinnmitnahmen, trifft der DAX bei 13.878 auf eine erste Unterstützung. Weitere Haltelinien folgen bei 13.814, 13.622, 13.795, 13.735 und 13.552 Punkten.