Amerikas Wirtschaft ist trotz zwischenzeitlicher Eintrübungen recht stabil, Asien sendet unabhängig von China Erholungssignale und selbst die Eurozone zeigt wieder Puls. Das schlägt sich auch in einer Rallye bei Industriemetallen nieder. Doch wie nachhaltig ist sie?
Die Wirtschaft der Eurozone präsentiert sich zweigeteilt. Einerseits hält sich der Pessimismus in der Industrie immer noch hartnäckig. Andererseits sendet der Dienstleistungssektor Erholungssignale.
Doch zeichnet sich auch für die Industrie Entspannung ab. So bestätigt die große Mehrheit der Frühindikatoren die sich abzeichnende Verbesserung der weltwirtschaftlichen Lage. Hinzu kommt die ab Juni zu erwartende Zinswende der EZB, die der finanzierungintensiven Industrie unter die Arme greift.
Vor diesem Hintergrund nimmt ebenso der fundamentale Rückenwind für Euro-Aktien zu.
In den USA liegt der Optimismus amerikanischer Kleinunternehmen zwar auf dem niedrigsten Niveau seit 12 Jahren. Und sogar der Konsum als Triebfeder der Wirtschaft gerät allmählich ins Stottern. Trotzdem muss man sich um die US-Wirtschaft keine Sorgen machen. Dagegen spricht die deutliche Stimmungsaufhellung von US-Dienstleistern auf ein 12-Monats-Hoch. Und auch die US-Industrie zeigt wieder Stabilität. Gemäß GDPnow-Indikator der Fed von Atlanta dürfte sich das US-Wachstum im II. Quartal auf das Jahr hochgerechnet auf 3,6 Prozent beschleunigen.
Käme es wider Erwarten dennoch zu einer harten Konjunkturlandung, wird das die Fed zügig auf den Plan rufen. Ohnehin wollen die US-Banken laut Umfragen ihre angehobenen Kreditstandards wieder entschärfen, was dem Kreditwachstum als Treiber der US-Wirtschaft zugutekommt.
Dem siechenden Immobiliensektor als Hauptübel der Binnenkonjunktur wirkt die chinesische Regierung entgegen. Die Senkung der Mindestanzahlung für Wohnungskäufe und die Abschaffung des Mindest-Hypothekenzinses soll der privaten Immobiliennachfrage wieder Leben einhauchen. Zusätzlich machen Staatsunternehmen und Kommunalverwaltungen auf Geheiß der KP Jagd auf leerstehende Gewerbeimmobilien, um diese in bezahlbaren Wohnraum umzuwandeln.
Das von der People’s Bank of China hierfür bereit gestellte Refinanzierungsprogramm von umgerechnet rund 41,5 Mrd. US-Dollar mag zunächst nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein, um das tiefsitzende Immobilienproblem zu lösen. Schätzungen zufolge beläuft sich der Gesamtwert unverkaufter und unvollendeter Häuser auf umgerechnet rund vier Bio. US-Dollar. Man sieht, was inflexible Planwirtschaft anrichten kann. Mit chinesischen Immobilienaktien spekulieren Anleger allerdings bereits darauf, dass Peking erst am Anfang seiner Immobilienrettung steht.
Unabhängig von China hellen sich die Wachstumsaussichten in den Schwellenländern auf. In Asien und Südamerika wird auf Standortverbesserung und Innovationen gesetzt, gepaart mit viel positiver Wachstumspsychologie. Man fühlt sich an das frühere Deutschland erinnert.
Insgesamt verleiht die wieder Fahrt aufnehmende Weltkonjunktur den Industriemetallen spürbaren Aufwind. Sie notieren aktuell rund 20 Prozent höher als vor einem Jahr.
Auch zukünftig dürfen die dramatischen Nachfrageeffekte der internationalen Konjunkturprogramme nicht unterschätzt werden. Beispielsweise werden in den USA der „Inflation Reduction Act“ sowie das Infrastrukturgesetz zur Re-Industrialisierung ihre Wirkung nicht verfehlen.
Hinzu kommt die Energiewende, die große Mengen an Industriemetallen benötigt. Neben Aluminium oder Nickel steht hierbei insbesondere Kupfer als wichtigster Bestandteil u.a. für Windturbinen, Solarpanels und Batterien von Elektrofahrzeugen im Mittelpunkt. Ebenso treibt die akute Knappheit an Kupfererzkonzentrat die Preise nach oben.
