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Der Markt
unter der Lupe

 
11.08.2017

Nordkorea-Krise - Irgendwie denkt man an Nenas 99 Luftballons

Zuletzt haben die Euro-Stärke, eine vermeintliche geldpolitische Trendwende und die hausgemachte deutsche Autokrise dem deutschen Aktienmarkt zugesetzt. Jetzt kommt auch noch die geopolitische Krise zwischen Nordkorea und den USA hinzu. Bleibt es beim kalten Krieg der Worte oder ist eine Eskalation zu befürchten? Mittlerweile ist Nordkorea in der Lage, nuklear bestückte Raketen einzusetzen. Kann sich dieser Konflikt tatsächlich zu einem Risiko für den Frieden in Fernost und die Finanzmärkte entwickeln? Und ist vor diesem Hintergrund die konjunkturelle und finanzwirtschaftliche Erholung der Schwellenländer - man spricht bereits von Re-Emerging Markets - gefährdet?

Wenn zwei Egomanen aufeinandertreffen, kann nur ein Dritter schlichten

US-Präsident Trump nimmt im Konflikt mit Nordkorea kein Blatt vor den Mund. Ist das Unberechenbarkeit? Trump selbst hält es für Methode. Er will damit für seinen Gegner nicht einschätzbar zu sein. Diese sollen verunsichert und eingeschüchtert werden. Diesem Zweck dient auch die Rhetorik ähnlich eines Muhammad Alis, der versuchte, seine Kämpfe schon im Vorhinein mit verbalen Angriffen und Demoralisierungen zu gewinnen. Trump wird mit dieser Strategie im Immobiliengeschäft mit oft genug Erfolg gehabt haben. Dies setzt allerdings voraus, dass sich die Gegenseite beeindrucken lässt.

Mit Kim Jong-un steht Trump leider jemand gegenüber, der aus demselben Holz geschnitzt ist und gerade dann erst zur Höchstform aufläuft, wenn er provoziert wird. So waren technische Details zu möglichen nordkoreanischen Raketenangriffen auf die US-Pazifikinsel Guam die Antwort auf Trumps „Feuer und Wut“-Rede. Die Auseinandersetzung auf der rhetorischen Ebene ist weder für Trump noch für Kim Jong-un zu gewinnen. Leider schaukeln sich beide Herren jetzt gegenseitig hoch. Keiner der beiden Alpha-Tiere scheint nachgeben zu wollen. Sie sollten sich Nenas „99 Luftballons“ anhören, wo es heißt „Die Nachbarn haben nichts gerafft und fühlten sich gleich angemacht“ und „Dass es einmal soweit kommt wegen 99 Luftballons“.

Eine drohende militärische Lösung des Konflikts muss jetzt aber unter allen Umständen verhindert werden. Es wäre schlimm, wenn sich die Weltführungsmacht USA durch Rabauken ähnliche Rhetorik ihres Präsidenten diplomatische Handlungsmöglichkeiten nimmt. Denn wie will Amerika reagieren, wenn Nordkorea seine Raketen zwar nicht auf Guam, sondern provozierend 100 Seemeilen davor ins Meer schießt? Es geht um Weisheit und nicht darum, sein Mütchen zu kühlen. Es wäre dumm, wenn man aus Gründen einer verletzten Eitelkeit oder Ablenkung von innenpolitischen Problemen ähnlich wie vor dem I. Weltkrieg sich selbst und andere wie ein Schlafwandler in katastrophale Konsequenzen führt. Es ist etwas anderes, ob Muhammad Ali 1974 in Kinshasa George Foreman k.o. schlägt oder der Ferne Osten zum Trümmerfeld wird.

Das hätte sich Herr Trump von jedem Psychologiestudent im ersten Semester erläutern lassen können, bevor er sich auf das Niveau des Diktators aus Pjöngjang begibt. „Worte zerstören, wo sie nicht hingehören“, „Der Klügere gibt nach“ und „Hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben“ sind Volksweisen, die ihren Weg auch in die USA gefunden haben.

Der Konflikt hat deswegen eine neue Dimension erreicht, weil Nordkorea selbst durch den kommunistischen Bruderstaat und Hauptverbündeten China offenbar nicht zum Umdenken zu bewegen ist. Alle diplomatischen Stricke scheinen aber nicht gerissen zu sein. China, das geopolitisch in der ersten Reihe neben den USA spielen will, sollte hier sein diplomatisches Meisterstück leisten. China kann schon deswegen nicht einfach zuschauen, weil es im Extremfall aufgrund seiner geostrategischen Lage am meisten zu verlieren hat. Ein Zusammenbruch des nordkoreanischen Regimes mit nachfolgender asiatischer Flüchtlingskrise könnte den sozialen Frieden im Reich der Mitte bedrohen. Zudem ist Nordkorea ein wichtiger strategischer Puffer, denn solange Nordkorea existiert, stehen keine US-Soldaten direkt an der chinesischen Grenze. Bislang sind sie in Südkorea stationiert.

