Die Corona-Pandemie sowie die Unsicherheit über die Verlängerung bzw. Verschärfung von Wirtschaftsschließungen legen zwar einen harten Konjunktur-Winter nahe. Doch deuten eine geo- und handelspolitisch freundlichere Biden-Regierung, positive Impfstoffentwicklungen und die weltweite Fortsetzung der üppigen Konjunkturprogramme für Tauwetter im nächsten Jahr. Neben fundamentalen Aufhellungen spricht der Evergreen „Liquiditätshausse“ klar für Aktien.
Die zweite Lockdown-Welle macht ein winterliches Nullwachstum in Deutschland und in der Eurozone wahrscheinlich. Ohnehin sorgen die unsichere Pandemie-Entwicklung und damit verbunden die Frage der Verlängerung bzw. Verschärfung von Lockdown-Maßnahmen für Moll-Stimmung.
Und tatsächlich, von Vorweihnachtsfreude ist bei den deutschen Verbrauchern nichts zu spüren. Laut GfK haben sich Anschaffungsneigung, Einkommens- und Konjunkturerwartungen sowie der Konsumklimaindex allgemein weiter eingetrübt.
Auch die ifo-Institut befragten deutschen Unternehmen werden skeptischer. Geschäftsklima, -lage und -erwartungen geben nach. Offensichtlich werden die zukünftigen Wirtschaftsentwicklungen, besonders skeptisch betrachtet.
Setzt man Geschäftslage und -erwartungen zueinander in Beziehung, arbeitet sich die wirtschaftliche Entwicklung sogar weiter in die konjunkturelle Zyklusphase „Abschwung“ vor.
In den USA dagegen zeigen die Stimmungsindikatoren sowohl für Industrie als auch Dienstleistungsgewerbe eine robuste Verfassung an, obwohl die Pandemie wütet und sich zerstrittene Politiker in der alten Legislaturperiode wohl nicht mehr auf neue Konjunkturhilfen einigen können.
Auch der amerikanische Aktienmarkt schaut hoffnungsfroh in die Zukunft. Zum einen steht die neue Biden-Administration für keine Trumpsche, knallharte Deglobalisierungspolitik, was auch die weltwirtschaftlichen Auftriebskräfte stärkt. Zum anderen erwartet man von der neuen Regierung umfängliche Konjunkturprogramme. Zwar dürfte die Mehrheit im Senat nach den Stichwahlen in Georgia im Januar republikanisch bleiben, was das Verabschieden von Konjunkturpaketen nicht einfach macht.
Doch gilt die neue US-Finanzministerin Janet Yellen, die schon an der Spitze der Fed eine klar wirtschaftsfreundliche Geldpolitik betrieben hat, als ebenso durchsetzungsstark wie überzeugungsfähig. Sie hat immer auf ein ausgewogenes Verhältnis zu beiden politischen Lagern geachtet. Sie wird deutlich machen, dass Amerika ohne möglichst freizügige Finanzpolitik die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie nicht überwinden kann.
Vor allem die fernöstlichen Schwellenländer haben viel an vor-coronaler Konjunkturstärke wiedergewonnen. Das hilft übrigens auch Japan. Längerfristig sorgt ein asiatisches Freihandelsabkommen für noch mehr Wirtschaftsstärke. Da sie hoch in US-Dollar verschuldet sind, kommt ihnen und ihren Aktienmärkten ebenso die geopolitische Entspannungspolitik Bidens entgegen, die den US-Dollar nicht mehr zum ultimativ gesuchten sicheren Hafen macht.
Und im Gegensatz zu Lateinamerika weisen die asiatischen Märkte auch keine Minderentwicklung gegenüber denen der Industriestaaten auf.
Einen wirklichen Winter-Blues zeigen auch die europäischen Aktienmärkte nicht. Zwar verschlechtert sich die Stimmung im Dienstleistungssektor weiter. Doch bleibt sie in der Industrie stabil.
Tatsächlich profitiert das europäische Verarbeitende Gewerbe von Exportsteigerungen nach Asien. Die zurzeit sinkenden ifo-Exporterwartungen sollten sich mit Blick auf die wiedergewonnene Stärke der chinesischen Industrie, die einen Vorlauf hat, zukünftig stabilisieren.
In Europa versucht die Politik mit möglichst „intelligenten“ Lockdowns ein Double Dip, bei der zwei Schrumpfungsphasen innerhalb kurzer Zeit aufeinanderfolgen, zu verhindern. Zwar werden soziale Kontakte und Konsum- und Freizeitmöglichkeiten beschränkt. Wenn aber Unternehmen und Geschäfte grundsätzlich geöffnet bleiben und scharfe Ausgangsbeschränkungen vermieden werden, kann man das Virus unter Kontrolle bringen und gleichzeitig den wirtschaftlichen Schaden so gering wie möglich halten.
