Im neuen Jahr trauen sich die Anleger bislang noch nicht wirklich aus der Deckung. Sie sind auf neuer Richtungssuche und fragen sich, ob die Vorfreude auf das Börsenjahr 2024 zu groß war. Dabei wäre eine zwischenzeitliche Aktien-Korrektur durchaus gesund, um anschließend wieder den Blick auf positive Impulse zu öffnen.
Gemäß Umfrage des Wirtschaftsnachrichtendienstes Caixin stabilisiert sich die Stimmung in der Industrie und bei Dienstleistern Chinas. Selbst eine der größten Insolvenzen in der Geschichte - s. Finanzkonglomerat Zhongzhi - sorgt bei den 5-jährigen Kreditausfallprämien in China nicht für erwartbare Erschütterungen. Dass liegt vor allem an den fiskal- und geldpolitischen Aufbauspritzen, die den Immobilien- und Finanzmärkten umfangreich verabreicht werden. Tatsächlich betreibt China eine dem Westen ähnliche Rettungspolitik. Mit einer allmählich wieder Tritt fassenden Wirtschaft wird auch der sehr schlechten Stimmung an Chinas Aktienmärkten entgegengewirkt.
Laut den Neuaufträgen bei Industrie- und Dienstleistungsunternehmen kann sich die private US-Wirtschaft lediglich durchwurschteln.
Selbst der Arbeitsmarkt zeigt bei genauerer Betrachtung Ermüdungserscheinungen. So folgte in den vergangenen Monaten auf einen zunächst stärker als erwarteten Stellenaufbau regelmäßig eine deutliche Revidierung nach unten. Ohnehin lässt die zuletzt einbrechende Beschäftigungsplanung bei Dienstleistern einen im Trend rückläufigen Stellenaufbau erwarten.
Aufgrund üppiger Staatsausgaben, die massiv der Zukunftsfähigkeit des US-Standorts zugutekommen, wird dennoch die Landung der Wirtschaft sanft ausfallen. Und je näher die erwarteten Zinssenkungen der Fed rücken, umso mehr wird der zinsseitige Gegenwind nachlassen und der kreditabhängigen amerikanischen Wirtschaft wieder unter die Arme greifen.
Von einer Konjunkturstabilisierung in den USA und China ab etwa Mitte des Jahres wird die deutsche und europäische Wirtschaft im Vergleich zu anderen Weltregionen im Status Quo aber vergleichsweise weniger profitieren können. Denn die wirtschafts- und finanzpolitischen Defizite, die leider auch hausgemacht sind, werden trotz offenkundiger Schäden immer noch nicht aufgeholt. Wirtschaftspsychologisch wird zu oft das Gegenteil dessen getan, was getan werden müsste.
Daher setzen die europäischen Unternehmen ihren Exodus in attraktivere Standorte weiter fort. Insofern können sich deren Aktienkurse von den heimischen suboptimalen Rahmenbedingungen abkoppeln.
Jede Enttäuschung - wie die zuletzt gestiegenen Preisraten in der Eurozone und Deutschland - macht sich insbesondere bei Growth-Tech-Aktien negativ bemerkbar, die für die letzte Hausse maßgeblich verantwortlich sind.
Dennoch, gemäß den Citigroup Inflation Surprise Indices, die die Abweichung der tatsächlichen Inflation von den Einschätzungen der Volkswirte messen, dokumentiert sich weltweit Preisentspannung.
Übrigens, wenn EZB-Vizechef de Guindos die Rezessionsgefahren in der Eurozone betont, bedeutet dies gleichzeitig eine Abschwächung des konjunkturellen Preisdrucks. Dafür sprechen auch die im Vorjahresvergleich schwächeren Rohstoffpreise. So sah sich Saudi-Arabien zuletzt zur Preissenkung für asiatische Ölabnehmer um rund 2 Dollar je Barrel gezwungen, u.a. um drohenden Verlusten von Marktanteilen an günstigere Anbieter (s. Russland und USA) entgegenzuwirken.