Mit Chinas Unterstützung sollten jedoch die gestoppten Sechs-Parteien-Gespräche zwischen Nordkorea sowie Südkorea, China, Russland, Japan und den Vereinigten Staaten zur Lösung des Konflikts wieder aufgenommen werden. Hierbei wäre ein Raketenmoratorium Nordkoreas als Gegenleistung für die Rückführung von Sanktionen denkbare Ansatzpunkte. Immerhin steht Nordkorea wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand und versucht, durch außenpolitische Konfliktrhetorik von innenpolitischen Problemen abzulenken.

In diesem Zusammenhang ist es dringend erforderlich, dass US-Präsident Trump - was ihm nicht sicher nicht einfach fällt - seine Worte sorgsamer wählt. Seine verbale Abrüstung ermöglicht Gesichtswahrung des nordkoreanischen Machthabers. Wie man das macht, zeigt im Moment Außenminister Tillerson.

Grundsätzlich ist keine militärische Eskalation zu erwarten. Über die fatalen Konsequenzen sind sich beide Seiten bewusst. Der nordkoreanische Diktator ist kein politischer Selbstmörder. Würde er scharf schießen, wäre das auch sein persönliches Ende.

Re-Emerging Markets

Durch die Dollar-Abwertung gegenüber den Währungen der Schwellenländer gerieten die Aktienmärkte der Schwellenländer im typischen Gegenlauf wieder in den Anlegerfokus. Zunächst verbilligt sich der Schuldendienst der Emerging Markets, in denen Kredite mehrheitlich auf US-Dollar-Basis aufgenommen werden. Zudem nimmt die Dollar-Schwäche der Kapitalflucht aus den Schwellenländern nach Amerika den Reiz. Im Gegenteil, über Währungsgewinne kommt es sogar zu spürbaren Kapitalzuflüssen mit Aktienkursgewinnen an den Aktienmärkten Asiens und Südamerikas. Mit Kursgewinnen von knapp 23 Prozent seit Jahresbeginn befindet sich der MSCI Emerging Markets Index im Bullenmarkt.

Da sich Trends an den Devisenmärkten oft hartnäckig halten, dürfte die Unterstützung durch die US-Dollar-Schwäche noch anhalten. Diese Entwicklung begünstigen die abgeschwächten Zinserhöhungsphantasien der Fed. Die Finanzmärkte beziffern die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Leitzinserhöhung bis Jahresende mit deutlich unter 40 Prozent.

Signal eines gestärkten Vertrauens in die Schwellenländer ist ebenso die Erholung der zwischen 2014 und 2016 deutlich geschrumpften Devisenreserven. Der Druck, Buchgewinne auf ausländische Wertpapiere zu realisieren, um sie zur Stützung der Währung und damit der Binnenkonjunkturen einzusetzen, hat sich abgeschwächt.

Die abnehmende Risikoaversion gegenüber Schwellenländern zeigt sich nicht zuletzt in sinkenden bzw. verhaltenen Renditen für Staatsanleihen der Schwellenländer. Trotz latenter Regierungskrise sticht hier vor allem Brasilien positiv hervor.

Muss man sich um China Sorgen machen?

Für Irritationen sorgen zwischenzeitlich chinesische Konjunkturnachrichten. Chinas Exportstimmung zeigt sich in der Tat volatil. Auch das tatsächliche Exportwachstum gab zuletzt nach. Von einer spürbaren Exporteintrübung geht man in China jedoch nicht aus. Zum einen hat sich die Weltkonjunktur stabilisiert. Und zum anderen hat der US-Handelsprotektionismus an Drohpotenzial verloren, weil Trumps eigene republikanische Partei diesem kritisch gegenübersteht.

Wie in westlichen Industrieländern setzt im Übrigen auch China auf lockere Geldpolitik. Sie soll Probleme aus der Transformation vom Schwellen- zum Industrieland, der Immobilienblase und der Überschuldung von Unternehmen und Banken entschärfen. Und Peking dient sie als willkommener Finanzierer stattlicher Ausgabenprogramme.

Betrachtet man den ökonomischen Überraschungsindex der Citigroup für China - er misst positive bzw. negative Abweichungen der tatsächlich berichteten Konjunkturdaten von den zuvor getroffenen Analysteneinschätzungen - zeigt sich im Trend eine Stabilisierung, der auch mit dem privaten, staatlich nicht geschönten Einkaufsmanagerindex harmonisiert.

