Die Corona-Epidemie beschäftigt weiter das Kopfkino der Anleger, auch weil China mit intransparenter Informationspolitik bewussten Falschmeldungen Tür und Tor geöffnet hat. Immerhin wird der Infektions-Höhepunkt nach Einschätzung von Medizinern etwa Mitte Februar überwunden sein. Grundsätzlich ist eine „chinesische“ Konjunkturdelle für die Weltwirtschaft im I. Quartal 2020 nicht zu vermeiden. Viel bedeutsamer ist aber die Frage, ob es China anschließend gelingt, eine Wirtschaftserholung mit massiven Konjunktur- und geldpolitischen Maßnahmen einzuleiten? Dabei schaut die Börse durchaus optimistisch in die Zukunft.
Laut New York Times trägt Peking an der Ausbreitung des Virus eine größere Mitschuld als bislang angenommen. So entschied die chinesische Regierung fahrlässig, die Virus-Krise lange Zeit geheim zu halten, kleinzureden und sogar zu vertuschen, um bloß öffentliche Panik sowie (außen-)politische Peinlichkeiten zu vermeiden. Mit Intransparenz hat man unnötigerweise eine Verschwörungs-Epidemie in den sozialen Medien heraufbeschworen. Vor allem aber wirkt sich das Fehlen frühzeitiger Gegenmaßnahmen konjunkturschädigend aus.
So fordern zunächst die umfassenden chinesischen Quarantäne-Maßnahmen ihren Tribut im Tourismus und generell beim Konsum. Hinzu kommen die Unterbrechungen der Industrieproduktion und Lieferketten. Dass Peking offiziell sogar das chinesische Wachstumsziel von sechs Prozent zur Disposition stellt, unterstreicht den Ernst der wirtschaftlichen Lage. Tatsächlich trübt sich nach markanter Erholung der Einkaufsmanagerindex der Nachrichtenagentur Caixin für private Industrieunternehmen wieder merklich ein. Nicht zuletzt schlägt sich die Konjunktureintrübung in einem massiven Preiseinbruch bei Kupfer - einem besonders zyklischen Industriemetall - in der Spitze mit minus 12 Prozent seit Mitte Januar nieder.
Die chinesische Malaise trifft über eingeschränkte Im- und Exportströme auch die Weltwirtschaft. Und je länger China für die Eindämmung des Virus braucht, desto größer fallen diese globalen Negativeffekte aus. Aufgrund der Abhängigkeit schlägt sich die verhaltene Industriestimmung in China bereits in schwächeren deutschen ifo Geschäftserwartungen nieder. Die Weltwirtschaft wird eine Konjunkturdelle im I. Quartal 2020 ertragen müssen.
Deutschland hat bereits seit knapp zwei Jahren mit einer Deflation in seinen Auftragsbüchern zu kämpfen. 2019 markiert das schlechteste Jahr seit dem Höhepunkt der Finanzkrise. Ohne Zweifel schlägt sich hier der lange Zeit tobende Handelskrieg und die Brexit-Unsicherheit nieder. Doch sollte man die Schuld nicht allein bei Donald Trump und Boris Johnson suchen. Die Stimmungsverschlechterung hat auch eigene Gründe. Der Strukturbruch in der (Auto-)Industrie, die zunehmende Konkurrenz aus Asien und Amerika für Deutschland als Weltmeister im Verarbeitenden Gewerbe sowie die Digitalisierung werden wirtschaftspolitisch nicht optimal begleitet. Daher lässt die Qualität des Wirtschaftsstandorts Deutschland und damit seine Wettbewerbsfähigkeit nach, was früher oder später auch der Arbeitsmarkt zu spüren bekommt.
Um verloren gegangenes Vertrauen wiederzubeschaffen, einem weiteren Einbruch der chinesischen Wirtschaft mit weltweiten Folgeschäden entgegenzuwirken und natürlich aus Gründen der Gesichtswahrung, ergreift Peking umfangreiche Maßnahmen zur Stützung der Binnennachfrage. Es geht vor allem darum, die (sozial-)politische Stabilität zu bewahren. Eine große frustrierte Bevölkerung kann im Extremfall eine nicht mehr aufzuhaltende Bewegung werden.
Zur Konjunkturstützung setzt die KP stark auf die Offensive der Notenbank, die gezielte und zinsgünstige Geldspritzen in Höhe von bislang umgerechnet rund 221 Mrd. Euro - größter Umfang seit 2004 - einsetzt. Mit viel Liquidität wird hinter vorgehaltener Hand auch der chinesische Aktienmarkt aufgefangen. Peking weiß, dass nichts so sehr die chinesische Krise beleuchtet wie ein stark fallender Aktienmarkt.
