Trotz Rezessionssorgen sind die Aktienmärkte in bester Laune. Denn im bislang tobenden transpazifischen bzw. transatlantischen Handelsstreit sind die Friedenstauben aufgestiegen. Zwar ist der US-Präsident für böse Handels-Tweets immer gut, doch vertrauen die Finanzmärkte immer mehr auf den „Trump-Put“. Denn für seine Wiederwahl im November 2020 kann er keine Konjunkturdelle mit Negativausschlag auf die Aktienmärkte gebrauchen. Überhaupt bilden sich die politischen Risiken zurück und bleibt die internationale Geldpolitik von Kopf bis Fuß auf Offensive eingestellt. Gute Aussichten also für ein Happy End des Aktienjahrs 2019?
Wir befinden uns in Rezessionsterrain. Doch bezahlen die Aktienbörsen die Zukunft. Amerika und China haben sich auf den schrittweisen Abbau von Strafzöllen geeinigt. Die genaue Höhe der Zollbefreiungen in „Phase eins“ wird zwar noch verhandelt und ein finales Handelsabkommen ist sowieso noch lange nicht in Sicht. Doch mindestens die Rückführung der am 1. September erhobenen US-Strafzölle von 15 Prozent auf chinesische Waren im Wert von rund 110 Mrd. US-Dollar im Gegenzug für Chinas deutliche Einfuhrausweitung von US-Agrargütern wäre ein bemerkenswertes Entspannungssignal.
Auch im transatlantischen Handelskonflikt wird abgerüstet. Laut US-Handelsminister Ross lassen sich US-Strafzölle auf europäische Autos vermeiden, da sich Europas Autohersteller weiter „amerikanisieren“. Tatsächlich haben deutsche Autobauer signalisiert, zusätzlich in den USA zu investieren und zukünftig 75 Prozent der Autoteile aus der nordamerikanischen Freihandelszone zu beziehen.
Aufgrund der rückläufigen handelspolitischen Verunsicherung haben sich die Sentix SentiMent Konjunkturerwartungen für die kommenden sechs Monate über alle globalen Wirtschaftsregionen bereits aufgehellt. Die Region Asien ex Japan befindet sich sogar wieder im Aufschwung.
Die dritte Stabilisierung des globalen Einkaufsmanagerindex in Folge auf ein im Oktober nur knapp unterhalb der Expansion anzeigenden Schwelle von 50 liegendes Niveau signalisiert, dass die Weltkonjunktur das Tal der Tränen bald durchschritten hat. Positiv überrascht vor allem die zunehmende Nachfrage nach Investitionsgütern. Auch die Gewinnrezession läuft allmählich aus.
In puncto Brexit wird Boris Johnson laut Umfragen als Sieger aus den britischen Neuwahlen am 12. Dezember hervorgehen und das Vereinigte Königreich spätestens zum 31. Januar aus der EU führen. Da auch die Labour Party mindestens ein Abkommen mit der EU will, wird der EU-Hass der Brexit Party unter Nigel Farage insgesamt keine neue No Deal-Gefahr heraufbeschwören.
Selbstverständlich ist es ein Skandal, dass Trump auf die ukrainische Regierung Druck ausgeübt hat, um den demokratischen Rivalen Joe Biden in Verruf zu bringen. Dem Plan der Demokraten, Trump ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen zu diskreditieren, stellen sich die Republikaner allerdings ziemlich geschlossen entgegen. So fehlt die für eine tatsächliche Amtsenthebung erforderliche Mehrheit im Senat. Eine Führungsschwäche in den USA als politisches Aktienrisiko für den S&P 500 mit weltweiter Ausstrahlung ist insofern nicht zu erwarten.
Vor diesem handelsseitigen und politischen Hintergrund messen Aktienanleger exportlastigen Industrie- gegenüber Defensivtiteln wieder mehr Bedeutung bei. Europa gewinnt wieder.
Das spricht auch für ein Ende der Underperformance zyklischer deutscher Aktientitel, die sich schwerpunktmäßig im MDAX, TecDAX und SDAX befinden, gegenüber dem deutschen Leitindex DAX. Erste Ansätze sind in der Tat bereits vorhanden. Ohnehin profitieren Technologietitel aus dem TecDAX vom Megathema Digitalisierung.
Sind die im Zuge der Handelsberuhigung leichten Renditesteigerungen bereits ein Menetekel für eine anstehende Aktienkonsolidierung? Immerhin erlaubte die Zins- und Liquiditätshausse spürbare Bewertungsausweitungen. Kommt jetzt der Umkehrschub?
