Nach dem Angriff Putins auf die Ukraine werden an der Börse die Folgen von Sanktionen und Gegensanktionen heftig abgewogen. Die Sorgen fokussieren sich insbesondere auf eine eingeschränkte Energieversorgung bei höheren -preisen, die einerseits die Konjunktur schwächen und andererseits den Inflationsdruck stärken.
Der von Putin angezettelte Krieg in der Ukraine, der die Jahrzehnte alte Friedensordnung in Europa zerstört, hat zu einem Unsicherheits-Schock an den Aktienmärkten geführt. Sie verzeichneten zwischenzeitlich die größten Einbrüche seit dem Beginn der Corona-Krise vor zwei Jahren.
Der Weg für diplomatische Lösungen ist nun komplett verbaut. Zwar vermeidet die Nato eine aktive Beteiligung an kriegerischen Auseinandersetzungen, um keinen militärischen Flächenbrand zu riskieren, der in Osteuropa und dem Baltikum streuen würde. Alternativ wird der Westen versuchen, Russland mit Sanktionen die wirtschaftliche Basis zur Kriegsführung zu entziehen. Noch sieht der Westen davon ab, russische Banken vom Swift-Zahlungssystem abzuschalten. Schließlich braucht Europa Finanzierungswege, um weiter russisches Gas bezahlen zu können. Fraglich ist, ob Russland auf die westlichen Sanktionen seinerseits mit einem Stopp seiner Gasexporte reagiert.
Wenn allerdings erst einmal der Teufelskreis von Sanktion und Gegensanktion einsetzt, ist ein Ende nicht absehbar. Die Rohstoffmärkte reagieren bereits mit sprunghaften Preisaufschlägen insbesondere bei Gas. Auch Öl hatte die 100-Dollar-Marke geknackt. Ebenso legen Agrarrohstoffe zu. Der Preis für Winterweizen - die Ukraine ist die Kornkammer der Welt - springt auf ein 9-Jahreshoch. Naturgemäß profitiert auch Gold als sicherer Hafen.
Aufgrund seiner großen Abhängigkeit von Russland als Hauptlieferant von Öl, Gas und Steinkohle würde eine sich weiter zuspitzende Energieknappheit insbesondere Europa und Deutschland treffen. Lieferausfälle sowie weitere Kostensteigerungen für Produktion und Vorprodukte dürften den Aufschwung der Industrie dann mindestens verzögern. Auch schmälern nachhaltige Preissteigerungen die Kaufkraft der Verbraucher und führen zu Konsumzurückhaltung.
Auf der Gegenseite macht sich die zunehmende Aufhebung der Corona-Beschränkungen bemerkbar: Der ifo Geschäftsklimaindex und seine Subindices Geschäftserwartungen und -lage sind im Februar jeweils zum zweiten Mal in Folge auf den höchsten Stand seit Sommer 2021 gestiegen. Die vom ifo Institut befragten Unternehmen werden den sich zum Befragungszeitraum allmählich aufbauenden Ukraine-Konflikt sicherlich nicht komplett ignoriert haben.
Die ifo Konjunkturmatrix für Deutschland, die Geschäftslage und -erwartungen zueinander in Beziehung setzt, deutet in der Tat auf eine Stabilisierung der Wachstumsdynamik hin. So arbeitet sich die deutsche Wirtschaft in die konjunkturelle Zyklusphase „Boom“ vor. Das Ende der „technischen“ Winterrezession ist erkennbar.
Eine besondere Sorgenpause für die deutsche Wirtschaft liefert der Export. Deutsche Exporteure profitieren von der sich stabilisierenden Weltkonjunktur.
Auf Branchenebene blickt die Industrie als Rückgrat der deutschen Wirtschaft erneut optimistischer in die Zukunft. Nachlassende Reibungsverluste in den Lieferketten treffen auf sich weiter füllende Auftragsbücher, so dass in den nächsten Monaten mit einer Wachstumsnachholung zu rechnen ist. Dem Dienstleistungssektor kommen die Wiedereröffnungen im Einzelhandel und im Bereich Gaststätten und Hotels zugute.
Der Stimmungsaufschwung der Industrie hat sich ebenso in der gesamten Eurozone gefestigt und selbst das Dienstleistungsgewerbe kann allmählich aufschließen.
