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Der Markt
unter der Lupe

 
27.07.2018

Wie schädlich ist die Konjunkturdelle eigentlich für den Aktienmarkt?

„Wir haben einen Deal“ - damit haben US-Präsident Trump und EU-Kommissionspräsident Juncker auf ihrem Treffen überraschenderweise eine Feuerpause im Handelskrieg beschlossen. Für einen finalen Handelsfrieden ist es sicher noch zu früh. Vorbei ist der Handelsstreit erst, wenn er vorbei ist. Zwischenzeitlich hat Trumps Protektionismus die weltweite Konjunkturstimmung deutlich eingetrübt. Insbesondere die Stimmungsabkühlung in der exportsensitiven deutschen Wirtschaft ist spürbar. Wie groß fällt der tatsächliche Konjunkturschaden aus und was heißt das für die zukünftige Geldpolitik der EZB. Und welche Auswirkungen sind für die Aktienmärkte zu erwarten?

US-Präsident Trump gibt sich gegenüber der EU handelspolitisch plötzlich milde. Zollerhöhungen für Autos sind zunächst vom Tisch und US-Stahl- und Aluminiumzölle sowie EU-Gegenzölle stehen zur Disposition, wenn die EU deutlich mehr Flüssiggas und Sojabohnen aus den USA importiert. Vorerst gilt ein Waffenstillstand im transatlantischen Handelskrieg.

Der handelspolitische Erzfeind Amerikas bleibt China. Trump ist bereit, praktisch alle chinesischen Importe und damit Einfuhren von rund 500 Mrd. US-Dollar mit Zöllen zu belegen. Bereits jetzt führt die Verschärfung über die wechselseitige Einführung von Strafzöllen und die Androhung weiterer Maßnahmen zu erheblichen Belastungen für Chinas Wirtschaft, auf die Peking mit gezielten binnenwirtschaftlichen Notkonjunkturmaßnahmen - Unternehmenssteuervorteile zur gezielten Förderung chinesischer Zukunftsbranchen wie Internet, Elektromobilität und Digitalisierung bei gleichzeitigen Liquiditätseinschüssen am Geldmarkt durch die People’s Bank of China - reagiert.

Da China mittlerweile ein neuralgischer Punkt für die Weltkonjunktur ist, lassen sich globale Reibungsverluste nicht verleugnen. Im Einklang mit der Eintrübung des globalen Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe auf den niedrigsten Stand seit einem Jahr kommen klare konjunkturelle Warnsignale von den Industriemetallen. Insbesondere Kupfer - es wird für Bau- und Infrastrukturinvestitionen benötigt und in einer Vielzahl von Produkten in der Auto- und Elektroindustrie oder dem Maschinenbau eingesetzt - hat von seinem Hoch Anfang Juni bereits 16 Prozent verloren.

Deutschland hängt am Fliegenfänger der Weltkonjunktur

Die exportsensitive deutsche Wirtschaft zeigt sich von der weltkonjunkturellen Schwächephase und der den freien Welthandel bedrohenden Zolldiskussion besonders irritiert. Niederschlag findet dies in einer fortgesetzten Eintrübung der Konjunkturindikatoren laut ifo Institut. Vor allem die ifo Geschäftserwartungen sind mittlerweile zum bereits achten Mal in Folge gefallen und befinden sich mittlerweile auf dem niedrigsten Stand seit März 2016.

Im Handel und vor allem dem Verarbeitenden Gewerbe als deutscher Kernindustrie trübt sich das Klima weiter ein. Nach Jahrzehnten eines immer weiter zunehmenden Freihandels befürchten die auf Export getrimmten deutschen Unternehmen einen nachhaltigen Strukturbruch. Immerhin zeigt die Binnenkonjunktur am Beispiel der Bauindustrie eine robuste Verfassung.

Entsprechend deutet die ifo Konjunkturmatrix, die Geschäftslage und -erwartungen zueinander in Beziehung setzt, auf eine insgesamt gebremste Wachstumsdynamik hin. Als Stütze für die deutsche Exportwirtschaft dient jedoch ein grundsätzlich schwacher Euro.

Aktienfundamentalismus mit Schlagseite

Vor diesem Hintergrund präsentieren sich die fundamentalen Aktienqualitäten allerdings schwach. Da nach Eintrübung der Konjunkturstimmung mit einer Verzögerung von sechs Monaten typischerweise nachgebende Unternehmensgewinne folgen, gerät der Ertragstrend deutscher Unternehmen unter Druck.

Das gilt im Übrigen auch für das Gewinnwachstum von Unternehmen aus der Eurozone und den Schwellenländern. Immerhin zeigt sich das Gewinnwachstum in den USA stabil, doch dürfte es sich auf seinem Höhepunkt befinden. Tatsächlich äußern vereinzelte US-Unternehmen aufgrund des Handelsstreits bereits verhaltenere Gewinnaussichten, zumal der Ertragssprung aus der Steuerreform abebbt.

Unter dem Strich kommt die zunehmende Konjunktur- und Handelsskepsis an den Aktienmärkten in Form einer Underperformance zyklischer Aktien zugunsten von Defensivtiteln zum Ausdruck.