Zwar wird es bis Mitte des Jahres 2021 dauern, bis Staaten ihre Bürger mit den neuen Impfstoffen durchgeimpft haben. Doch je mehr Wirtschaftsschließungen auf diese Weise auslaufen, umso mehr rückt die wirtschaftliche Normalität näher. Und umso mehr wird sich die zwangsweise aufgestaute Kaufkraft ihren Weg in Restaurants, Kneipen, Hotels, Kinos, Reisen, etc. bahnen. Dann stünde selbst der arg gebeutelte Dienstleistungssektor vor einer gewaltigen Renaissance.
Ohnehin werden die europäischen Regierungen und Brüssel zusätzliche Konjunkturmaßnahmen ergreifen. Nach einem Haushaltsdefizit der Eurozone insgesamt von ca. 10 Prozent in diesem Jahr werden es immer noch bedenklich hohe 6 Prozent 2021 sein. Angesichts der Corona-Krise wird kein politischer Hahn in Europa nach Stabilität krähen. Die Pandemie ist leider auch ein Alibi.
Die EZB wird genügend Liquidität zur Verfügung stellen, damit alle Neuemissionen an eurozonalen Staatsanleihen auch 2021 voll absorbiert werden. Gleichzeitig wird sie den Ausputzer für die Welle an erwarteten Insolvenzen und damit Kreditausfällen bei Banken spielen müssen, die sich als typische Nachlaufindikatoren erst zu Beginn eines Wirtschaftsaufschwungs offenbaren.
Inflationsbeschleunigung wird die EZB links liegen lassen wie der Fuchs vegetarische Kost. Längst propagiert sie, höhere Preissteigerungen zu akzeptieren, um zu niedrige in früheren Zeiten auszugleichen. Mit dieser „Säkularisierung“ einst heiliger Stabilitätskriterien will die EZB systemische Schuldenkrisen verhindern, die sich bei deutlichen Steigerungen der Kreditzinsen zweifellos einstellten.
Schaut man sich die weiter fallenden Staatsanleiherenditen von Euro-Ländern an, hat die EZB ihre Mission zweifelsfrei erfüllt und wird sie auch zukünftig erfüllen. Mit dieser Planwirtschaft verlieren marktwirtschaftliche Bonitätsfragen und diesbezügliche Rating-Herabstufungen ihre Bedeutung.
Die schöne neue heile Welt der Notenbanken, die die Ausgabewünsche von Finanzpolitiker ohne große Gegenleistung abnickt, führt zu einem gefährlichen Gewöhnungseffekt. Wie will man denn jemals wieder aus dieser Komfortzone der geldpolitisch finanzierten Staatswirtschaft entkommen, ohne (sozial-)politische Turbulenzen zu riskieren? Vermutlich gar nicht mehr!
Insgesamt bleibt das konjunkturelle Umfeld zwar bis zum ersten Quartal 2021 schwierig. Aus heutiger Perspektive jedoch wird die Wirtschaft im Gesamtjahr kräftig wachsen.
Endlich macht Trump den Weg für Biden frei, der die Welt nicht als Arena betrachtet. Damit werden die politischen Rahmenbedingungen für die Börsen wieder stabiler. Angst vor dem nächsten ad hoc-Tweet muss niemand mehr haben.
Und während weltweite Konjunkturhilfen den Aktienmärkten fundamental helfen, verhindern billigste Zinsen anhaltend eine valide Alternativanlage im Anleihebereich.
Gemeinsam mit Impfstoffen, die die Konjunktur beflügeln, sind die Aussichten für die Aktienmärkte 2021 positiv. Der langjährige Bullenmarkt wird sich im nächsten Jahr fortsetzen.
Die Reflationierung verleiht Aktien grundsätzlich, aber insbesondere konjunkturabhängigen Werten weiteren Auftrieb gegenüber High-Tech- und Defensivwerten.
Die zyklische Marktverbreiterung ist sehr gesund, um der Ausschließlichkeit von US-Wachstumswerten zu entkommen. Wenn fünf große US-Internetkonzerne ca. dreimal so hoch bewertet sind wie alle Aktien in Deutschland und Großbritannien zusammen, ist das Risiko für größere Konsolidierungen vor allem dann gegeben, wenn Corona-Profiteure an pandemischer Sonderkonjunktur verlieren.
Sicherlich sorgen ungünstige Lockdown-Entwicklungen mit wirtschaftlich negativen Folgen und das „Warten auf Godot“, das Warten auf konkrete positive Impfstoffnachrichten für zwischenzeitliche Anlegerverunsicherung. Auch ein zu großer Überhang der Optimisten zu Pessimisten am US-Aktienmarkt ist Grund für kurzfristige Konsolidierung.
Mit Blick auf die robusten Aussichten sind Kursrückgänge jedoch als Einstiegschance zu verstehen. In diesem Zusammenhang bleiben regelmäßige Ansparpläne gefragt, vielleicht sogar als Weihnachtsgeschenk für die Lieben.
Charttechnisch liegen erste Unterstützungen bei 13.237, 13.190, 12.950 und 12.901 Punkten. Klare Richtungsentscheidungen, die auch die Frage der Jahresend-Rallye betreffen, werden erst bei Bruch der Widerstände bei 13.460 bzw. 13.600 getroffen.