Mittlerweile liegen die spekulativen Positionen auf einen Kupferanstieg auf Drei-Jahres-Hoch und der Kupferpreis nahe seinem Allzeithoch. Damit hat sich zwar Korrekturpotenzial aufgebaut. Der fundamentale Basistrend ist jedoch intakt.
Neben seinem Edelmetall- profitiert Silber ebenso von seinem Industriemetall-Charakter. Im Rahmen der grünen Transformation ist das Metall für Solarpanels, Sensoren von Windturbinen sowie in der E-Mobilität unverzichtbar. Ähnlich wie bei Gold besteht für Silber mittelfristig weiterhin Aufwärtspotenzial, wobei auch hier Rücksetzer über die Terminmärkte einzukalkulieren sind. Doch ist der grundsätzliche Durchbruch - auch in den Köpfen der Anleger - geschafft.
Insgesamt spricht mit Unterbrechung viel für die Fortsetzung der Metallhause. Ja, man kann es Superzyklus nennen.
Falkenhaftere Töne aus dem Protokoll der vergangenen Fed-Sitzung, wonach sich „viele“ Mitglieder die Frage stellen, ob die US-Geldpolitik restriktiv genug ist, irritieren die Aktienmärkte zwar, sorgen aber immer weniger für Ernüchterung. Das liegt auch an der Erkenntnis, dass, angesichts einer tatsächlich höheren als amtlichen Inflation, die Zinspolitik der Fed nicht wirklich als restriktiv zu bezeichnen ist.
Ohnehin sorgen Wachstumsphantasien sowie Bilanzzahlen aus dem Halbleiter-Bereich - die die Euphorie um Künstliche Intelligenz fundamental rechtfertigen bestätigen - für „zinssenkungsalternative“ Triebkraft am Aktienmarkt. In der Tat, die stetige Integration von KI in den Alltag wie zuletzt bei der Internetsuche beweist, dass das gewaltige Wachstumspotenzial nicht annähernd ausgeschöpft ist.
Erfreulich stimmt ebenso, dass die Analysten die Netto-Gewinnerwartungen für Corporate America für die kommenden 12 Monate im Trend weiter anheben.
Die zuletzt beruhigte Krypto-Euphorie erhält durch die Zulassung von Ether-ETFs neuen Schwung. Als Blaupause dient dabei die erfolgreiche Auflegung von Bitcoin-ETFs, die als Ritterschlag für die Ur-Kryptowährung massive Mittelzuflüsse institutioneller Investoren nach sich zog.
Mit einem Ether-ETF werden übrigens auch anderen Fonds die Türen geöffnet, deren „Coins“ auf derselben Technologie wie die Ethereum-Blockchain (Proof-of-Stake) fußen. Der Rückenwind für Kryptoanlagen wird mit zunehmender regulatorischer Klarheit also anhalten. Dennoch bleiben Investments spekulativer und volatiler als Aktien und Gold.
Der DAX lässt sich selbst von Drohungen Chinas über potenzielle Vergeltungszölle auf europäische Luxusautos wenig irritieren. Die Anleger schauen auf die weltkonjunkturelle Erholung, die Abstrahierungsfähigkeit der deutschen Unternehmen vom heimischen Industriestandort und die gegenüber Amerika immer noch günstige Aktienbewertung.
In den USA haben die Fondsmanager ihre Investitionsquote deutlich hochgefahren. Damit erhöht sich auch die Gefahr von Aktienrückgängen, zumal der hohe Anteil der Optimisten abzüglich der Pessimisten als Kontraindikator zu betrachten ist.
Mit Konsolidierungen ist zwischendurch also immer wieder zu rechnen. Mit Blick auf KI-Phantasie, Abebben der Zinsangst, weltkonjunkturelle Stabilisierung und dem Ausbleiben großer realer geopolitischer Konflikte (s. Nahost) bleibt die Aktienstimmung jedoch stabil.
Charttechnisch liegen bei einer Korrektur erste Unterstützungen bei 18.567, 18.504, 18.427 und 18.325 Punkten. Darunter befinden sich weitere Haltelinien bei 18.260 und 18.225. Setzt der Index seine Aufwärtsbewegung fort, trifft er bei 18.635, 18.650, 18.690 und 18.700 auf Widerstände. Darüber liegen weitere Barrieren bei 18.760, 18.845, 18.886 sowie 18.893 Punkten.