Das gilt im Übrigen auch für die Geldpolitik anderer großer Schwellenländer. Im Gegensatz zu Fed und EZB ist dort der Zinssenkungszyklus noch intakt und stützt Konjunktur und Aktienmärkte, ohne die Währung allerdings zu schwächen.

Hausse der Schwellenländer fundamental gerechtfertigt

Zu positiven konjunkturellen Entwicklungen führen wirtschaftsfreundliche Reformen und eine wieder zunehmende Haushaltsdisziplin in Lateinamerika. Trotz bestehender Polit-Risiken zeigen vor allem die Sorgenkinder Brasilien und Russland nach Jahren der Rezession klare Zeichen der Stabilisierung. Wie für China haben potenzielle Handelssanktionen Amerikas auch für die exportorientierten Schwellenländer Asiens insgesamt an Risiko verloren.

Der Vergleich der von der Citigroup veröffentlichten ökonomischen Überraschungs-Indices der Schwellenländer und der etablierten Industriestaaten misst einen, wenn auch volatilen Vorsprung der Emerging Markets. Insgesamt kommt dies seit Jahresbeginn in einer Outperformance von Aktien der Schwellen- gegenüber denen der Industrieländer zum Ausdruck.

Unterstützung erhalten die rohstoffreichen Emerging Markets wie Russland und Brasilien von der zuletzt sich mindestens stabilisierten Rohstoffpreisentwicklung.

Auch wenn die Emerging Markets bislang nicht an frühere Wachstumsraten anknüpfen können, haben sie ihre Konjunkturdelle jedoch hinter sich gelassen und verzeichnen das höchste Wachstum seit drei Jahren.

Auch das derzeitige Gewinnwachstum der Unternehmen in den Schwellenländern untermauert den Aufschwung der Aktienmärkte. Besonders starkes Wachstum zeigt sich in der Technologiebranche, gefolgt von der Finanz-, Energie und Grundstoff-Industrie. Nach Ländern aufgeschlüsselt verzeichnen koreanische Unternehmen die höchsten Gewinnzuwächse. Auf den Plätzen kurz darauf folgen China, Brasilien, Taiwan und Südafrika. Die Kehrtwende bei der Gewinnentwicklung ist auch auf einen effizienteren Kapitaleinsatz und verstärkten Fokus auf Profitabilität zurückzuführen.

Marktstimmung und Charttechnik - Kein heißer Krieg in Asien

Der Nordkorea-Konflikt ist derzeit das aktienmarktbestimmende Thema. Daher hat auch die Volatilität am deutschen Aktienmarkt spürbar zugenommen. Als sicherer Hafen profitiert Gold von der aktuellen Unsicherheit. Käme es zu militärischen Eskalationen, würden aktienseitig die asiatischen Börsen am stärksten in Mitleidenschaft gezogen. Es ist jedoch zu erwarten, dass auch diese politische Börse kurze Beine haben wird.

Charttechnisch verläuft beim DAX die erste Unterstützung bei 11.942 Punkten. Setzt der Index seine Korrektur fort, bieten die 200-Tage-Linie bei aktuell 11.906 sowie die Marken bei 11.798 und schließlich 11.669 Punkten Halt. Kann der Index auf der Oberseite den Widerstand bei 12.091 und knapp darüber bei 12.142 zurückerobern, ist der Weg frei bis zu den nächsten Barrieren bei 12.219, 12.235, 12.289 und schließlich 12.322 Punkten.

Der Wochenausblick für die KW 33 - Was steht im Sitzungsprotokoll der US-Notenbank?

In China verdeutlichen die Zahlen zu Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätzen eine grundsätzlich stabile Konjunktursituation.

In den USA signalisieren blutleere Einzelhandelsumsätze und ein von der University of Michigan veröffentlichtes Verbrauchervertrauen, das nicht an die jahresanfängliche Stärke anknüpfen kann, dass der Konsum lahmt. Auch die Baubeginne und -genehmigungen signalisieren keine starke Baukonjunktur. Und der Einkaufsmanagerindex der Philadelphia Fed deutet auf insgesamt abnehmende konjunkturelle Dynamik hin. Entsprechend wird das Sitzungsprotokoll der US-Notenbank auf neue Details zur Zurückhaltung bei der weiteren Leitzinswende abgeklopft.

In der Eurozone bestätigen die finalen Daten für Juli den schwächelnden Preisauftrieb. In Deutschland deuten die BIP-Zahlen für das II. Quartal auf eine solide Konjunkturlage hin.