Restriktive Geldpolitik der EZB? Eine Schnecke ist schneller!

Die Konjunkturdelle verschafft der EZB weiter viel Beinfreiheit, die geldpolitische Trendwende überschaubar zu halten. Auf ihrer letzten Sitzung stellte sie zwar erneut den Ausstieg aus ihren Anleihekäufe zum Ende des Jahres in Aussicht. Allerdings betonte sie auch, dass sie sich dabei an den konkreten Konjunkturdaten orientieren wird. Um im Ernstfall auf handelspolitische Risiken reagieren zu können, lässt sie sich vorerst alle Türen offen. In puncto Zinspolitik bleibt sie ultralocker: Mit einem refinanzierungsfreundlichen Notenbankzins von null Prozent ist mindestens bis September 2019 zu rechnen. Grundsätzlich kann Mario Draghi den Sieg über eine zu schwache Inflation noch nicht vermelden.

Gleichzeitig wird sie vor dem Hintergrund der nach wie (finanz-)politisch nicht reibungslosen Situation in der Eurozone den Aufwärtsdruck der Staatsanleiherenditen in der Eurozone durch zielgerichtete Wiederanlage fällig werdender Staatstitel begrenzen. Damit setzt sich die anhaltende Beruhigung der jahresanfänglichen Zinserhöhungsängste fort, so dass die ausbleibende Attraktivität von Zinsanlagen ein zentraler Stützpfeiler für die Aktienmärkte bleibt.

Marktstimmung - Im Sommerloch

Beim von der Citigroup veröffentlichten Macro Risk Index - er misst die Risikostimmung an den Finanzmärkten - deuten Indexwerte von größer als 0,5 auf zunehmende Risikoabneigung und Werte kleiner als 0,5 auf steigende -freude hin. Der aktuelle Indexwert von rund 0,5 bei gleichzeitigem Trendumschwung in den Bereich „Risikofreude“ legt kurzfristig wieder stabilere Aktienmärkte nahe.

Mit Blick auf die Aktienvolatilität beobachten die Anleger die Aktienlage zwar aufmerksam, aber ohne große Sorge.

Obwohl die Anlegerverunsicherung der letzten Wochen nachgelassen hat, sind die Anleger jedoch auch noch nicht von nachhaltig steigenden Kursen überzeugt. Privatanleger und institutionelle Investoren in Deutschland haben sich gegen fallende Kurse abgesichert. In den USA zeigt die Investitionsquote der Finanzprofis eine neutrale Positionierung an.

Allerdings fehlt damit der aktuellen Marktverfassung auch der Verkaufsdruck, so dass ein Aktien-Crash nicht vorstellbar ist. Schon eine weniger negative Entwicklung in der Protektionismusdebatte ist ausreichend, um an den Aktienmärkten für steigende Kurse zu sorgen. So drohen Deutschland vorerst keine konjunkturgefährdenden US-Autozölle. Zu schwach investierte bzw. zu deutlich abgesicherte Marktteilnehmer müssten dann den Kursen hinterherlaufen, was eine Aktien-Rallye befeuern würde. Gäbe es über die Feuerpause im Handelsstreit hinaus sogar Aussichten auf einen Handelsfrieden zwischen EU und USA, hätten die Aktienmärkte einen konjunkturell goldenen Herbst vor sich.

Charttechnik DAX - Kein Sommer-Blues

Auf dem Weg nach oben liegt der erste Widerstand bei 12.951 Punkten. Wird dieser erfolgreich überschritten, ist eine weitere Barriere bei 13.033 anzutreffen, bevor der Index Fahrt auf die Marke bei 13.301 nimmt. Kommt es allerdings zu weiteren Kursverlusten, ist mit Rücksetzern bis zu den Unterstützungen bei 12707, 12.450 und 12.399 Punkten zu rechnen. Werden diese unterschritten, liegen weitere Haltelinien bei 12.125 und 12.104 sowie knapp darunter bei 12.067.

Der Wochenausblick für die KW 31 - US-Arbeitsmarktdaten im Fokus

In China signalisieren die offiziellen Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende sowie Dienstleistungsgewerbe und die von der privaten Finanznachrichtenagentur Caixin veröffentlichten Pendants eine Konjunkturstabilisierung auf aktuellem Niveau. In Japan diskutiert die Notenbank über ihren zukünftigen Kurs, der auch neue geldpolitische Instrumente vorsehen könnte.

In den USA deuten die nahezu unveränderten ISM Indices für die US-Industrie und den Dienstleistungssektor sowie stabile Industrieaufträge auf eine grundsätzlich solide Konjunktursituation hin. Entsprechend robust zeigt sich auch der quantitative Beschäftigungsaufbau am US-Arbeitsmarkt, dessen mangelnde Qualität sich aber in wenig dramatischen Lohnkostendruck niederschlägt. So wird sich die Fed auf ihrer geldpolitischen Sitzung zunächst bedeckt halten.

In der Eurozone stehen die BIP-Zahlen für das II. Quartal an. Die laut Erstschätzungen stabile Inflation im Juli ist vor allem auf die erhöhten Energiepreise zurückzuführen.