EZB-offiziell wird dem Desinflationstrend zwar noch widersprochen. Doch konnte die für die EZB wichtige Kerninflation - also ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise - ihre Abwärtsbewegung immerhin fortsetzen.
Der Preisentspannungsprozess findet auch in Amerika statt. Zwar erweist sich die Inflationsrate auch dort nicht als Einbahnstraße nach unten. Zuletzt ist sie von 3,1 auf 3,4 gestiegen. Doch gibt die Kerninflation weiter nach.
Vor allem der Kostendruck in der Industrie gemäß Beschaffungspreisen schwächt sich ab und sorgt für weiter abnehmenden Druck bei der Kerninflation, die perspektivisch auch die Verbraucherinflation dämpfen wird.
Insgesamt, trotz zwischenzeitlicher Nackenschläge wird die allgemeine Zinsbetrachtung zunehmend von Wehe auf Wohl umschalten.
Dennoch sind seitens des Preistrends zwischenzeitlich Dämpfer für die Zinssenkungserwartungen einzukalkulieren, die in vorübergehenden Renditeanstiegen an den Anleihemärkten zum Ausdruck kommen und so für Sand im Aktien-Getriebe sorgen.
Auf der fundamentalen Ebene erwartet Zacks Investment Research im Rahmen der US-Berichtsaison für das IV. Quartal bzw. das Gesamtjahr 2023 zunächst noch eine leichte Schrumpfung der Gewinne. Damit jedoch liegt die Hürde für positive Überraschungen niedrig, so dass diesbezüglich kaum Enttäuschungspotenzial für die Aktienmärkte zu erwarten ist.
Auf Branchenebene zeigt sich ein gemischtes Bild: Zweistelligen Gewinnzuwächsen bei Kommunikationsdienstleistern und Versorgern stehen Rückgänge bei Energie-, Grundstoff- und Gesundheitsunternehmen gegenüber. Grundsätzlich kommt es auf die Ausblicke an, die sich unter dem Strich aber im Vergleich aufhellen dürften. Perspektivisch arbeiten sich die Gewinne mit Beginn des neuen Jahres wieder deutlich in den oberen einstelligen Wachstumsbereich vor.
Das gibt den Weltbörsen im Jahresverlauf mehr fundamentale Kraft.
Für geopolitische Unruhe sorgen die für den 13. Januar angesetzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Taiwan. Jedoch sehen alle Präsidentschaftskandidaten davon ab, offiziell die Unabhängigkeit von China zu erklären. Eine militärische Eskalation Chinas in Taiwan will man nicht provozieren. Und da China von der Versorgung mit den weltbesten Halbleitern aus Taiwan abhängig ist, deren Fertigungsstätten bei einer Invasion sicherlich in starke Mitleidenschaft gezogen würden, wird es nicht am Ast sägen, auf dem es wirtschaftlich sitzt. In diesem Zusammenhang ist sicherlich auch positiv zu werten, dass auch Amerika an seiner One China Policy festhält und die USA und China die Kommunikation zwischen ihren Streitkräften nach gut einjähriger Funkstille wiederaufgenommen haben. So wird der kalte Krieg nicht aufgewärmt.
Mit zunehmenden Netto-Long-Positionen nimmt das Korrekturpotenzial am Aktienmarkt zu.
Als Kontraindikator dient auch der übergroße Anteil der Optimisten abzüglich der Pessimisten gemäß der American Association of Individual Investors, der die Gefahr von gesunden Gewinnmitnahmen nährt, die den Druck im Aktien-Kessel mildern.
Charttechnisch liegen bei einer Korrektur erste Unterstützungen bei 16.585, 16.540, 16.530 und 16.480 Punkten. Darunter befinden sich weitere Haltelinien bei 16.450, 16.330 und 16.290. Setzt der Index seine Aufwärtsbewegung fort, trifft er bei 16.700, 16.735 und 16.740 auf erste Widerstände. Darüber liegen die nächsten Barrieren bei 16.840, 16.900, 17.000 und schließlich 17.042 Punkten.