Auf der EZB-Sitzung vom 25. Januar wurde „Alter Wein in neuen Schläuchen“ serviert. Marktspekulationen, wonach die Notenbank aufgrund von guten Konjunkturdaten in der Eurozone eine Straffung ihres geldpolitischen Kurses vorbereite, wollte die Notenbank nicht befeuern. Warum auch, denn der starke Euro, der importierte Inflation zurückhält, verleiht ihr dazu auch alle Entschuldigungen. Aussagen zur geldpolitischen Wende sind auf März vertagt. Und selbst dann wird die EZB den europäischen Aktienmärkten keine Steine in den Weg legen. Der Weg bleibt frei.
Die zinspolitisch relevante Feststellung Mario Draghis über positive Wachstumsüberraschungen entschärfte er sogleich mit seiner Aussage einer insgesamt unterdrückten Inflation, die selbst bei zu erwartenden Preissteigerungen keine geldpolitischen Einschnitte verträgt. Das Ende der Deflation ist noch lange nicht der leidenschaftliche Anfang von Inflation. Denn Globalisierung und kostensenkende Digitalisierung, die dem Joberhalt Priorität vor mehr Gehalt einräumt, werden ihre lohnkostendrückende Wirkung erst noch entfalten. Ebenso haben strukturell niedrige Rohstoffpreise ihre historisch preistreibende Wirkung verloren.
Dies gilt umso mehr, als ein aktuell fester Euro die importierte Inflation von Rohstoffen zügelt und somit das Inflationsziel von zwei Prozent schwieriger erreichbar macht. Draghis indirekter Vorwurf der Wechselkursmanipulation in Richtung USA unterstreicht, wie unzufrieden die EZB mit der Euro-Aufwertung gegenüber US-Dollar ist.
Die EZB will eine Stärkung der gerade wieder zunehmenden Wachstumsdynamik in der Eurozone. Und dazu will die EZB auch einen exportfreundlich schwachen Euro. Der Wettbewerb über attraktive Wirtschaftsstandorte ist auch an der Währungsfront längst ausgebrochen.
Auf Änderungen am geldpolitischen Kurs der EZB müssen Anleger noch lange warten. Dies untermauert Draghi durch die Feststellung, dass Anleiheaufkäufe - falls erforderlich - ausgeweitet und/oder verlängert werden könnten. Überhaupt, vor der italienischen Nationalwahl am 4. März will sie nicht ohne Not Zinsirritationen und damit schlafende Euro-kritische Hunde wecken. Da übernimmt sie lieber vorerst weiter die Rolle des „Stiefelknechts“.
Eine veränderte Diktion der Geldpolitik der EZB ist erst auf ihrer nächsten Sitzung am 8. März zu erwarten. Bis dahin liefern die im Trend robusten Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende und Dienstleistungsgewerbe prinzipiell Potenzial für eine zukünftig weniger expansive Geldpolitik.
Ähnlich wie bei der Fed wird die Wende der EZB jedoch sehr behutsam eingeleitet, um die Finanzmärkte möglichst wenig zu verunsichern, die sich an die geldpolitische Vollpension gewöhnt haben. So könnte die EZB auf ihrer März-Sitzung zunächst die Notwendigkeit einer weiterhin ultralockeren Geldpolitik in Frage stellen und damit die Diskussion über ihren zukünftigen geldpolitischen Kurs anstoßen. Im Juni würde sie dann konkrete Änderungen vornehmen.
Nach der Sommerpause könnte die EZB anschließend das Anleiheaufkaufprogramm über September 2018 hinaus zwar verlängern, aber das Ankaufvolumen von monatlich 30 auf 15 Mrd. Euro reduzieren, bevor es im Frühjahr 2019 zu einer Beendigung der Liquiditätszufuhr kommt. Bei der Einschränkung von Anleihekäufen spielt jedoch auch das mittlerweile mangelnde aufkaufbare Material eine Rolle. Grundsätzlich wird es aber keinen Finanzmarkt schädlichen Netto-Liquiditätsabzug geben.
Draghi hat vorzeitige Leitzinserhöhungen noch in diesem Jahr förmlich ausgeschlossen und versichert, dass diese noch für lange Zeit nach dem Ende der Anleihekäufe auf aktuellem Niveau bleiben. Vor der zweiten Jahreshälfte 2019 sind Zinserhöhungen kein Thema. Zeitgleich mit der Erhöhung des negativen Einlagenzinses für Banken wird sie dann die erste Zinserhöhung vollziehen. Doch wird es die EZB vermeiden, dies als Beginn eines nachhaltigen Zinserhöhungszyklus darzustellen. Sie weiß um die strukturellen Defizite in der europäischen Wirtschaftspolitik, die von der aktuellen Happy Hour Scheunenbrand ähnlicher Basiseffekte verdeckt werden. Auch die Beibehaltung der Finanzierbarkeit der hohen Staatsverschuldung in vielen Euro-Staaten verhindert eine rigorose Zinserhöhungspolitik. Mittlerweile ist sogar Griechenland reformaktiver als Italien.
