Legt die US-Notenbank unter ihrem neuen Vorsitzenden Jerome Powell einen Zinserhöhungsgang zu? Zwar plant die Fed für 2018 weiterhin drei und nicht vier Zinssteigerungen ein. Allerdings fiel diese Entscheidung knapp aus. Und 2019 sind drei statt zwei Erhöhungen eingeplant. Wie ist dieser insgesamt angedrohte Zinsschmerz zu werten? Kommt dieser tatsächlich auf die Finanzmärkte zu? Denn die Risiken dieses vorgezeichneten Zinserhöhungspfads sind angesichts von Finanz- und Konjunkturrisiken, insbesondere aber Handelsprotektionismus, nicht zu leugnen.
Die Fed hat auf ihrer letzten Sitzung erwartungsgemäß die mittlerweile sechste Zinserhöhung um 25 Basispunkte auf 1,75 Prozent vorgenommen. Für Irritationen sorgen allerdings die Leitzinsprojektionen. Während für 2018 vier statt drei Zinssteigerungen nur knapp verhindert werden konnten, sollen es 2019 drei statt bislang zwei sein. Wird die US-Notenbank falkenhafter als bislang erwartet?
Zunächst sind diese Zinsverschärfungen jedoch nicht in Stein gemeißelt. Denn Powell beschrieb das sogenannte „dot plot“ - die Zinsprojektionen der Fed - als „hochgradig unsicher“. Und die Historie der Fed gibt ihm Recht. In den letzten Jahren bestanden zwischen Zinserhöhungsvorhaben und -handeln große Unterschiede. Insofern kann man die Zinsplanung als worst case-Szenario mit positivem Überraschungseffekt einschätzen.
Ihre vermeintlich schärfere Gangart untermauert die Fed mit einem verbesserten Konjunkturausblick. In ihren angehobenen Wachstumsprojektionen (2,7 nach 2,5 Prozent im Jahr 2018 und 2,4 nach 2,1 Prozent 2019) trägt sie den US-Steuersenkungen und dem Konjunkturpaket Rechnung. Diese relativiert sie aber sogleich wieder, indem sie ihren Ausblick nicht mehr als „solide“ sondern als „moderat“ bezeichnet.
Tatsächlich, der seit Jahresbeginn im Trend rückläufige Economic Surprise Index der Citigroup für die USA - er misst positive bzw. negative Abweichungen tatsächlicher Konjunkturdaten von den Vorabschätzungen der Analysten - deutet auf ein nachlassendes konjunkturelles Überraschungsmoment hin. Enttäuschungspotenzial ist also grundsätzlich vorhanden. Da gleichzeitig die US-Konjunktur dieses Jahr ihren Zenit erreicht haben dürfte, sind die Zinserhöhungsprojektionen mit Freiheitsgraden zu betrachten.
Seit Anfang 2017 ist sogar ein deutlich nachgebendes Kreditwachstum zu beobachten. Die über Leitzinserhöhungen voranschreitende Verflachung der US-Zinsstrukturkurve seit Ende 2013 macht Fristentransformation für Kreditbanken - Geld zu günstigen Zinskonditionen bei der Fed aufnehmen und zu möglichst hohen Kreditzinsen verleihen - über eine sinkende Zinsmarge deutlich unattraktiver. Den Verlust wertvoller Wachstumspotenziale will die Fed nicht noch verstärken.
Vor diesem Hintergrund war Fed-Chef Powell durchaus auch um taubenhafte Untertöne bemüht. Auf seiner ersten Pressekonferenz sprach Powell von „graduellen“ Zinserhöhungen. Die Fed will einen Mittelweg zwischen „zu schnell“ und „zu langsam“ beschreiten. Damit vermeidet sie rhetorisch geschickt eine Festlegung auf ihre zukünftige Zinspolitik. Angesichts des handelspolitischen Konfliktpotenzials von Trump insbesondere gegenüber China, das von Peking zulasten der US-Konjunktur erwidert würde, will sich Powell Flexibilität in der Zinspolitik bewahren.
Bemerkenswert ist übrigens ebenso, dass das Inflationsziel der Fed „symmetrisch“ ist. D.h., wenn die Inflation in der Vergangenheit unter dem Zielwert von zwei Prozent gelegen hat, kann man umgekehrt auch ein temporäres Überschießen zulassen.