Zwar dürfte die Fed auf ihrer kommenden Sitzung am 16. März mit einer Leitzinserhöhung die Zinswende einleiten. Dabei wird sie allerdings betonen, dass sie ihre Entscheidungen stets „datenbezogen“ überdenkt. Auf diese Weise hält sie sich Hintertürchen offen. Und ein Hintertürchen ist die „Ukraine-Krise“. Zwar rechnen die Finanzmärkte aktuell noch mit sechs Zinserhöhungen 2022. Für 2023 haben sich die Erwartungen aber bereits von drei auf zwei Anhebungen zurückgebildet.
Schließlich verflacht sich die US-Zinsstrukturkurve und nimmt Konjunktur- und damit Inflationsdampf aus dem Kessel. Ähnlich wirken nachgebende Aktien, die die Kauflust der Konsumenten schmälern.
Europa steht ohnehin nicht im Verdacht, eine wirklich restriktive Geldpolitik zu betreiben. Tatsächlich könnte die EZB eine Entscheidung über das Ende ihres Anleihekaufprogramms und die Erhöhung von Einlagenzinsen wegen des Konflikts verschieben.
Grundsätzlich stehen die Notenbanken vor einem Dilemma. Zwar befeuern höhere Energiepreise die Inflation, stellen jedoch auch ein Konjunkturrisiko dar. Und geopolitisch, sozusagen „künstlich“, hoch gehaltenen Energiepreisen können Fed und EZB mit einer restriktiveren Geldpolitik ohnehin nicht beikommen. Insgesamt genießt Konjunktur- klare Priorität vor Preisstabilität.
Eine nachhaltige Erholung an den Aktienmärkten ist zunächst nicht in Sicht. Überwiegend sehr solide Unternehmensergebnisse auch im Ausblick, u.a. von der Deutschen Telekom und der Mercedes-Benz Group, helfen zurzeit nur wenig. Vorerst bleibt die Volatilität wegen der Unsicherheit über die weitere Entwicklung und vor allem in Abhängigkeit des Live-Tickers hoch.
An von Putin geschaffenen Tatsachen in der Ukraine ist nicht mehr zu rütteln. Mit der davon ausgehenden wirtschaftlichen Unsicherheit werden die Märkte leben müssen. Entspannung liefert immerhin der zunehmende Wegfall der Omikron-Beeinträchtigung, was der negativen Konjunkturstimmung entgegenarbeitet.
Mittelfristig dürften vor allem US-Aktien aufgrund der geografischen Distanz zur Ukraine mehr Anklang finden. Amerikanische Energiesicherheit spielt hier eine tragende Rolle. Der Anlegerfokus richtet sich daher auf Rohstoffaktien als Absicherung gegen steigende Grundstoffpreise. Banken profitieren von einer verbesserten Zinsmarge sowie stabileren Kreditportfolios und Reise- und Freizeitaktien von Öffnungsperspektiven angesichts der nachlassenden Omikron-Welle.
Nicht zuletzt rücken substanzstarke Dividendentitel in den Fokus. So haben sich die Unternehmensausschüttungen der DAX-Unternehmen merklich von ihrer Corona-Delle erholt und liegen mit schätzungsweise 45,5 Mrd. Euro auf Rekordniveau. Acht Unternehmen behalten ihre Dividende bei, während 32 ihre Ausschüttungen teilweise kräftig erhöhen. Die Unternehmen fahren einen stabilen Dividendenkurs, zumal Ausschüttungen heutzutage für große Kapitalsammelstellen angesichts ausbleibender Zinsen eine willkommene Alternative bieten.
Auf Sentimentebene ist die Verunsicherung und Niedergeschlagenheit mit immer neuen Tiefs mitgewachsen. So signalisiert das im Trend ansteigende Verhältnis von Put- zu Call-Optionen am US-Terminmarkt, dass sich Anleger-Profis zunächst noch gegen Kursverluste absichern. Vorerst bleibt die Volatilität wegen der Unsicherheit über die allgemeine Entwicklung in der Ukraine und speziell in Abhängigkeit des Live-Tickers hoch.
Doch dürfte ein weiteres Abrutschen im schlimmsten Fall heftig, aber kurz ausfallen.
Charttechnisch liegen im DAX auf dem Weg nach oben die ersten Widerstände bei 14.358, 14.638 und 14.661 Punkten. Darüber liegt die wichtige Barriere bei 14.815. Bei Fortsetzung der Kursschwäche warten Haltelinien bei 14.046, 14.016 und 13.800. Darunter geben weitere Marken bei 13.787, 13.622, 13.600 sowie 13.486 Punkten Halt.