Unser täglich Trump gib uns heute: Der US-Präsident fällt wieder mit Kriegsrhetorik im transpazifischen aber auch im -atlantischen Handelsstreit auf. Trüben sich damit die Aussichten für Aktien bis Jahresende ein? Oder müssen die Anleger zwischen den Tweet-Zeilen lesen?
Trotz hitziger Rhetorik kommt Bewegung in den US-chinesischen Handelskonflikt. Zwar hat China nach der US-Unterstützung für die Demokratiebewegung in Honkong zunächst wenig Handels-Freundlichkeit signalisiert. Doch will China wohl die Frist am 15. Dezember nicht verstreichen lassen, ab der weitere US-Strafzölle von 15 Prozent auf vor allem chinesische Elektronik in Höhe von 156 Mrd. US-Dollar drohen. Insofern konzentrieren sich die Verhandlungen über ein „Phase-Eins“-Abkommen wieder auf den chinesischen Einkauf von US-Agrargütern im Gegenzug für amerikanische Zollrücknahmen. Bis zu einer wirklichen Unterzeichnung bleiben die Aktienmärkte aber in Hab-Acht-Stellung.
Angesichts des angelaufenen Amtsenthebungsverfahrens und US-Präsidentschaftswahlkampfs will Trump mit handelspolitischem Säbelrasseln den starken Mann markieren, der voll handlungsfähig ist. Das bekommt auch Europa zu spüren. Denn auch den transatlantischen Handelskonflikt hält Trump wählerwirksam mit Zöllen von bis zu 100 Prozent auf französische Luxuswaren als Retourkutsche für Frankreichs Digitalsteuer aufrecht. Für seine Handels-Polterei kommen ihm dabei die laut WTO unrechtmäßigen EU-Subventionierungen des Flugzeugherstellers Airbus gerade recht.
Doch sollte man als Anleger auch hinter die polternde Fassade des US-Präsidenten schauen. Immerhin scheinen Zölle für europäische Autos vom Tisch zu sein, deren Einführungs-Frist Trump heimlich verstreichen ließ. Selbst wenn der transatlantische Zollstreit Europa im Vergleich mehr kostet, müsste auch Amerika Reibungsverluste im Außenhandel einkalkulieren. Und Trump kann es geopolitisch auch nicht schmecken, wenn sich die EU von Washington weg- und zu China hinbewegt.
In Ermangelung eines von Amerika und China unterschriebenen „Phase-Eins“-Deals hält die Konjunkturskepsis der US-Unternehmen noch an. Der ISM Index für das Verarbeitende US-Gewerbe verharrt mit 48,1 nach 48,3 hartnäckig unterhalb der Expansion anzeigende Schwelle von 50. Trotz eines leichten Rückgangs zeigt sich die Stimmung bei Dienstleistern weiterhin expansiv.
Ebenso besteht zunächst wenig Aussicht, dass sich die aktuell trüben Gewinnqualitäten von Corporate America, die dem ISM Index für die US-Industrie mit einer zeitlichen Verzögerung von sechs Monaten folgen, kurzfristig aufhellen. Die - wenn auch nur leichte - Gewinnrezession von US-Unternehmen setzt sich zunächst noch fort.
Fed-Chef Powell bemüht sich zwar, weitere Zinssenkungsphantasien zu zerstreuen. Dazu wird die Fed in der kommenden Woche eine Pause einlegen. Stand jetzt bleibt 2020 der Zinssenkungstrend jedoch intakt. Und mit Blick auf die Überschuldung auf Staats- aber auch privater Ebene und eines nach Steuersenkung langsameren Wirtschaftswachstums wird sie von Zinsrestriktionen ohnehin Abstand nehmen. Vor amerikanischen Zins- und Renditeerhöhungsängsten - auch nach Inflation - müssen Aktienanleger perspektivisch so wenig Angst haben wie vor dem Gespenst unter dem Bett.
Sicherlich sind US-Techwerte bereits vergleichsweise hoch bewertet. Damit sind sie grundsätzlich schwankungsanfällig und weisen aufgrund der enormen Performance ein erhöhtes Risiko von Gewinnmitnahmen auf.
Während der Druck auf Social Media-Anbieter anhält, neue Kanäle für ihr Werbegeschäft zu erschließen und dieses kosteneffizienter zu machen, muss Apple die erfolgreich etablierten neuen Geschäftsfelder weiter festigen und in puncto Smartphones die starke Konkurrenz aus Fernost mit ihren pfiffigen Produktverbesserungen und massiver Imagepflege auf Distanz halten. Allerdings bieten US-Technologieaktien auch abseits des Mainstream interessante Trends in puncto industrieller Digitalisierung. So profitieren die Tech-Riesen im Bereich Cloud-Computing von ihrer Marktführerschaft. Zudem stehen Unternehmen aus den Wachstumsbereichen „Robotics“ und „Künstlicher Intelligenz“ - auch Ersatz des Menschen durch die Maschine - Cyber-Sicherheit sowie Halbleiterhersteller im Rahmen der 5G-Verbreitung langfristig im Mittelpunkt des Anlegerinteresses.