In diesem Zusammenhang dürfte sich bis zum Sommer 2018 wegen im Vorjahresvergleich gefallener Rohstoffpreise eine gewisse Beschleunigung der Preissteigerungsrate einstellen. Doch da sich ab September 2017 eine deutliche Preisbefestigung zeigte, wächst sich zum Jahresende 2018 der Preisschub unter der realistischen Annahme verhaltener Energie- und Industriemetallpreise aus. Die Fed wird insofern über diesen vorübergehenden Preiserhöhungseffekt hinwegschauen.
Darüber hinaus sorgen zwar viel Quantität, aber zu wenig Qualität des vermeintlichen US-Jobwunders, die Globalisierung und Digitalisierung dafür, dass nachhaltiger lohnseitiger Preisdruck ausbleibt. Die Fed bleibt entspannt.
Grundsätzlich verschärft die Fed ihre Inflationsprojektion nicht: 2018 liegt sie weiter bei 1,9 und 2019 bei 2,0 Prozent. Und der Inflationsausblick für 2020 wurde nur leicht angehoben: 2,1 statt 2,0 Prozent. Die Fed geht davon aus, dass sich die Inflation um ihren bislang gültigen Zielwert von zwei Prozent stabilisiert.
Ebenso behält die US-Notenbank die Finanzstabilität im amerikanischen Bankensektor im Auge. Ein Indikator dafür ist der sogenannte TED-Spread. Als Stressindex misst er, welchen Zinsaufschlag Banken am US-Geldmarkt gegenüber dem amerikanischen Staat als Kreditnehmer zahlen müssen. Je höher, desto größer das Bankenrisiko.
Große Beachtung fand diese Kennzahl 2007 und 2011, als der TED-Spread bis dato unbekannte Höhen erzielte und so die damalige Finanz- und Schuldenkrise plastisch darstellte. Und aktuell erregt er wieder Missfallen, denn immerhin ist er auf den höchsten Stand seit neun Jahren gestiegen.
Doch haben wir es zunächst mit vorübergehenden Veränderungen zu tun. Zum einen findet die US-Staatsfinanzierung aktuell vor allem über Kurzläufer am Geldmarkt statt. Denn das Risiko nur leichter Renditeerhöhungen bei länger laufenden Staatsanleihen, die zu Kursverlusten führen, wollen die Investoren nicht eingehen. So wurden inzwischen Vier-Wochen-Geldpapiere im Rekordvolumen von 65 Milliarden Dollar ausgegeben. Zum anderen führen US-Unternehmen aufgrund der amerikanischen Steuersenkungsreform ihre im Ausland geparkten geldmarktnahen Vermögen durch Verkauf in die USA zurück. Insgesamt trifft das steigende Angebot an kurzfristigen US-Schuldtiteln auf eine unzureichende Nachfrage und führt schließlich zu steigenden Zinsen.
Und überhaupt wird die Fed über Liquiditätsbereitstellungen alles unternehmen, um eine neuerliche Bankenkrise wie ab 2007 zu verhindern. Ohnehin ist der sogenannte Alarmindex mit rund 50 Basispunkten dramatisch weit von seinem Krisen-Hoch von 364 im Jahr 2008 entfernt.
Die von US-Präsident Trump angezettelte Zolldiskussion alarmiert naturgemäß die auf Freihandel angewiesene deutsche Exportwirtschaft. Niederschlag finden diese Handelsirritationen in fallenden Konjunkturindikatoren laut ifo Institut. Die ifo Geschäftslage und das -klima sind jeweils das zweite Mal in Folge gefallen, die Geschäftserwartungen mittlerweile das vierte Mal hintereinander.
Auch die ifo Konjunkturmatrix, die Geschäftslage und -erwartungen gegenüberstellt, hat sich abgeschwächt, auch wenn die Boom-Phase noch anhält.
Der Schwerpunkt der Handelsstreitigkeiten der USA richtet sich vor allem gegen China. Tatsächlich ist dieses Land kein Musterbeispiel an Freihandel und betreibt umfangreichen Technik-Klau. Die harte Handels-Haltung der USA ist daher zunächst zu verstehen. Doch führt jede Art von „Vergeltungs-Handelskrieg“ zu einem gegenseitigen Zoll-Ping-Pong, bei dem nicht nur beide Seiten verlieren, sondern der Welthandel insgesamt.