Grundsätzlich sind nachhaltige Schreckensvisionen nicht angebracht. Die Einkaufsmanagerindices in der Industrie vieler Länder zeigen eine klare Trendumkehr nach oben, obwohl bei Befragungen der Unternehmen das Corona-Thema schon akut war. Offenbar überwiegt bei den befragten Unternehmen die Erleichterung über das erste Teilabkommen im US-chinesischen Handelsstreit die diffusen Virus-Ängste. Die Ankündigung der chinesischen Regierung, ab 14. Februar die Zölle für US-Importe im Wert von rund 75 Mrd. US-Dollar zu halbieren, wird dem Handelsstreit noch weniger Wasser auf seine Mühlen leiten.
Mit der Stabilisierung in der globalen Industriestimmung legen Anleger ihre fundamentale Skepsis weiter ab und geben konjunkturzyklischen gegenüber defensiven Aktientiteln den Vorzug.
Psychologisch beruhigend für die Börsen und die Weltwirtschaft wirkt, dass laut westlichen Medizinern Mitte Februar der Infektionshöhepunkt überschritten sein wird und die Tatsache eines milden Krankheitsverlaufs bei Infizierten in Europa und Amerika. Die Entwicklung von Medikamenten und sogar eines Impfstoffs scheint ebenso voranzuschreiten. Und so hat sich auch der Kupferpreis bereits wieder ein Stück weit erholen können. Nicht zuletzt bleibt die Volatilität im historischen Vergleich gering.
Nach drei Wochen US-Berichtssaison für das IV. Quartal 2019 zeichnet sich insgesamt eine leichte Gewinnsteigerung der Unternehmen aus dem S&P 500 ab. Hauptsächlich die großen Technologiekonzerne und Onlinehändler können fundamental überzeugen. In den Ausblicken hält man sich mit Einschätzungen zum Corona-Virus abgesehen von stark betroffenen Branchen wie Fluglinien und Restaurants zurück.
Aus dem eingestellten Verfahren zur Amtsenthebung geht Trump gestärkt hervor. Ohnehin fehlt es den demokratischen Kandidaten abseits einer gemeinsamen Abneigung gegen Trump entweder an Profilschärfe oder sie verschrecken mit für amerikanische Verhältnisse ungewohnt „linken“ Wahlprogrammen. Ein Steilpass für Trump ist zudem die Panne der Demokraten bei der Stimmenauszählung im Rahmen der Vorwahl in Iowa. Stand heute spricht mehr für eine Wiederwahl Trumps als für seine Abwahl. Damit verlieren demokratische Regulierungsvorhaben für Großindustrien wie Finanzen, Pharma, Energie und Tech und ihre Aktien an Schrecken.
Kurzfristig ist angesichts der großen Unsicherheit über das Corona-Virus die Stimmung zwar angeschlagen, was sich in einer verringerten Investitionsquote bei US-Fondsmanager äußert. Mittelfristig bleibt die Zuversicht allerdings groß. Viele Anleger betrachten den Ausverkauf immer mehr als lang ersehnte Kaufgelegenheit, um Aktien einzusammeln, die auch bewertungsseitig wieder günstig zu haben sind.
Charttechnisch liegt beim DAX auf dem Weg nach oben der erste Widerstand bei 13.600 Punkten. Kann dieser durchbrochen werden, folgen weitere Barrieren am Allzeithoch bei 13.640 sowie bei 13.662 und 13.700, bevor der Index Kurs auf die Marke bei 13.835 nimmt. Auf der Unterseite liegt eine erste Haltelinie bei 13.478, gefolgt von einer weiteren bei 13.400. Bei Unterschreitung folgen weitere Unterstützungen bei 13.375, 13.315 und 13.294 Punkten.
Die Anleger warten auf verlässliche Anzeichen einer erfolgreichen Corona-Virus-Eindämmung.
In den USA signalisiert eine auch im Januar rückläufige Industrieproduktion einen Fehlstart des Verarbeitenden Gewerbes ins neue Jahr. Immerhin verspricht ein verbesserter Optimismus-Index des US-Mittelstands zukünftige Besserung. Auch das Konsumentenvertrauen der University of Michigan zeigt sich begleitet von stabilen Einzelhandelsumsätzen robust. Eine amerikanische Inflationsbefestigung im Januar ist nicht zu erwarten.
In der Eurozone wird mit Spannung das Sentix SentiMent erwartet: Inwieweit hat das Corona-Virus die Konjunkturerwartungen für die nächsten sechs Monate angesteckt?