Ein weiterer Trend ist, dass Werte aus der zweiten Reihe die typischen FAANG-Werte verdrängen. Als ausgesprochene Wachstumswerte sind sie auf lange Sicht eine mehr als interessante Depot-Beimischung. Ihnen gehört mit Innovationen, noch lange nicht börslich ausgereizten Geschäftsmodellen und nicht zuletzt mit Übernahmephantasien die Aktienzukunft.
Insgesamt wird die relative Stärke von High-Tech-Werten angesichts des Megathemas Digitalisierung, das den Vergleich mit der Erfindung der Dampfmaschine nicht zu scheuen braucht, gerade in Amerika langfristig anhalten.
Mit seinem Handels-Konfrontationskurs schafft Trump es kurzfristig zwar, die Finanzmärkte kalt zu erwischen. Schließlich will man sich die ausgezeichnete Jahresperformance nicht kaputtmachen lassen. Tatsächlich kommen die Äußerungen des Handelskriegers Trump auch in sprunghaft angestiegenen Kursschwankungen deutscher Aktien zum Ausdruck. Jedoch halten sie sich im historischen Vergleich sehr in Grenzen.
Denn trotz noch ausbleibender Handelslösungen hat das Rezessionsthema weltweit an Bedeutung verloren. Nach dem Hochpunkt Mitte August hat die Suchhäufigkeit des Begriffs „Recession“ auf Google dramatisch nachgelassen.
Überhaupt werden die Aussichten auf ein „Phase-Eins“-Abkommen weiter positiv eingeschätzt. Daher hat sich die weltweite Industriestimmung im November wieder knapp über die Expansion anzeigende Schwelle von 50 hochgearbeitet und befindet sich mit 50,3 auf einem 7-Monats-Hoch. Und selbst wenn die globale Nachfrageschwäche nach Investitionsgütern handelsbedingt grundsätzlich anhält, wird ihr immerhin von einem weltweit robusten Konsumgütersektor entgegengewirkt.
Vorerst aber gehen die Anleger noch auf Nummer sicher und räumen Defensiv- gegenüber konjunkturzyklischen Titeln Vorrang ein.
Aus Sentimentsicht dämpft das seit einem Monat stabile Kursniveau knapp unter Jahreshoch Ängste vor schmerzhaften Kursverlusten wie im Dezember 2018. Ohnehin beginnen die Finanzprofis, sich allmählich für das kommende grundsätzlich positiv erwartete Präsidentschaftswahljahr zu positionieren. Kursrücksetzer dürften demnach zügig von institutionellen Anlegern zum Einsammeln von Schnäppchen genutzt werden. Das spricht gegen eine nachhaltige Aktienkorrektur.
Bei fortgesetzter Stabilisierung trifft der Index an den Marken bei 13.138 und 13.308 Punkten auf erste Widerstände. Bei Überwindung folgen die nächsten Barrieren am bisherigen Jahreshoch bei 13.374, danach bei 13.526 und am Allzeithoch bei 13.597. Kommt es zu einer Konsolidierung, trifft der DAX bei 13.019 auf eine erste Unterstützung. Darunter warten weitere Haltelinien bei 12.992 und 12.795, bevor der Index Kurs auf die Marke bei 12.566 Punkten nimmt.
Auf politischer Ebene dürfte die Conservative Party bei den Wahlen im Vereinigten Königreich am 12. Dezember Umfragen zufolge eine deutliche Mehrheit erreichen, so dass ein Brexit mit Deal zum 31. Januar 2020 beschlossene Sache ist und zumindest Klarheit schafft.
Gemischte Zahlen zu Chinas Im- und Exporten unterstreichen die aktuelle Handelsmisere. In Japan deutet der von der Bank of Japan ermittelte Tankan Index der Großindustrie anhaltend auf konjunkturellen Gegenwind hin.
In den USA zeigen sich die vorläufigen Einzelhandelszahlen angesichts rekordverdächtiger Ergebnisse der „Black Friday“-Verkäufe robust und auch der Optimismus-Index des US-Mittelstands setzt seine Stabilisierung fort. Bei einer gleichzeitig akzeptablen Inflationsentwicklung im November verzichtet die US-Notenbank auf ihrer Sitzung vorerst auf eine weitere Zinssenkung.
In der Eurozone kann sich das vom Finanzanalyse-Anbieter Sentix ermittelte Investorenvertrauen auch im Dezember stabilisieren. Der besondere Anlegerfokus gilt der ersten EZB-Sitzung unter Vorsitz von Christine Lagarde. Die „Neue“ wird auf Hinweise zur zukünftigen Geldpolitik abgeklopft.
Die nach wie vor angeschlagene Konjunkturlage spiegelt sich in mauen Exportzahlen wider. In Deutschland setzen jedoch die ZEW Konjunkturerwartungen für Dezember ihre Erholung fort, so dass sie sich wieder in positivem Terrain befinden.