Ohnehin drängt sich der Eindruck auf, dass die USA in der EU einen Verbündeten gegen China suchen. China ist für die USA der bedeutendste wirtschafts- aber auch geostrategische Konkurrent. Und hier wird die EU von Trump erpresst: Entweder ihr seid für mich oder gegen mich. Ist Europa gefügig, winkt die Verschonung europäischer Exportgüter vor amerikanischen Handelszöllen. Insofern ist der Aufschub von Stahl- und Aluminiumzöllen für die EU bis zum 1. Mai nur eine Atempause für die deutsche Exportindustrie. Gerade Deutschland hat mittlerweile sehr starke Handelsbeziehungen zu China, die sicher nicht sorgenfrei sind. Der Aufbau massiver Abhängigkeiten von China ist z.B. in puncto der Beteiligung eines chinesischen Investors an Daimler unverkennbar. Dennoch kann Export-Deutschland China und letztlich den asiatischen Raum nicht vor den Kopf stoßen, um den USA blind im Handelskrieg zu folgen, deren Eigennützigkeit und teilweise auch Unberechenbarkeit offensichtlich sind.
Es ist dennoch zu erwarten, dass China abseits handelspolitischer Gegenmaßnahmen zur Gesichtswahrung keinen massiven Handelskrieg mit Amerika anstrebt. Das Land ist massiv in die internationalen Handelsketten eingebunden. China ist der weltgrößte Exporteur, der insofern von Eintrübungen des Welthandels am empfindlichsten betroffen wäre. Umgekehrt sind die USA massiv in globale Wertschöpfungsketten eingebunden, bei denen China eine wichtige Rolle spielt. Die Lösung scheint darin zu bestehen, dass China seine sicher verbesserungswürdigen Handelspraktiken überdenkt und die US-Regierung im Handelsstreit gesichtswahrend zurückrudert.
Die EU könnte im Gegenzug für amerikanische Zoll-Ausnahmen ihrerseits - wie von Trump gefordert - Zölle auf importierte US-Waren auf Niveaus senken, die auch umgekehrt gelten. Sich von den USA gegen China ausspielen lassen, darf die EU aber nicht. Wer einmal weicht wird, wird es immer.
Insgesamt bestehen gute Chancen, dass sich schließlich die handelspolitischen Befürchtungen deutlich zurückbilden und ein gefährliches Damokles-Schwert insbesondere für deutsche Exportwerte entfernt wird.
Angesichts der Inflation an Risiken - Handelsprotektionismus, Zinsangst, geopolitische Spannungen - ließe sich ein nachhaltiges Krisenszenario für die Aktienmärkte mühelos darstellen. Dennoch hält sich die Volatilität im historischen Vergleich noch bedeckt. Offensichtlich gehen die Anleger am Ende von positiven Lösungen aus.
Immerhin erwarten die Wirtschaftsweisen trotz der Gefahr von Handelsprotektionismus in ihrem Frühjahrsgutachten für dieses Jahr sogar eine Wachstumsverbesserung der deutschen Wirtschaft von 2,3 nach 2,2 Prozent. Auch eine unaufgeregte Geldpolitik, die in der Konsequenz die Attraktivität der Anlageklasse Zinsvermögen begrenzt, wirkt Aktien stützend.
Allerdings müssen die Finanzmärkte bis zur Kongresswahl in den USA im November noch einiges an wahlpopulistischen Tönen Trumps aushalten.
Charttechnisch liegen im DAX auf dem Weg nach oben die nächsten Widerstände bei 12.000 und 12.232 Punkten. Darüber liegen weitere Barrieren bei 12.489 und 12.722. Werden diese nachhaltig überschritten, liegt das nächste Kursziel vorerst bei 12.951. Kommt es zu weiteren Gewinnmitnahmen, liegt die nächste Unterstützung an der Marke bei 11.830 Punkten.
In den USA signalisiert der etwas freundlichere Einkaufsmanagerindex der Region Chicago eine stabilisierte US-Industrie, während das 14-Jahres-Hoch des von der University of Michigan ermittelten Konsumentenvertrauens auf eine stabile US-Binnenkonjunktur hindeutet.
In der Eurozone weist das von der EU-Kommission ermittelte Konjunkturvertrauen auf erste Bremsspuren in der Wirtschaftsentwicklung hin. In Deutschland zeugt ein widerstandsfähiger GfK Konsumklimaindex von einer stabilen Situation der Binnenkonjunktur als wichtigem zweitem Wirtschaftsstandbein.