Zunächst, selbst wenn sich die Frühindikatoren aufhellen, werden die Notenbanken die Rezessionsängste weiter ernst nehmen. Zuletzt machte Fed-Chef Jerome Powell klar, dass die Hürde für eine weitere Zinssenkung deutlich niedriger liegt als die für eine Zinserhöhung. Ohnehin flankiert die Fed ihre bisherige Zinssenkungspolitik durch erneute Aufkäufe von Staatsanleihen zunächst im Volumen von 360 Mrd. US-Dollar über sechs Monate. Auch wenn es sich dabei im Gegensatz zu früher um Kurzläufer bis zu einem Jahr handelt, ist es de facto das Quantitative Easing 4. Auch eine Verlängerung hat Powell bei Bedarf nicht ausgeschlossen. Überhaupt, da die Finanzkrise 2008 mit einer Austrocknung des US-Geldmarkts begann, will die Fed dort jede Verwerfung aufgrund fehlender Liquidität eliminieren.
Die EZB wird sich auch unter Führung von Christine Lagarde schwerpunktmäßig weiter an wirtschafts- und schuldenpolitischen Befindlichkeiten der Euro-Staaten orientieren. Ebenso müssen die (sozial-)politischen Fliehkräfte anhaltend gebändigt werden. Aus ihrer stabilitätslosen Rettungsnummer kann die EZB nicht mehr entfliehen. Politische Stabilität der Eurozone geht vor Finanzstabilität. Ebenso gibt die zunehmende Klimaschutzorientierung in Europa der EZB nützliche Alibis, Staatsanleihen von den Euro-Staaten aufzukaufen, wenn ihre Zwecke umweltpolitischer Natur sind. Wer will dieser Ausweitung des geldpolitischen Mandats denn moralisch wirklich widersprechen? Der Zweck heiligt auch hier die Mittel.
Mit den zuletzt gesenkten Konjunkturausblicken ist auch ein Ende der Liquiditätsschwemme der Bank of Japan reine Utopie. Insgesamt bleibt das weltweite geldpolitische Sicherheitsnetz für die Aktienmärkte engmaschig gespannt und der Zinsauftrieb gebannt.
In diesem Zusammenhang bleiben Aktien schon aufgrund ihrer Dividendenphantasie auf der Überholspur, auch nach Inflation.
Zuletzt hat die Aktien-Euphorie stetig zugenommen. So signalisiert der von der Citigroup veröffentlichte Macro Risk Index eine vermehrte Risikofreude der Anleger.
Entsprechend haben US-Fondsmanager ihre Investitionsquote deutlich hochgefahren. Zwar erhöht sich mit der rapiden Stimmungsaufhellung auch die Gefahr von Kursrückgängen. So befindet sich in den USA der Anteil der Optimisten am Aktienmarkt abzüglich des Anteils der Pessimisten auf hohem Niveau und kann insofern als Kontraindikator betrachtet werden.
Doch dürften mit dem Dreiklang aus Befriedung des Handelskriegs, Abebben politischer Risiken und Beibehaltung des geldpolitischen Brot-und Butter-Geschäfts diese zu Zukäufen genutzt werden. Möge Trump die Friedenspfeife weiter rauchen.
Der DAX trifft bei fortgesetzter Aufwärtsbewegung bei 13.315 Punkten auf ersten Widerstand. Es folgen weitere Hürden bei 13.420, 13.515 und schließlich 13.600. Bei einer Gegenbewegung trifft der Index auf Unterstützungen bei 13.115 und 13.000. Werden diese unterschritten, droht der Index bis zu den Marken bei 12.985 und darunter 12.815 sowie 12.800 Punkten zurückzufallen.
In China stabilisieren sich Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätze auf niedrigem Niveau. In Japan bestätigen die BIP-Zahlen für das III. Quartal eine voranschreitende Konjunkturabschwächung.
In den USA können die Daten zum Einzelhandel im Oktober die vormonatliche Schwäche nicht ausgleichen. Auch die Industrieproduktion schrumpft. Der Optimismus-Index der US-Mittelständler bleibt angeschlagen. Der Inflationsdruck im Oktober ist vor diesem Hintergrund begrenzt.
In der Eurozone bestätigen die finalen Zahlen den schwachen Inflationstrend.
In Deutschland dürfte die Wirtschaft gemäß BIP-Zahlen für das III. Quartal zumindest „technisch“ in die Rezession abgerutscht sein. Die ZEW Konjunkturerwartungen signalisieren immerhin keine dramatische Verschlechterung.