Mit Blick auf das europäische Zinsumfeld ist insofern nicht mit einer weiteren rasanten Aufwärtsbewegung des Euros zum US-Dollar zu rechnen. Die EZB ist sich der radikalen Standortverbesserungspolitik der USA bewusst, die hinter vorgehaltener Hand auch exportfreundliche Dollar-Schwäche beinhaltet. Und beginnt der Euro erst einmal zu schwächeln, kann sich das aktuelle „Overshooting“ des Euros auch schnell umkehren. Dies wäre ein Impulsgeber für exportsensitive deutsche Aktien, die dann ihre offenkundig der Euro-Schwäche geschuldete Underperformance gegenüber US-Titeln beenden dürften.
Insgesamt wird es zu keiner restriktiven Geldpolitik der EZB kommen, die die zunehmende fundamentale Substanz deutscher Aktien dank der boomenden Weltkonjunktur untergräbt. Die deutsche Industrie profitiert von einer Weltkonjunktur auf 7-Jahreshoch. Der Internationale Währungsfonds hat das Weltwirtschaftswachstum für 2018 und 2019 auf jeweils 3,9 nach zuvor 3,7 Prozent angehoben.
Dieses Bild bestätigt der ifo Geschäftsklimaindex, der nach dem leichten Dip im Vormonat wieder auf seinem Rekordniveau liegt. Die nachgebenden Geschäftserwartungen trüben das Bild nicht wirklich. Sie sind der zögerlichen Regierungsbildung und dem höheren Euro geschuldet. Diese Effekte werden sich jedoch auswachsen. Insgesamt befindet sich die deutsche Industrie stimmungsseitig weiterhin eindeutig in der Konjunkturphase „Boom“, wenn man ifo Geschäftslage und -erwartungen zueinander in Beziehung setzt.
Die Konjunkturzuversicht der deutschen Industrie schlägt sich konsequenterweise in einem aufwärtsgerichteten DAX nieder.
Unterstützung erhält die deutsche Wirtschaft von der Binnenkonjunktur, konkret einem ebenso auf Rekordstand liegenden GfK Konsumklimaindex, in dem sich auch die Anschaffungsneigung der Verbraucher und insbesondere positive Konjunkturerwartungen niederschlagen.
Die wieder auflebenden Befürchtungen über US-Handelsprotektionismus trafen zuletzt China und Südkorea, konkret ihre wenig technologisch anspruchsvolle Solaranlagen- und Haushaltsgeräteindustrie.
Dagegen trifft der handelspolitische Bannstrahl Amerikas mittelständische Unternehmen aus dem MDAX bzw. SDAX weniger. Schon aufgrund ihrer Führungsposition in industriellen Nischenmärkten - z.B. in puncto Digitalisierung - können sie sich unabhängiger von der (handels-)politischen Großwetterlage bewegen. Ohnehin orientieren sie sich auch verstärkt Richtung Asien. Und nicht zuletzt sind es attraktive Übernahmekandidaten, die auf weltweit hohe Investitionsbudgets von Technologie hungrigen (Staats-)Unternehmen treffen. Die im Trend relative Stärke von Titeln des MDAX und SDAX zum DAX wird sich fortsetzen.
Die Aktienmärkte zeigen sich robust. Die nur bis 8. Februar aufgeschobene Haushaltssperre in den USA wird lediglich als politisches Geplänkel betrachtet. Neben einer entspannten Geldpolitik spielt der Fundamentalismus angesichts robuster weltkonjunktureller Perspektiven eine immer wichtigere Rolle an den Aktienmärkten.
Auch die stabil ausfallenden Ausblicke im Rahmen der Berichtsaison für das IV. Quartal 2017 verleihen der globalen Aktien-Rallye mehr Substanz. Insbesondere die guten Daten des US-Baumaschinenherstellers Caterpillar - eine der typischen Weltkonjunktur-Aktien - untermauern die weltwirtschaftliche Festigung mit positiven Effekten auf die Gewinnsituation der Unternehmen und Entspannungseffekten bei Aktienbewertungen.
Charttechnisch stößt der DAX auf dem Weg nach oben auf die nächsten Widerstände bei 13.342, 13.402, 13.431, 13.526 und am bisherigen Allzeithoch bei 13.597 Punkten. Kommt es zu weiteren Gewinnmitnahmen, ist mit Kursverlusten jenseits der Unterstützung bei 13.325 zu rechnen.
Der MDAX stößt bei 27.078 Punkten auf ersten Widerstand. Darüber liegen weitere Barrieren bei 27.155 und 27.215, bevor der Index Kurs auf die Marke bei 27.522 nimmt. Auf der Unterseite stößt der Index bei 26.585 Punkten auf die nächste Unterstützung.
In China signalisieren die offiziellen Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende und Dienstleistungsgewerbe sowie das vom Finanznachrichtendienst Caixin veröffentlichte Pendant für die Industrie eine Fortsetzung der Konjunkturstabilisierung.
In den USA untermauert der ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe gemeinsam mit verbesserten Industrieaufträgen eine stabile US-Industrie. Auch fallen die quantitativen Daten vom US-Arbeitsmarkt wieder freundlicher aus, ohne dabei jedoch qualitativ auf inflationsbeschleunigenden Lohndruck hinzuweisen. Auf der letzten Sitzung unter der Leitung von Fed-Chefin Yellen dürfte sich die US-Notenbank insofern zurückhalten.
In der Eurozone weisen die BIP-Zahlen für das IV. Quartal 2017 zwar auf eine anhaltend stabile Konjunktursituation hin. Die Inflationsschätzungen im Januar bleiben jedoch mau.
In Deutschland unterstreichen die Einzelhandelsumsätze im Dezember die robuste Binnenwirtschaft.